Leben

Was wird nach Olympia?

Foto: EG Focus, CC BY 2.0Foto (Ausschnitt): Atos (atosorigin), CC BY-SA 2.0
Der Bolschoi-Eispalast in Sochi, hier wurden die Eishockey-Wettbewerbe ausgetragen. Foto (Ausschnitt): Atos (atosorigin), CC BY-SA 2.0

Und nun ist es vorbei. Sportler, Journalisten und Fans verschwinden und mit ihnen auch die 50 Milliarden US-Dollar, die in die olympische Infrastruktur investiert wurden. Eins steht fest, das olympische Erbe in Form von Riesenstadien, Sportstätten und Hotels kann zum Problem werden.

Parks mit Liegewiesen, Sitzbänken, Pavillons mit Kaffee- und Snackangebot, Trinkwasserbrunnen sowie Spazier- und Radwege, für Spaziergänger wurden zudem spezielle Routen entworfen. In London ist es nach den Olympischen Spielen in 2012 gelungen, das olympische Erbe für die Londoner Bevölkerung in einen Stadtpark zu umwandeln. Mit diesem Vorschlag kam der dortige Bürgermeister, die Umbauarbeiten zogen sich über ein Jahr hin, und es wurden 20,6 Milliarden US-Dollar hineingesteckt. Weitere Investitionen für eine neue Infrastruktur waren notwendig. Es ist noch zu früh zu sagen, ob es in London gelungen ist, die Hoffnung verspricht aber auch die Tatsache, dass der Umbau des „Queen Elizabeth Olympic Park“ von James Corner geleitet wird, der unter anderem auch dafür berühmt ist, dass es ihm gelang, die alte Hochbahntrasse „High Line“ in New York City in schwebende Gärten zu verwandeln und auf den verrosteten Schienen eine Erholungszone einzurichten.

Foto: EG Focus, CC BY 2.0
Der „Queen Elizabeth Olympic Park“ in London, Foto: EG Focus, CC BY 2.0

Nun zeigt aber ein Blick in die olympische Geschichte, dass das olympische Erbe in Form von leerstehenden Gebäuden auch für hochentwickelte Länder zur Herausforderung werden kann.

Als weiteres Beispiel für die erfolgreiche Nutzung der Olympia-Bauten gilt Barcelona (Sommerspiele 1992), das eine gigantische Industriemetropole war und nach den Olympischen Spielen zu einem weltweit bekannten touristischen Zentrum wurde. Man muss dazusagen, dass es im Fall von Barcelona nicht nur um eine effektive Nutzung der Sportanlagen, sondern sogar um eine Schaffung neuer touristischer Infrastruktur und eine faktische Neuprofilierung der Stadt geht, wobei deren geografische Lage und das historische Erbe optimal mit einbezogen wurden.

Lake Placid – Häftlinge bauen ihr eigenes „Olympisches Gefängnis“

Die originellste Lösung ist wahrscheinlich die der USA nach der Winterolympiade 1980, denn dort entstand ein „Olympisches Gefängnis“.

Das Olympische Dorf in Lake Placid am Adirondack-Gebirge war von Häftlingen gebaut worden. Zu Beginn der Spiele wurden diese umgesiedelt, allerdings nicht für lange: bereits im Herbst 1980, weniger als ein Jahr nach dem Ende der Wettkämpfe, wurden aus den Sportler-Unterkünften ganz offiziell Strafkolonien gemacht. Die Regierung der USA hatte von Anfang an vorgehabt, die Gebäude als Gefängnis anzulegen – denn Hotels mit hunderten von Zimmern in einer dörflichen Einöde fast fünf Autostunden von New York City entfernt, wären nicht rentabel.

Foto (Ausschnitt): Doug Kerr (dougtone), CC BY-SA 2.0
Das Olympic Center in Lake Placid, wo 1932 und 1980 die Olympischen Winterspiele stattfanden, Foto (Ausschnitt): Doug Kerr (dougtone), CC BY-SA 2.0

Die Schicksale weiterer olympischer Objekte in anderen Ländern ähneln sich meist. Vieles hängt von der wirtschaftlichen und politischen Situation ab, die sich in dem jeweiligen Land nach den Spielen abzeichnet. So standen etwa in Griechenland im Jahre 2004 von den insgesamt 26 olympischen Bauten ganze 22 leer und das Land ist jetzt, nur wenige Jahre später, dem Bankrott nahe. Sich hier noch für eine Neuprofilierung einzusetzen, ist zu spät, und es würde auch niemand machen.

Ein in etwa ähnliches Schicksal hat das olympische Dorf in Sarajevo ereilt, in dem acht Jahre nach den Spielen auf den ehemaligen Sportstätten Kämpfe ausgetragen wurden. Viele der olympischen Objekte wurden zerstört und der Rest erinnert an Ruinen.

In Ländern in denen keine so offensichtlichen wirtschaftlichen Probleme bestanden, wurden Gelder in die Erhaltung und Neuprofilierung der Objekte investiert. Ein Teil von ihnen (Schwimmbäder und Eislaufstadien) wurden weiterhin ihrer Bestimmung nach genutzt. Ein Beispiel dafür ist der „Wasserclub“ in China, der noch um einen Aquapark erweitert wurde.

Foto: Gabriel Hess, CC BY-SA 2.0
30 Jahre später nur noch eine Ruine: die Bobbahn in Sarajevo. Foto: Gabriel Hess, CC BY-SA 2.0

Tokio – Die Beatles im Judo-Stadion

Große Stadien, die für die Eröffnungs- und Abschlusszeremonien gebaut worden waren, versuchte man als Ausstellungshallen und Konzertsäle weiter zu nutzen. So wurden etwa für den Bau des „Vogelnests“ in Peking 471 Millionen Dollar ausgegeben, und noch einmal elf Millionen Dollar jährlich kostet die Erhaltung des Objekts in seiner ursprünglichen Gestalt. Nach den Spielen wurde es in einen Vergnügungspark umgewandelt und kann auch für Musikshows gebucht werden. Doch die meiste Zeit steht das Stadion leer. Der Touristenstrom hat mit jedem Jahr abgenommen und eine sportliche Zukunft des Gebäudes ist zweifelhaft.

Auch kleinere Stadien lassen sich von ihrer Bestimmung her neu ausrichten. Das Nippon Budōkan-Stadion war im Zuge der Sommerolympiade 1964 in Tokio für Judo-Wettkämpfe gebaut worden und nach den Spielen wurde es in eine Musikhalle umgewandelt. Das Stadion, das sich aus dem Japanischen als „Saal der Kampfkünste“ übersetzen lässt, ist in der ganzen Welt nicht für seine internationalen Sportwettkämpfe, sondern für laute Musik-Shows bekannt. Die erste Band, die hier 1966 eine Reihe von Konzerten gab, waren die Beatles. Im Jahre 2009 wurde dort das 25-jährige Jubiläum des bekanntesten Animationsstudios in Japan, Ghibli, gefeiert.

Foto: kobakou, CC BY 2.0
Das Nippon Budōkan-Stadion wurde für die Judo-Wettkämpfe 1964 gebaut und dient heute unter anderem als Konzerthalle. Foto: kobakou, CC BY 2.0

Eine weitere angemessene und wirtschaftliche Entscheidung ist der Bau solcher olympischer Objekte, die sich schnell wieder abreißen lassen, sodass man sie nicht mit viel Geld unterhalten muss. Teilweise wurde das in Vancouver und Sydney so gemacht. Auch sollte man diese beiden Städte wegen ihrer Anwendung neuster ökologischer und energiesparender Technologien hervorheben, die es dem olympischen Cluster erlaubten, praktisch autonom zu existieren und keine hohe Energieversorgung von außerhalb zu beanspruchen.

Trotz aller Versuche, die olympischen Gebäude effektiv zu nutzen, sieht die Realität so aus, dass in jedem Land zumindest ein Teil von ihnen verfällt und abgerissen wird.

Es gehört zu den Regeln des Internationalen Olympischen Komitees, dass das Land schon bei der Bewerbung für die Olympiade einen nachhaltigen Plan für die weitere Entwicklung der Region nach den Spielen vorlegt. In Russland war dieses Programm erst nach der Planung und dem Baubeginn der olympischen Projekte entwickelt worden, nämlich Ende des Jahres 2010. Das ist die klare Bestätigung einer in Russland gängigen Praxis: „erst bauen wir mal ein Gebäude, und dann überlegen wir uns, was wir später damit machen wollen…“ die Versuche einer präziseren Auslastung Sotschis von außen, beispielsweise durch die Durchführung des G8-Gipfels, die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 oder jährliche Versammlungen der Aktionäre von Staatsbetrieben, lassen sich mit Bemühungen vergleichen, einen Sterbenden zu reanimieren.

Sotschi – Ein neues Las Vegas auf der Basis des Olympischen Dorfes

Foto: Atos, CC BY-SA 2.0
Panorama des Olympiaparks in Sochi während der Winterspiele 2014, Foto: Atos, CC BY-SA 2.0

Der damalige Präsident und der heutige Premierminister Dmitrij Medwedjew hatte im Januar 2011 bekannt gegeben, dass „alle Sportobjekte gemäß ihrer zukünftigen Nutzung in drei Gruppen eingeteilt wurden.“

Die Objekte der ersten Gruppe (das zentrale Stadion, eine große Eislaufhalle für Eishockey, eine Bobbahn und das Skizentrum „Rosa Khutor“ sowie die Sprungschanzenkomplexe К-125 und К-95, die einen Ski-Biathlon-Komplex mit einschließen) behalten ihre sportliche Bestimmung bei und werden nach der Durchführung der Winterspiele in Gebiets- und Staatseigentum übergehen.

Die zweite Gruppe umfasst Bauten, die aufgrund der Anwendung neuester Technologien auseinandergenommen und in einem anderen Gebiet wieder aufgebaut werden können (die Trainings- und die kleine Halle für Eishockey, das Trainingszentrum für Eiskunstlauf und die Eishalle für das Curling, das dem Eisstockschießen ähnelt).

Die dritte Gruppe besteht aus zwei Objekten, auf die eine Neuprofilierung wartet und die für die örtlichen Anwohner und Touristen in Sotschi erhalten bleiben sollen (eine überdachte Reithalle und eine Eislaufbahn für Eiskunstläufer und Kurzstreckenwettkämpfe).

Auf die Kritik musste man nicht lange warten: Erstens waren Sotschi und das gesamte Krasnodarer Gebiet noch nie eine Region, in der die Menschen aktiv Wintersport betrieben haben. Insofern ist die Entscheidung, derartig viele Wintersport-Anlagen am Schwarzmeerufer zurückzulassen sehr fragwürdig.

© Sémhur - wikpedia.org
Karte des Olympia-Parks in Sochi, © Sémhur / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Des Weiteren sind alle Objekte ausschließlich auf anreisende Teilnehmer und von außen herangetragene Veranstaltungen ausgerichtet, ob das nun Wettkämpfe, Ausstellungen, Konferenzen oder Konzerte sind – und das wird ohne eine unkomplizierte und günstige Anbindung zu anderen Städten und auch eine billige und angemessene touristische Infrastruktur unmöglich.

Und schliesslich spielt die Lage der Objekte eine Rolle. Die Hälfte von ihnen (das Cluster am Meeresufer) ist im Imeretinskij-Tal gebaut worden, genauer gesagt, in einem Sumpf. Das macht die Erhaltung der Bauten hochpreisiger und riskanter.

Später wurde der Vorschlag laut, Sotschi in eine „Glücksspieloase“ umzuwandeln. Noch gab es keine Unterstützung von Seiten der Regierung, obwohl ein Teil der Unternehmer ebenfalls dazu rät, in eben diese Richtung zu denken. Allerdings sind andere Expertenwiederum nicht der Meinung, dass man ein neues Las Vegas auf der Basis eines Olympischen Dorfes errichten könnte.

So wie wir es sehen, hat Sotschi jetzt noch Chancen, sowohl ein zweites Barcelona zu werden, als auch das Schicksal Athens zu teilen. Vielleicht aber gibt es für diese Stadt auch noch einen eigenen, einen dritten Weg. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Weg erfolgreich sein wird. Denn schließlich ist Sotschi ja nicht nur die Olympiade – sondern es besteht auch aus den Menschen, die dort wohnen und weiterhin wohnen werden, komme was wolle!

Irina Borodinan & Vadim Karastelew
Übersetzung aus dem Russischen: Anna Brixa

Copyright: To4ka-Treff
Februar 2014

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