Selbstverwirklichung als Fan
Nur wenigen gelingt es, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Monika Bartošová hat es geschafft. Mit 14 Jahren begann sie als Fan der Bücher und Filme über Harry Potter eigene Erzählungen über den Zauberschüler zu schreiben. Heute widmet sie sich dem Fantum als Wissenschaftlerin in den so genannten Fan studies. Sie ist Doktorandin an der Journalistischen Fakultät der Palacký-Universität in Olomouc (Olmütz). Was sie bisher erforscht hat, erzählte sie jádu-Autorin Klára Feikusová.
Was steckt hinter dem „Fan-sein“?
Der Mensch ist ein soziales Wesen und er will sich durch eine Tätigkeit selbst verwirklichen. Das kann zum Beispiel Reiten, Schachspielen oder eben die Teilnahme an Cons sein. Es ist ein Hobby wie jedes andere auch. Es zeigt sich hier aber ein neues Phänomen, das bereits mehrere Generationen erfasst hat: Dank des Internets ist heute die Generation der 20- bis 30-Jährigen stark vom Fantum beeinflusst. Bald werden sie Kinder erziehen und anstelle des Sandmännchens, werden sie denen Doctor Who anschalten.
Warum ist es notwendig, sich wissenschaftlich mit Fans auseinanderzusetzen?
Ich denke, und damit bin ich bestimmt nicht allein, dass uns das Studium der Fans und des Fantums Dinge zeigen kann, die wir über uns selbst wissen sollten. Etwa darüber, wie wir lesen und interpretieren, oder wie wir zu künsterlischen Werken emotionale Bezüge herstellen. Ich persönlich bin der Meinung, dass Fans sich vom normalen Publikum durch nichts anderes unterscheiden als dem Ausmaß ihres Interesses. In der Wahrnehmung eines künstlerischen Werkes durchlaufen sie die gleichen Phasen und Prozesse wie alle anderen, bloß äußert sich das bei ihnen ausgeprägter.
Welche Fachbereiche beschäftigen sich mit dem Fantum?
Fan studies entspringen im Grunde genommen dem Interesse der Kulturwissenschaften für die Populärkultur, die man früher als Opposition oder Negation der Hochkultur ansah. Für die Kulturwissenschaften ist die Populärkultur etwas Alltägliches, das den Menschen zu einem bestimmten Zweck dient. Das Publikum, und damit auch die Fans, ist Teil der Populärkultur, denn diese steht und fällt mit ihrem Publikum. Aber selbstverständlich knüpfen wir auch an ältere Disziplinen an. Ein Interesse am Publikum haben auch die Kommunikationswissenschaft und ganz allgemein die Soziologie. Ethnographische Forschungen, die oft beim Studium des Publikums zu Rate gezogen werden, entspringen wiederum der Anthropologie. Das Phänomen des Fantums lässt sich aber auch psychologisch oder linguistisch untersuchen.
In welcher Form leben Fans ihre Begeisterung aus?
In vielen verschiedenen Formen. Aus meiner Sicht beginnt es bereits mit der Interpretation. Dann folgt die Gründung von Foren, in denen die verschiedenen Auslegungen des Werkes diskutiert werden. Fans haben das Bedürfnis über ihr Interesse zu sprechen, etwa über den neuen Teil ihrer Lieblingsserie. Manche verarbeiten ihre Ideen dann in visuellen Texten – sie malen Bilder, bearbeiten Fotos oder Videos. Andere wiederum schreiben. Das können Texte von nur wenigen Worten Länge aber auch ganze Romane sein. Einige sind schon damit zufrieden, Gegenstände zu sammeln, die mit ihrer Lieblingsserie zu tun haben, zum Beispiel Figuren. Andere tragen T-Shirts. Wie jede soziale Gruppe haben auch Fans das Bedürfnis sich abzugrenzen.
Das Wort „Fan“ hat aber auch negative Konnotationen? Warum ist das so?
Die allgemeine Öffentlichkeit kennt drei Typen von Fans. Am bekanntesten sind die hysterischen Fans, besonders die weiblichen, wie sie etwa die Beatles hatten. Daraus entstand dann das Phänomen der sogenannten Beatlemania. Die zweite Gruppe sind die aggressiven Fußball-Hooligans. Der dritte Typ ist der Wahnsinnige, der dem Objekt seines Interesses so nah wie möglich kommen will. Der bekannteste Vertreter dieses Typs ist der Mörder von John Lennon. Diese drei Typen von Fans haben eine Vorstellung davon geprägt, wie ein Fan „aussieht“: Er ist einsam, hat keine sozialen Bindungen und verbringt die Zeit mit etwas, das keinen Nutzen für die Gesellschaft hat.
Und welchen Nutzen hat das Fantum für die Fans selbst?
Fan sein lässt sich auslegen als eine bestimmte Art, dem Druck der Gesellschaft zu entkommen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Fans oft Menschen aus gesellschaftlichen Randgruppen sind: Frauen, ethnische oder religiöse Minderheiten und weitere, für die es schwieriger ist, sich innerhalb der Gesellschaft anders auszudrücken. Ihr Fantum bietet ihnen eine sichere Plattform. Das gilt etwa für kreative Einzelpersonen, die ihre Begeisterung dazu nutzen, neue Dinge zu lernen oder ihre Fähigkeiten zu trainieren. Einige Autoren von Fan-Comics haben sich zu professionellen Comiczeichnern emporgearbeitet, ähnlich ist es mit den Autoren von Fan fiction, die selbst erfolgreiche Schriftsteller geworden sind. Man kann also sagen, dass das Fantum ein Trainingsfeld ist, auf dem man die Chance hat ein vergleichsweise großes Publikum zu erreichen, das gerne Feedback gibt. Ich denke, es ist gerade das, was an diesen Gruppen so einzigartig ist.
Welches sind die psychologischen Aspekte des Fantums?
Ich muss vorausschicken, dass ich keine Expertin für Psychologie bin, und außerdem habe ich zu einigen Teilgebieten der Psychologie ein distanziertes Verhältnis. Was mich beispielsweise an der Psychologie in Bezug auf mein Forschungsgebiet stört ist, dass sie einige der spezifischen Tendenzen des Fantums als pathologisch voraussetzt. Dabei ergaben alle Studien, die ich je dazu gefunden habe und die mir relevant vorkamen, dass es keine grundlegenden Unterschiede im Vergleich zum Rest der Bevölkerung gibt. Ich bin auf keine psychologische Studie gestoßen, die meine Meinung widerlegt hätte. Im Gegenteil sehen sich die Autoren solcher Studien zu ihrer Überraschung gezwungen zu konstatieren, dass Fans eigentlich ganz normale Menschen sind.
Sind Fans in der Lage, auch kritisch zu sein?
Aber sicher. Niemand weiß mehr über ein bestimmtes Werk der Populärkultur wie seine Fans – im Grunde genommen wissen sie sogar mehr als der Autor selbst. Wenn die Fans ein Werk lieben, konsumieren sie es immer wieder und analysieren es auf der visuellen, der linguistischen und der narrativen Ebene. Üblich sind auch Analysen unter feministischen oder Gender-Gesichtspunkten. Die Fans tun das natürlich nicht bewusst, meistens habe sie keine formelle Bildung in diesen entsprechenden Bereichen. Das bedeutet aber nicht, dass die Qualität ihrer Analysen niedrig wäre, oder dass ihnen die Kompetenz dazu fehlen würde. Auf der anderen Seite kommen aber auch manche Fans aus dem akademischen Umfeld. Sie haben also analytische Fertigkeiten, beherrschen die Fachsprache und fungieren vielfach auch als Meinungsführer. Fans sind alleine schon deshalb hervorragende Analysten, weil sie im Unterschied zu anderen viel Zeit investieren – Zeit, die ein normaler Akademiker üblicherweise nicht hat.
Welchen Bezug hast du selbst zum Fantum?
Früher war ich ein intensiver Fan der Harry-Potter-Bücher, etwa ab einem Alter von 14. Ich habe relativ früh angefangen selbst Kurzgeschichten zu schreiben, erst auf Tschechisch, dann auf Englisch. In dieser Zeit habe ich täglich viele Stunden geschrieben. Das kam mir zugute als ich auf die Universität kam. Das Lesen und Schreiben auf Englisch hat meine Sprachkompetenz gefördert. Heute interessiere ich mich aber für alles Mögliche. Ich beschäftige mich mit visueller Kultur, mir machen Filme und vor allem Fernsehen viel Spaß.
Kann man gleichzeitig Akademiker und Fan sein?
Ich glaube, dass das notwendig ist. Wenn man irgendeinen Eingeborenenstamm ethnographisch untersuchen will, muss man sich entscheiden, ob man dafür jemanden anheuert, der weder die Sprache des Stammes spricht noch die Bedeutung seiner Rituale kennt, oder ob man einen der Eingeborenen schult, der für das Fach ein Talent zeigt: Wer von beiden wird wohl die komplexeren Informationen bringen? In diesem Sinne bin ich auf meinem Gebiet ein Eingeborener. Ich war einmal Teil eines „Stammes“, deshalb verstehe ich diese Welt. Ich habe allerdings damit zu kämpfen, dass manche Dinge für mich selbstverständlich sind, meine Forschungen aber auch für Außenstehende verständlich sein müssen. Es ist also eine ständige Selbstreflexion geboten. Das ist aber in sozialen und humanistischen Fächer ohnehin eine Voraussetzung.
Nehmen andere Akademiker die fan studies überhaupt ernst?
Nicht wirklich, aber das ist ein Ansporn. Erst in dem Moment, in dem ein Akademiker in der Lage ist zu erklären, was er erforscht und warum, wird er sich bewusst, dass seine Arbeit Sinn ergibt, und er erkennt den Wert dessen, was ihn interessiert.
Übersetzung: Patrick Hamouz