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Bedingungsloses Grundeinkommen – Was ist das?

Foto: Generation Grundeinkommen, CC BY-SA 2.0
Schweizer Kampagne für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, Foto: Generation Grundeinkommen, CC BY-SA 2.0

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist ein finanzielles Transferkonzept, bei dem jede Person eine gesetzlich festgelegte Geldsumme vom Staat erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Wer alles zu diesem Personenkreis gehört, ob also auch Personen ohne deutschen Pass, Kinder und Rentner das Grundeinkommen beziehen sollen, ist ein wichtiger Teil der Diskussion.

Uneins sind sich Unterstützer und Kritiker vor allem darin, worauf sich das „bedingungslos“ beim Bedingungslosen Grundeinkommen bezieht. Weil sich manche bei diesem wichtigen Punkt (teilweise auch bewusst) unklar positionieren, redet man in der Debatte häufig aneinander vorbei. Allerdings kommen zwischen einer „kleinen“ und der „großen“ Bedingungslosigkeit des BGEs sehr unterschiedliche Rechnungen zur volkswirtschaftlichen Machbarkeit zustande. Es ist also immer wichtig zu fragen, worauf sich „bedingungslos“ bezieht.

Vom großen und kleinen BGE

Beim „großen bedingungslos“ wird das BGE an jede Person ausgezahlt – unabhängig von der Höhe ihres oder seines Einkommens. Das heißt, auch Gutverdiener bekämen das Geld. Besonders hartnäckige Kritiker kalkulieren mit dieser volkswirtschaftlichen Milchmädchenrechnung, in der sie einfach jedem deutschen Staatsbürger ein Grundeinkommen gegenüberstellen. Wer so die Zahlen aufstellt, stößt aber tatsächlich schnell an seine Grenzen. Selbst wenn der Staat das Geld von den bedingungslos grundversorgten Gutverdienern steuerlich rückwirkend zurückbekäme, müsste das Geld für 80,5 Millionen Deutsche (Stand: 2011) am Jahresanfang erst einmal auf der hohen Kante liegen. So werfen Kritiker schnell mit Milliardensummen um sich, die natürlich nicht vorhanden sind, und rufen: „Was für ein Mist, ihr Deppen!“

Beim „kleinen bedingungslos“ ist der Erhalt des BGE abhängig von der Höhe des Einkommens. Es wird also nur an jene ausgezahlt, die eine bestimmte Einkommensgrenze unterschreiten. Das Wort „bedingungslos“ bezieht sich hier letztlich darauf, dass die Auszahlung unabhängig ist von der Bereitschaft des Einzelnen, jegliche zumutbare Arbeiten anzunehmen. Hier geht es um eine bedingungslose Existenzsicherung in einer hochentwickelten und wohlhabenden Gesellschaft, welche die Teilnahme aller ihrer Mitglieder unter allen Lebensumständen gewährleisten soll. Ein sanktionsfreies und entstigmatisiertes Arbeitslosengeld II käme dieser Idee eines gesetzlichen Mindesteinkommens ebenfalls recht nahe. Daher nennen viele als Höhe eines BGEs oftmals den aktuellen Hartz IV-Satz oder pauschal 1.000 Euro.

Wer hat’s erfunden?

Erste Ansätze zum BGE finden sich bereits bei den Humanisten der Aufklärung. 1748 schrieb der französische Philosoph Montesquieu in einem Anflug von Großspurigkeit: „Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt.“ Über den volkswirtschaftlichen Sinn oder Unsinn eines BGEs wurde vor allem in den USA und Kanada während der 1960er Jahre diskutiert. Nachdem verschiedene Kleinparteien das Thema wiederholt relativ erfolgreich in Wahlkämpfe eingebracht hatten, setzte US-Präsident Lyndon B. Johnson 1967 eigens eine Kommission ein, die sich eingehender mit dem Thema beschäftigen sollte – offenbar jedoch nur, um es schnell vom Tisch zu haben. Trotz Studien und aussichtsreicher regionaler Pilotprojekte mit einer negativen Einkommenssteuer hat die Gesellschaft das Thema flächendeckend nicht mitgetragen.

In Deutschland erreichte das BGE erst in den letzten Jahren eine breitere Öffentlichkeit. 2013 hat es die Piratenpartei als erste politische Partei in ihr Wahlprogramm aufgenommen. 2014 startete die Initiative Mein-Grundeinkommen. Beides gab der Idee einen großen medialen Auftrieb.

Die negative Einkommenssteuer

Konkrete Vorschläge zum BGE orientieren sich meist an einer sogenannten negativen Einkommenssteuer. Deren prominentester Vertreter ist der US-amerikanische Ökonom Milton Friedman (1912 – 2006). Dieser bezeichnete sich selbst zwar als „klassischen Liberalen“, trotzdem fiel er mit einigen radikalen Ideen auf. Friedman hätte alle bisherigen bedarfsorientierten Transferleistungen und Sozialversicherungen abgeschafft – für Deutschland hieße das also: kein BaföG, kein Kindergeld, keine Krankenkassenbeiträge mehr.

Dafür hätte jede Person einen Anspruch auf eine staatliche Transferleistung, die das Existenzminimum abdeckt. Dieses Existenzminimum wird als Einkommensgrenze definiert. Personen unter dieser Einkommensgrenze bekämen das Geld entsprechend bis zu eben dieser Grenze vom Staat ausgezahlt und wären von der Einkommenssteuer befreit. Geringverdiener könnten ihr Einkommen bis zum definierten Existenzminimum aufstocken lassen. Auf der Einkommensgrenze wird die negative Einkommenssteuer von einer Sozialleistung zu einer ganz normalen Einkommenssteuer. Personen mit höheren Einkommen würden weiterhin regulär Einkommenssteuer zahlen. Wer mit seinem Arbeitslohn allerdings genau auf der Einkommensgrenze liegt, bekäme zwar keine staatlichen Leistungen, müsste aber auch keine steuerlichen Abgaben zahlen.

Befürworter der negativen Einkommensteuer argumentieren mit einem verringerten Verwaltungsaufwand des Sozialstaates, da alle sonstigen Transferleistungen und Bedarfsprüfungen wegfallen. Gewerkschafter und Sozialdemokraten lehnen die negative Einkommenssteuer ab: Für sie ist es ein neoliberaler Versuch zur Aushöhlung des Wohlfahrtsstaates.

Götz Werner, Gründer der Drogerie-Kette dm und Anhänger des BGE, sieht kein Finanzierungsproblem. Foto: re:publica, CC BY 2.0

Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld?

Helmut Pelzer, ehemaliger Professor an der Universität in Ulm, beschäftigt sich bereits seit Anfang der Neunzigerjahre mit der finanziellen Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens. 1996 war er maßgeblich an der Entwicklung des Ulmer Modells beteiligt, einem Steuermodell zur Umsetzung eines sogenannten Bürgergeldes. Das Modell basiert auf der Finanzierung durch eine prozentuale Sozialabgabe aus allen Bruttoeinkommen und einer geringfügig erhöhten Mehrwertsteuer beziehungsweise einer Absenkung von gesetzlichen Beiträgen zur Sozialversicherung.

Nach seinen Berechnungen müssten für 82 Millionen Einwohner in Deutschland (Stand 1996), die monatlich 800 Euro Grundeinkommen beziehen, 787 Milliarden Euro im Jahr aufgebracht werden. Genehmigte man dann noch den knapp 16 Millionen Kindern unter 18 Jahren nur 400 Euro im Monat, so wären es 710 Milliarden Euro pro Jahr.

Das BGE als die eine Sozialleistung für alle

Robin Jessen, Davud Rostam-Afschar und Viktor Steiner, allesamt Ökonomen an der Freien Universität (FU) Berlin, gehen davon aus, dass im Falle einer Einführung des BGE alle Sozialleistungen wegfielen und durch das BGE ersetzt würden.

Die drei Forscher rechnen, wie Helmut Pelzer, mit einem monatlichen Grundeinkommen von 800 Euro bzw. knapp 400 Euro für Minderjährige. Diese Werte entsprechen ungefähr der aktuellen Höhe des Arbeitslosengeld-II-Satzes inklusive Wohnungskosten. Der Empfängerkreis eines Grundeinkommens wäre natürlich viel größer als jener der bestehenden Sozialtransfers. Daraus ergäbe sich eine Finanzierungslücke, die in der Simulation der FU-Ökonomen durch die Einführung eines Einheitssteuersatzes geschlossen wird. So könnte die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens – in Höhe des Hartz-IV-Niveaus – für Deutschland durch eine Art Einheitssteuer von knapp 70 Prozent finanziert werden.

Das Umsatzsteuermodell von Götz Werner: „Es gibt kein Finanzierungsproblem“

Götz Werner, Gründer der Drogerie-Kette dm und Anhänger des BGE, sagte zur Finanzierungsfrage des BGE in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass er kein Finanzierungsproblem sähe: Denn wir alle lebten nicht vom Geld, sondern von Gütern. Laut Werner stelle sich eher die Frage, ob die Gesellschaft in der Lage ist, derartige Güter und Dienstleistungen anzubieten, sodass alle Bundesbürger mit 1.000 Euro Monatseinkommen davon leben könnten. Seine Antwort: „Bei einem Bruttosozialprodukt von 2.500 Milliarden und Konsumausgaben von 1.800 Milliarden Euro – eindeutig ja.“

Umsetzen würde er das BGE, indem er die gegenwärtige Umsatzsteuer von 19 Prozent auf alle Waren und Dienstleistungen schrittweise erhöhen würde. So weit, bis alle anderen Steuern und Sozialabgaben überflüssig wären und abgeschafft würden. Das wäre ein radikaler Umbau unseres heutigen Steuersystems, das Götz Werner für hoffnungslos veraltet hält. Wie hoch das Grundeinkommen jedoch ausfalle, sei eine Frage des sozialen Konsenses. Götz Werner plädierte ebenfalls für 1.000 Euro.

Roman Obst & Arne Siegmund

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    Dieser Text erschien in der zweiten Ausgabe zum Thema Arbeit des utopischen Politikmagazins Kater Demos. Wir bedanken uns für die Genehmigung zur Wiederveröffentlichung! Mehr über Kater Demos: Make journalism great again!

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