Im Gespräch mit
Simon Menner

Simon Menner
Simon Menner | Foto: Pavlína Jáchimová

Lieber Herr Menner, wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, Ihre Kunst mit Stasi zu verbinden?

Als Künstler beschäftige ich mich sehr mit der Frage, wie Bilder instrumentalisiert werden. Sei es in der Werbung, in der Propaganda, der Kriegsführung oder in der medialen Berichterstattung. Bei meiner ganzen Recherche stolperte ich dann fast schon zufällig auf den wahren Schatz, den die Stasi hinterlassen hat. Und ich fand auch offene Türen im heute zuständigen Archiv.

Was für ein Gefühl ist das, die alten Schachteln zu öffnen, die wahrscheinlich für immer geschlossen bleiben sollten?

Es war schon sehr befremdlich, wenn ich auf Bilder gestoßen bin, bei denen die Stasi Mitarbeiter noch versucht hatten diese zu vernichten. Wären die Dinge mehr im Sinne der Stasi verlaufen, so hätte man alles vernichtet. Dabei wird die Absurdität der Zeit noch klarer, wenn es sich bei den Bildern, die jemand zerrissen hatte, um ganz unbedeutendes Material handelte. Aber es gab auch immer wieder Bilder, die einem den Schauer über den Rücken jagen, da einem plötzlich doch der ganze Schrecken der Stasi vor Augen geführt wird.

Gibt es zwischen den Aufnahmen auch einige, die Sie selbst überraschend, erschreckend, abstoßend oder völlig bizarr finden?

Überraschend fand ich viel. Überraschend im Sinne, dass ich niemals damit gerechnet hätte so etwas zu finden. Wer hätte schon erwartet, dass hochrangige Agenten ein Kostümfest veranstalten, bei dem man sich als Oppositionelle verkleidet?

Aber es gab auch Bilder, deren Schrecken mich bis heute nicht so recht loslässt, Bilder, die auf der Oberfläche erst einmal ganz harmlos erscheinen. Ganz zentral ist für mich das Bild eines ungemachten Bettes. Dieses Bild, ein Polaroid, entstand im Zuge einer heimlichen Wohnungsdurchsuchung. Die Bewohner solcher Wohnungen sollten niemals erfahren, dass ihre Wohnung durchsucht worden war. Also wurden die Stasi Agenten zu Einbrechern. Bevor jede noch so private Ecke durchwühlten, fertigten sie Sofortbilder an, um im Anschluss an die Durchsuchung alles wieder in den Originalzustand bringen zu können. Das Bild des ungemachten Bettes ist also eines, welches das Bett vor dessen gründlicher Durchsuchung zeigt. Ganz schrecklich.

Wie viele Bilder haben Sie sich denn eigentlich angeschaut und nach welchem Muster haben Sie die Ausstellungstücke ausgewählt?

Ich weiß nicht so recht. Vielleicht 30-40 tausend. Ich habe aber doch nur an der Oberfläche gekratzt. Letztendlich habe ich das Material in drei Kategorien unterteilt. Wie wird man ein Spion? Wie sieht es aus, wenn man das Gelernte anwendet? Und welche Bilder machte die Stasi von sich selbst?

Sie haben die bizarre Bilder zuerst im Deutschland gezeigt: was haben Sie davon erwartet und wie waren die Reaktionen?

Positiver als gedacht. Ich hätte eigentlich mit mehr Kritik gerechnet, gerade da ich diese Bilder etwas aus dem geschichtlichen Kontext heraus löse und zudem Bilder zeige, bei denen das Bild ein Teil des damaligen Unrechts sind. Aber generell war die Reaktion sehr positiv. Unterschiede gab es von Generation zu Generation. Personen, die zur Zeit des Mauerfalls noch jünger waren, konnten sehr gut auch über die Absurdität lachen. Dieses Lachen blieb aber in der Regel im Hals stecken, wenn bewusst wurde, dass diese Bilder authentisch sind. Etwas älteren Personen wollte das Lachen aber häufig erst gar nicht so recht über die Lippen kommen.

Denken Sie, dass die Grundidee von TOP SECRET nationalweise übertragbar ist? Hätten Sie Lust auch das visuelle Bild der tschechoslowakischen Geheimagenten zu finden?

Ja, dieses Projekt ließe sich fast überall neu umsetzen. Anders und manchmal kleiner, aber ich vermute, dass die Nationalität oder politische Ausrichtung der Agenten kaum Spuren bei der Arbeit der Agenten hinterlässt. Macht macht arrogant und ich glaube dabei spielt es keine Rolle ob man Kapitalist ist oder Kommunist. Ganz besonders faszinierend wäre natürlich der Blick auf beide Seiten des Eisernen Vorhangs, aber hier fehlt im Westen ganz klar der politische Wille.

Die Idee irgendwann Material des tschechoslowakischen Geheimdienstes sichten zu können würde mich ausgesprochen reizen. So wäre es mir möglich einige Thesen, die ich während meiner Arbeit zur Stasi aufgestellt habe vielleicht zu unterstreichen.