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Ein Date mit dem Walhai

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Dan Drahozal: „Ich dachte Dschibuti liegt irgendwo im Pazifik. Erst als mir klar wurde, dass ich ins nordöstliche Afrika fliege, kam ich etwas ins Schwitzen.“ Foto: © privat

Die erste Bekanntschaft mit dem Tauchen machte Dan Drahozal während seiner Zeit als Au-Pair in den Vereinigten Staaten. Damals lud ihn seine Gastfamilie zum ersten Tauchgang ein. Der Zauber des Unterwasserlebens ist mittlerweile nicht nur Dans geliebtes Hobby, sondern auch Broterwerb. Als der gebürtige Karlsbader 2010 eine neue Arbeitsstelle suchte, stieß er auf der Internetseite der Tauchervereinigung PADI auf ein Stellenangebot für Dschibuti.

„Ich dachte Dschibuti liegt irgendwo im wunderschönen Pazifik, so hat mich das Angebot des Taucherzentrums direkt begeistert. Erst als mir klar wurde, dass ich ins nordöstliche Afrika fliege, kam ich etwas ins Schwitzen. Trotzdem habe ich das Angebot schließlich angenommen. Es lockten mich das Unbekannte und eine der vermutlich schönsten und am besten erhaltenen Unterwasserwelten,“ erzählt Dan, wie es ihn nach Dschibuti verschlagen hat – ein Land im Nordosten Afrikas, das an den Planeten aus „Der kleine Prinz“ erinnert: die Erde ist mit Steinen und grauem Staub bedeckt, aber unter der Meeresoberfläche existiert eine der farbenprächtigsten Welten, die man auf der Erde, beziehungsweise unter Wasser finden kann.

Haben sich die Träume und Vorstellungen erfüllt, die du vor der Abreise von Dschibuti hattest?

Um ehrlich zu sein, wusste ich vor dem Abflug nicht viel über Dschibuti. Ich musste sogar erstmal nachschauen, wo das Land eigentlich liegt. Das Unbekannte war für mich aber verlockend, und ich habe es als Herausforderung des Lebens angenommen.

Dschibuti ist ein kleiner Staat, umringt von Eritrea, Äthiopien und Somalia – nicht gerade das Paradies auf Erden. Bis auf ein paar Militärstützpunkte, Restaurants und Hotels ist das soziale Leben dort sehr eingeschränkt. Kann die nahezu unberührte Unterwasserwelt die Nachteile des Lebens an Land ausgleichen?

Das alltägliche Leben ist hier wirklich sehr weit von dem entfernt, was ich von zu Hause gewohnt bin. Wir dürfen aber den Militärstützpunkt der USA betreten und so kommen wir wenigstens ab und zu in den Genuß von Fastfood, besuchen ein Café oder irgendein Konzert. Wegen der hohen Sicherheitsvorschriften an Land versuchen wir unsere gesamte Freizeit in und auf dem Meer zu verbringen.

Im Mai vergangenen Jahres gab es in Dschibuti einen Bombenanschlag durch einen Selbstmordattentäter der somalischen Islamistengruppe Al-Shabaab. Warst du während des Anschlags gerade in Dschibuti? Wie verhaltet ihr euch in einer solch prekären Sicherheitslage?

Zur Zeit des Angriffs war ich auf einem kurzen Besuch bei einem Freund in Äthiopien. Wir haben dort für die tschechische Botschaft an einem Fußballturnier teilgenommen. Der Anschlag fand in einem beliebten Restaurant in der Nähe unseres Firmensitzes statt. Ich selbst bin dort auch oft hingegangen. Unmittelbar nach dem Anschlag rief mich panisch eine Kollegin an. Die Kollegin wollte gerade zum Abendessen dorthin gehen, hat das dann aber zum Glück doch nicht getan.

Als Reaktion auf den Anschlag verstärkte unsere Gesellschaft das Sicherheitsteam und verhängte für die Angestellten eine Ausgangssperre in der Zeit von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens. Der Anschlag führte auch zu einem Fernbleiben der Kundschaft und der örtliche Armeestützpunkt ordnete eine vorübergehende allgemeine Ausgangssperre an. Wir haben deshalb den Betrieb für drei Monate komplett eingestellt. Erst im September, als sich die Situation einigermaßen stabilisiert hatte, nahmen wir unsere Arbeit wieder auf. Die Polizei von Dschibuti konzentrierte sich nach dem Anschlag auf die Errichtung von Kontrollpunkten, die Überwachung der örtlichen Restaurants, Geschäfte und anderer Orte, die als potentielle Anschlagsziele gelten. Dafür wurden Polizisten mit Metalldetektoren an den Eingängen postiert. Unsere Gesellschaft richtet sich im Moment hauptsächlich nach den Empfehlungen der örtlichen Niederlassung des UNO und der US-amerikanischen Botschaft. Auf jeden Fall sind wir aber vorsichtiger geworden, wenn wir unsere Freizeit in der Innenstadt verbringen.

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„Nach Dschibuti lockten mich das Unbekannte und eine der vermutlich schönsten und am besten erhaltenen Unterwasserwelten.“ Foto: © privat

Eins der schönsten Erlebnisse, das in Dschibuti von Dezember bis Februar angeboten wird, ist die Begegnung mit einem Walhai in der Bucht von Tadschura. Kannst du dich an den Tag erinnern, als du ihn zum ersten Mal gesehen hast?

Das war im Herbst 2010. Ich erinnere mich, dass ich gleich ins Wasser sprang, als ich den ersten Hai entdeckte. Neben ihm herzuschwimmen war wie in einem schönen Traum. Ich erwachte in dem Augenblick, als ich einen etwa fünf Meter langen Hai bemerkte, der mir entgegen kam. Wir stießen heftig zusammen. Zum Glück sind sowohl der Hai als auch ich ohne eine Verletzung davongekommen.

„Wir wissen nicht, woher sie kommen oder wo sie hinschwimmen, aber wir sind froh, dass sie hier Nahrung finden und wir die Möglichkeit haben, sie zu beobachten.“ – So stellst du während der Saison den Touristengruppen auf dem Boot den Walhai vor. Wie gehen die Wissenschaftler bei der Erforschung dieses herrlichen Tieres vor, und wie viele Rätsel gibt es noch zu lüften?

Zur Zeit ist unsere Gesellschaft führend was das Schnorcheln mit dem Walhai in Dschibuti betrifft. Während der Saison befördern wir im Schnitt 2000 Kunden sicher zum Tauchgang und zur Begegnung mit dem Walhai. Damit ist natürlich eine riesige Verantwortung verbunden, sowohl was die Sicherheit der Menschen während des Tauchens als auch den Schutz dieser wunderbaren Geschöpfe betrifft. Wir befolgen den internationalen Kodex für die Interaktion mit den Haien sehr strikt. Wir arbeiten auch eng mit einigen Wissenschaftlern zusammen, die seit dem Jahr 2004 in Dschibuti forschen. Vor ein paar Jahren haben wir zum Beispiel bei der Entnahme von DNA-Proben assistiert, mit deren Hilfe die geografische Verteilung der Haie identifiziert werden konnte. Außerdem warten und pflegen wir jedes Jahr eine Fotodatenbank der Einzeltiere. Bisher ist es uns gelungen, fast 200 Tiere zu identifizieren, die jedes Jahr in die hiesigen Gewässer geschwommen kommen. Dieses Jahr ist es uns auch gelungen, in den Besitz einer Sonde zu gelangen. Mit ihr können wir mehr Informationen über die Wanderung der Tiere und ihre täglichen Bewegungen gewinnen.

Wie vielen Walhaien kann man während eines Schnorchelgangs begegnen und wie läuft das Ganze eigentlich ab?

Ein oder mehrere Schiffe bringen die Gruppe in eine Bucht etwa zwei Stunden vom Hafen entfernt. Nachdem wir geankert haben, erläutern wir die Verhaltensregeln bei einem Zusammentreffen mit den Haien. Gruppen von jeweils acht Personen werden dann mit kleineren Booten an die Stellen gefahren, wo die Haie ihre Nahrung suchen. Meistens liegen diese nur ein paar Minuten vom Mutterschiff entfernt. Danach ist es Aufgabe der Ausflugsleiter, einen Hai anhand seiner Rückenflosse zu finden. Diese ragt ein paar Zentimeter über die Wasseroberfläche hinaus. Sobald der Hai gesichtet wurde, nähert sich das Boot so nah es geht, aber immer mit einem Sicherheitsabstand. Dann bekommt die Gruppe die Erlaubnis ins Wasser zu springen und neben dem Hai her zu schwimmen.

Wir sehen im Durchschnitt zwei bis drei Haie. Man kann aber auch 20 Tiere auf engstem Raum sehen an Tagen mit hohem Planktonaufkommen, denn diese Haie ernähren sich von Plankton. Unsere Arbeit vor Ort besteht vor allem darin, die Sicherheit der Menschen und der Haie zu überwachen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass den Haien genug Raum zum Fressen bleibt, dass die Leute nicht versuchen, sie zu streicheln, sich an der Flosse festzuhalten oder sie sogar zu umarmen. Bei einer durchschnittlichen Größe eines Hais von über 4 Metern und einem Gewicht von 6 Tonnen ist das nicht allzu leicht, aber die Leute versuchen es trotzdem manchmal. Ich kann ehrlich sagen, dass ich trotz aller Verantwortung jeden Ausflug immer noch sehr genieße.

Was vermisst du in Dschibuti?

Auf jeden Fall den Wechsel der Jahreszeiten. Dschibuti gehört zu den wärmsten Ländern der Welt mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von über 30 Grad Celsius. Im Winter ist das angenehm, aber im Sommer herrscht eine Hitze, an die ich mich immer noch nicht gewöhnt habe. Mir fehlt auch die tschechische Küche. Dschibuti ist zum großen Teil muslimisch, und Schweinefleisch bekommt man hier nicht so einfach.

Gibt es außer der Unterwasserwelt, dem Walhai und einiger ausgezeichneter Fischrestaurants noch andere touristische Attraktionen in Dschibuti?

Auf jeden Fall, es gibt den Assalsee, der salzigste See der Welt. Er liegt am niedrigsten Punkt von Afrika 153 Meter unter dem Meeresspiegel. Die gesamte Gegend ist vulkanisch aktiv und aus geologischer Sicht sehr interessant. Nach dem Tauchen und Schnorcheln ist ein Ausflug zu dem See die zweitbeliebteste touristische Aktivität.

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„Wegen der hohen Sicherheitsvorschriften an Land versuchen wir unsere gesamte Freizeit in und auf dem Meer zu verbringen.“ Foto: © privat

Wie hat Dschibuti dein Leben verändert?

Ich habe hier meine Frau Erica kennengelernt. Also meine zukünftige Frau um genau zu sein. Wir haben uns hier im Jahr 2011 kennengelernt und letztes Jahr verlobt. Sie ist Sergeant der US-Armee und verbrachte ein Jahr auf der hiesigen Militärbasis. Mit Einverständnis der Armee arbeitet sie bei uns als Dive-Master. Aufgrund ihrer Ausbildung (Magister im Fach öffentliches Gesundheitswesen) arbeitet sie jetzt mit den Wissenschaftlern zusammen an den Projekten für das Monitoring der Haie.

Und verloren habe ich die Gewohnheit an Dinge, die zu Hause selbstverständlich waren. Das sind vor allem die ständige Verfügbarkeit von frischen Lebensmitteln und uneingeschränkter Zugang zu Trinkwasser. In Dschibuti müssen wir uns sogar die Zähne mit gekauftem Wasser aus der PET-Flasche putzen, da die hiesige Wasser-Qualität zu schlecht ist. Auch Elektrizität und ein Gefühl relativer Sicherheit sind hier nicht selbstverständlich.

Die letzten fünf Jahre in Dschibuti waren reich an Erfahrungen und neuen Sichtweisen auf das alltägliche Leben. Kulturell und ökonomisch steht diese Gegend diametral im Gegensatz zu Tschechien. Durch den Gesang des Muezzins um vier Uhr morgens geweckt zu werden, war eine neue Erfahrung für mich. Und dann die afrikanische Mentalität. Ich bekam zum Beispiel eine Strafe von umgerechnet etwa 45 Euro für das Durchfahren einer Einbahnstraße in der falschen Richtung. Die Straße war mit keinem Verkehrsschild gekennzeichnet. Ich erklärte dem Polizisten, dass ich gerade erst aus der Tschechischen Republik angereist war und die Straßen hier noch nicht kannte. Da sagte er mit einem Lächeln, dass es hier alle wüssten, und ich wüsste es jetzt auch.

Das Gespräch führte Petra Vytečka Šedinová
Übersetzung: Hanna Sedláček

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Februar 2015

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