Eine unwiderstehliche Konferenz
Wenig Schlaf, kaum Entspannung und kein bisschen Langeweile: Die Harvard World Model United Nations (WorldMUN) verlangt ihren Teilnehmern einiges ab, eröffnet aber interessante Einblicke in die Arbeit der Vereinten Nationen. Die 20-jährige Jura-Studentin Barbora Obračajová aus Prag nahm im März an der Konferenz in Brüssel teil.
WorldMUN begann am 17. März im Brüsseler Palast der schönen Künste. 2000 Delegierte aus 65 Ländern saßen gespannt in einem riesigen Theatersaal; einige wedelten mit Flaggen von den Zuschauerbalkonen, Sprechchöre erschallten alle paar Minuten. Dass sich hier etwas Großes abspielen würde, unterstrich schon die hochkarätige Besetzung der Eröffnungszeremonie. Die weitgereisten Teilnehmer lauschten den Worten von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Olivier de Schutter, dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf angemessene Ernährung. Für das Begleitprogramm sorgte ein russischer Geiger, den das Publikum für jedes einzelne seiner drei Stücke mitstehenden Ovationen belohnte.
Die künftigen Anführer der Welt
„Ich kann der internationalen Atmosphäre dieser Konferenzen nie widerstehen; die unterschiedlichen Akzente und Geschichten, die man während des Zusammenseins hört… Und nicht zuletzt ist es die MUN-Community: Der einzigartige Wortschatz, den man bei MUN verwendet, die formelle Kleidung, die Tatsache, dass man die anderen Delegierten in der U-Bahn an ihren Plaketten und Anzügen erkennt. Außerdem liebe ich die Idee, dass man so etwas mit den beeindruckendsten Studenten und zukünftigen Anführern der Welt gemeinsam haben kann“, erzählt Barbora Obračajová.
Die 20-Jährige studiert an der Prager Karlsuniversität Jura und ist von dem Prinzip MUN seit ihrer ersten Schülerkonferenz vor fünf Jahren völlig begeistert. Bei der London International MUN Konferenz 2013 wurde sie in der Simulation des Internationalen Gerichtshofs als „herausragende Anwältin“ ausgezeichnet. Dieses Jahr nahm sie zum ersten Mal an der WorldMUN teil.
Die großen Probleme der Welt lösen
In Brüssel simulierten die Studenten im März auf neunzehn Gremien verteilt die Arbeit der Vereinten Nationen. Sie schlüpften für eine Woche in die Rolle eines Diplomaten und versuchten, gemeinsam mit den anderen Delegierten die großen Probleme der Politik und Gesellschaft zu lösen.
Barbora war Teil des Pressekorps und vertrat sowohl die BBC, als auch die Huffington Post. Die Aufgabe der „Journalisten“ war es, das Geschehen in den Komitees einzufangen, mit den Delegierten zu sprechen und durch gemeinsame Reflexionen über die bisherige Diskussion die Wogen der Verhandlungen ein wenig zu glätten. „Jeden Tag brachten wir zahlreiche Artikel und Berichte, Analysen und Meinungen zusammen”, schwärmt Barbora, „ich liebte die Idee, dass ich jeden Tag die Ausschüsse wechseln durfte, so dass es im Grunde unmöglich war, sich jemals zu langweilen.“ Ihre Arbeit bestand daraus, die laufende Debatte zu verstehen und die Argumente der Delegierten herauszufiltern. „Also musste ich mich für drei Mal so viele Themen vorbereiten, wie die ‚normalen‘ Delegierten; auf Drohnen an einem Tag und auf den Ausschuss für Öffentliche Sicherheit am nächsten.“
Sechs Tage wach
Als Ausgleich zu den anstrengenden Tagen hatte Harvard zudem für ausreichend Abwechslung gesorgt. In den größten und besten Clubs der Stadt stieg jede Nacht eine Party, eine aufwändiger als die vorherige. Der erste Abend stand unter dem Thema „Global Village“. Die Studenten aus aller Welt boten hier ihre ländertypischen Spezialitäten an. Die Amerikaner spielten Bierpong und die Chinesen teilten ihre Kalligraphie-Kenntnisse. In der „Cabaret Night” führten die Delegierten eigens einstudierte Tänze vor – und ein Kanadier machte seiner langjährigen Freundin vor 2000 Feiernden den Heiratsantrag.
Dass man am nächsten Morgen um neun Uhr schon wieder im Komitee sitzen musste, machte oft erst das Klingeln des Weckers bewusst. Viele trafen sich schon in den frühen Morgenstunden, um an ihren Resolutionen zu schreiben. In den Mittagspausen boten die Unternehmensberatung McKinsey&Company, die internationale Rechtsanwaltskanzlei Allen&Overy und natürlich die Vereinten Nationen Workshops an – allesamt bis auf den letzten Platz besetzt. Und dann gab es ja noch die vielen anderen Studenten, mit denen man sich austauschte und neue Freundschaften schloss. „Es ging wirklich immer um Eigeninitiative, Begeisterung und den eigenen Hunger auf mehr”, sagt Barbora. „Es gibt so viele Dinge, die ich an MUN einfach liebe, und vor allem sind es die inspirierenden Menschen; Menschen, die hart arbeiten und jede einzelne Minute ihres Lebens genießen.“