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Deutsche Serien auf den Philippinen
„Wir sind die (neue) Welle"

 Standbild aus der Netflix Serie "Wir sind die Welle / We are the wave" - Fünf maskierte Personen lauern zwischen Altpapierballen
Standbild aus der Netflix Serie "Wir sind die Welle / We are the wave" | © Netflix/ Photo: Bernd Spauke / RatPack Filmproduktion GmbH

Als der amerikanische Streaming-Gigant Netflix 2014 seine Dienste erstmals auch in Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und Luxemburg anbot, verließ man sich noch auf ein Portfolio aus amerikanischer Standardware. Doch dann kam mit dem deutschen Mystery-Thriller „Dark“ im Jahr 2017 der erste extrem erfolgreiche Versuch des Video-on-Demand-Anbieters, auch Stoffe aus anderen Ländern ins Programm zu nehmen. Seither ist Netflix eifrig dabei, aus diesem Geschäftsmodell das allermeiste herauszuholen, z.B. mit der Drama-Reihe „Dogs Of Berlin“ (2018) oder der erfolgreichen Coming-Of-Age-Dramedy „How to Sell Drugs online (fast)“ (2019). Mit einer der jüngsten deutschen Produktionen, dem Teenager-Drama „Wir Sind Die Welle“, traut man sich bei Netflix jetzt auch an politische Stoffe heran.

Von Dilan Yildirim & Jutta Brendemühl

Die Netflix-Serie macht aus Anti-Faschismus-Vorlage eine Story um Linksextremismus

Eine Gruppe von Teenagern träumt von einer besseren Zukunft. Ihr Anführer, der gerade neu an die Schule gekommen ist, heuert vier Freunde an, um mit ihm eine Jugendbewegung ins Leben zu rufen. Ihre Ideen entwickeln jedoch bald eine gefährliche Eigendynamik. Die Serie ist lose an den Jugendroman Die Welle von Morton Rhue angelehnt, einer Story um einen amerikanischen Geschichtslehrer an einer High School, der seiner Klasse anhand eines Sozialexperiments zeigen will, wie ein faschistisches Regime entstehen kann. 2008 war bereits ein deutscher Film „Die Welle“ mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle erschienen, bedrückend inszeniert von Dennis Gansel, der danach nach Hollywood ging. Mit We are the Wave / Wir sind die Welle meldet sich Gansel als ausführender Produzent zurück.
We Are The Wave / Wir Sind Die Welle | Offizieller Trailer | Netflix
Gleiches Thema, anderer Blickwinkel: Statt einer Schulklasse, die sich langsam in Faschisten verwandelt, haben wir es hier mit einer Gruppe zunehmend radikalisierter linker Guerilla-Kämpfer zu tun – eine im Jahr 2019 provokante und riskante Entscheidung, die direkt nach der Ausstrahlung des Teasers Trailer für heftige Debatten in den sozialen Netzwerken sorgte. Vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und der Tatsache, dass hier sowohl faschistische „Mainstream“-Bewegungen als auch rechtsradikale terroristische Attacken immer mehr zunehmen, ist das auch nicht verwunderlich. Bei den Bundestagswahlen 2017 hatte die extrem rechts angesiedelte Partei AfD (Alternative für Deutschland) mehr als 12 % der Stimmen bekommen und sitzt nun in allen Landtagsparlamenten. Bei der letzten Landtagswahl in Thüringen im Südosten des Landes war die AfD mit 22 % zweitstärkste Partei, hatte nur 2 % weniger Stimmen als die von Merkel angeführten Konservativen und war deutlich stärker als sämtliche anderen traditionellen demokratischen Parteien. Die Welle hat also längst das echte Leben überschwemmt.

Folglich monierte die deutsche Wochenzeitung Die Zeit, dass die neue Netflix-Serie zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt herauskam: „Es gibt genug Argumente dafür, eine Geschichte darüber zu erzählen, wie junge Menschen zu Rechtsradikalen werden. Das Produzenten- und Autorenteam von Wir Sind Die Welle hat sogar die richtige Buchvorlage dafür gewählt“. Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu entgegnete: „Welche Themen sind denn heute wichtig? Warum protestieren die jungen Leute da draußen auf den Straßen? Unsere „Welle“ beschäftigt sich mit den aktuellen Jugendbewegungen, die von Idealismus und dem Wunsch nach Veränderung angetrieben werden.“ Co-Regisseur Mark Monheim fügte hinzu: „Die Welle ist jung, aufregend und schnell. Uns war es bei diesem Serienformat wichtig, hochaktuelle Diskurse und spannende Unterhaltung zu vereinen.“
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle" : Die Guppe der fünf jugendlichen Protagonisten lauert versteckt auf Halden von Altpapierballen. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle" : Die Guppe der fünf jugendlichen Protagonisten lauert versteckt auf Halden von Altpapierballen.
  • Standbild aus der Netflix Germany Original Serie "We are the wave".  Tristan ( Ludwig Simon) und Zazie ( Michelle Barthel) im Schulbus. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Germany Original Serie "We are the wave". Tristan ( Ludwig Simon) und Zazie ( Michelle Barthel) im Schulbus.
  • Standbild aus der Netflix Germany original series "We are the wave"  Rahim (Mohamed Issa) und Paula (Sarah Mahita) kommen sich in der verlassenen Fabrik näher. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Germany original series "We are the wave" Rahim (Mohamed Issa) und Paula (Sarah Mahita) kommen sich in der verlassenen Fabrik näher.
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Tristan (Ludwig Simon) und Lea (Luise Befort) haben Spass in der verlassenen Fabrik. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Tristan (Ludwig Simon) und Lea (Luise Befort) haben Spass in der verlassenen Fabrik.
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Rahim zeigt sein Tattoo des Welle Logos © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle". Rahim zeigt sein Tattoo des Welle Logos
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Lea irritiert ihre Eltern mit ihrer radikalen Haltung. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Lea irritiert ihre Eltern mit ihrer radikalen Haltung.
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": vLnR - Luise Befort (Lea Herst), Ludwig Simon (Tristan Broch), Mohamed Issa (Rahim), Daniel Friedl (Hagen), Michelle Barthel (Zazie). © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": vLnR - Luise Befort (Lea Herst), Ludwig Simon (Tristan Broch), Mohamed Issa (Rahim), Daniel Friedl (Hagen), Michelle Barthel (Zazie).
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Zwischenfall in der Papiermühle © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Zwischenfall in der Papiermühle
  • Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Die Gruppe konfrontiert Kurt Elsner (Bernhard Geffke) in der Papiermühle. © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Die Gruppe konfrontiert Kurt Elsner (Bernhard Geffke) in der Papiermühle.
  • Standbild zu der Netflix Deutschland Produktion „We are the wave/ Wir sind die Welle": Bei den Dreharbeite mit Luise Befort (Lea Herst) © Netflix, Foto: Bernd Spauke
    Standbild zu der Netflix Deutschland Produktion „We are the wave/ Wir sind die Welle": Bei den Dreharbeite mit Luise Befort (Lea Herst)

Regisseur Gansel betonte in mehreren Interviews, dass er nicht schon wieder das gleiche Narrativ heranziehen, sondern das Thema seit der letzten Verfilmung eine Dekade weiterdenken und auch in Richtung Zukunft schauen wollte. Derzeit protestieren Menschen jeden Alters auf den Straßen: Sie demonstrieren für Gleichberechtigung oder Umweltschutz (Fridays for Future, Extinction Rebellion, die #MeToo Bewegung u.v.a.), derweil scheint sich auf der politischen Ebene in dieser Hinsicht wenig zu tun. In Anbetracht dieser sozialen Grundstimmung aus Unzufriedenheit, Protest und Hinterfragen existierender Werte formulierte Gansel seine Kernfragen:

In welcher Welt wollen wir leben? Und was wird passieren, wenn die Generation, die jetzt an der Macht ist, keinen Wandel herbeiführt?

Eine Reaktion auf das Setting der Serie war der Vorwurf, diese sei nichts als Propaganda gegen die antifaschistische Bewegung. Schauen wir uns das Ganze daher einmal genauer an:

Die erste Folge von Wir sind die Welle beginnt damit, dass an einem Gymnasium einer fiktionalen deutschen Stadt ein mysteriöser neuer Schüler namens Tristan in eine Klasse kommt (gespielt von Ludwig Simon, einer von vielen Neuentdeckungen der Serienbesetzung). Er sieht gut aus, ist intelligent, spielt Klavier und spricht nebenbei auch noch fließend Arabisch. Zu schön, um wahr zu sein? Mit diesem Charisma findet er jedenfalls sehr schnell Freunde: Lea, die aus reichem Hause kommt, sich aber verloren und unglücklich fühlt; Zazie, die von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gehänselt wird; Rahim, der Opfer von rassistischen Angriffen ist und Hagen, dessen Familie ihre gesamte Existenz verloren hat, nachdem der Abfallschlamm einer Papierfabrik die Felder der Landwirte verseucht hatte. All diese Teenager sind Außenseiter in einer Gesellschaft, die von Ungerechtigkeit zerfressen scheint. Also schließen sie sich zusammen und beschließen, Sexismus, Umweltverschmutzung, Kapitalismus und Rassismus mit organsiertem Protest den Kampf anzusagen. Auch wenn viele Kritiker genau dies fürchteten, werden hier weder Anti-Faschismus noch Linksextremismus glorifiziert. Vielmehr werden die Jugendlichen hier als unerfahrene Teenager gezeigt, die impulsiv handeln und ihre politischen Initiativen nicht bis zum Ende durchdenken. Darum läuft die Situation auch schnell aus dem Ruder. Erst, als jemand verletzt wird, beginnen die jungen Leute, ihre Taten zu reflektieren. Am Ende muss jeder (auch die Zuschauer) für sich selbst herausfinden, wie weit man bereit ist, für die eigenen Ideale zu gehen und ob der Zweck die Mittel heiligt.
Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Tristan ( Ludwig Simon) maskiert. Standbild aus der Netflix Deutschland Serie „We are the wave/ Wir sind die Welle": Tristan ( Ludwig Simon) maskiert. | © Netflix, Foto: Bernd Spauke
Obwohl die Grundidee von Wir sind die Welle sehr spannend klingt, ist das Ende nicht ganz überzeugend und nimmt der anfänglichen Kontroverse um Rechts- bzw. Linksorientierung ein wenig die Luft. Die erste Staffel besteht aus sechs Folgen, so dass komplexere soziale Themen wie Sexismus nur am Rande gestreift werden. Hätte man sich in jeder Folge auf einen sozialen Aspekt konzentriert, wären sicherlich tiefere Einblicke möglich gewesen. Das Gleiche gilt für die Erzählweise. Die Charaktere entwickeln sich so abrupt, dass die Geschichte an Glaubwürdigkeit verliert. So wird aus dem Designermode tragenden It-Girl Lea etwa in kürzester Zeit eine Umwelt-Aktivistin, die ihre Privilegien kurzerhand an den Nagel hängt. Noch schwerer wiegt allerdings, dass die Serie anders als Roman und Film keine politische Analyse der Mechanismen zur Entstehung extremistischer Gruppierungen anbietet. Die Geschichte macht zum Ende hin diese Entwicklungen auch nicht transparenter. Im Gegenteil, es werden sogar mehr Fragen aufgeworfen – vielleicht, um diese in einer zweiten Staffel zu beantworten?
 
Die Serie Wir sind die Welle ist frei inspiriert vom Roman Die Welle von Morton Rhue. Die Netflix-Serie basiert also lediglich frei auf der Vorlage.

Die Serie wird von Rat Pack Filmproduktion in Zusammenarbeit mit Sony Pictures Film und Fernseh Produktion produziert. Die Drehbücher stammen von Ipek Zübert, Kai Hafemeister und Thorsten Wettcke unter der Leitung von Jan Berger. Regie führen Anca Miruna Lăzărescu und Mark Monheim. Ausführender Produzent ist Dennis Gansel.

Darsteller*innen: Luise Befort als Lea Herst, Ludwig Simon als Tristan Broch, Michelle Barthel als Zazie, Daniel Friedl als Hagen, Mohamed Issa als Rahim.
Staffel 1: Sechs Folgen von 48 - 54 min. 
 

Die Geschichte der „Welle"

Das ursprüngliche Experiment hieß The Third Wave genannt und fand im März/April 1967 an der Cubberley Senior High School in Palo Alto, Kalifornien, statt. Der Lehrer Ron Jones schrieb eine Kurzgeschichte über diese Erfahrung, die im Frühjahr 1976 veröffentlicht wurde.  Darauf folgte im Oktober 1981 ein Fernsehfilm (The Wave) des berühmten Produzenten Norman Lear.  Das darauffolgende Buch The Wave von 1981 ist eine literarische Bearbeitung des Lear-Films und wurde von Todd Strasser (alias Morton Rhue) geschrieben.  Dieses Buch wird immer noch von Studenten in Schulen auf der ganzen Welt gelesen. Im Frühjahr 2008 spielte der populäre Film Die Welle des deutschen Regisseurs Dennis Gansel die Geschichte in einem Gymnasium im heutigen Deutschland. Im Laufe der Jahre wurden auch verschiedene Stücke und Musicals der Welle aufgeführt, und im März 2010 debütierte ein Musical des Originallehrers Ron Jones sowie 2011 sein Stück Die dritte Welle. 2010 feierte Philip Neel, der in der Klasse der Dritten Welle lehrt, mit seinem Dokumentarfilm Lesson Plan über das ursprüngliche Experiment auf dem Mill Valley Film Festival Premiere. Die Netflix-Reihe basiert lose auf den Ideen in diesem Material.

Sehen Sie "We Are The Wave / Wir sind die Welle"

Auf den Philippinen und in Deutschland:

Quelle Netflix
Dieser Text wurde zuerst im Blog German Film @ Canada des Goethe-Institut Toronto veröffentlicht

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