Die Kunst des Netzwerkens in einer Kirche unter finnischer Diskokugel

Discokugel; Foto: Morten Vejlgaard JustDiskokugel | Foto: Morten Vejlgaard Just
Diskokugel | Foto: Morten Vejlgaard Just

Die Meinungen der Berlinale über „The Grand Budapest Hotel“ sind geteilt: bestechend und schrullig oder herzlose Wiederholung?

Die Meinungen der Berlinale über Wes Andersons Eröffnungsfilm The Grand Budapest Hotel gehen auseinander. Die einen sind der Meinung, er hat es wieder mal geschafft: Er hat einen Film gemacht, der mit seiner indie-hippen Verschrobenheit begeistert – schrullig und bestechend. Die anderen – zu denen ich mich persönlich zähle – finden, dass es seinen frechen Wiederholungen mittlerweile an Herz fehlt. Die Frische ist weg.

Rick ist das egal. Ich saß im Pressecafé, als ich mitbekam, dass Rick am Nebentisch keine Karte für den Film hatte. Zufällig hatte ich eine Karte übrig, die ich dem verzweifelten New Yorker anbot. Um einen dankbaren Freund reicher wurde ich sogleich zur Party am nächsten Tag eingeladen: der finnischen Party – anscheinend das Stadtgespräch vom letzten Jahr.

Es kann schon sein, dass finnischer Film nicht viel mehr als Kaurismäki ist, aber feiern können die Finnen jedenfalls. Eine Riesenkathedrale am Rande von Kreuzberg war Location für die finnischen Ausschweifungen. Statt Abendmahl gab es Berliner Pilsner umsonst, das Abendgebet sprach der lautstarke DJ, und vom Himmel, zu dem man sonst die heiligen Gedanken sendet, funkelte der Strahlenkranz einer Diskokugel. Jetzt ging es nur noch darum reinzukommen. Ich stand nicht auf der Liste.

Glücklicherweise kann man auf dem Festival alles mit der richtigen VIP-Attitüde und einer Visitenkarte lösen. Schon öffnet sich mir die Tür zur heiligen Zusammenkunft. Bei einer Filmparty geht es vor allem darum, mit möglichst vielen Leute zu reden, während man so tut, als wäre man wichtig. Netzwerken nennt man das. Brendan von CBS News war in dieser Disziplin Meister des Abends. „Hallo noch mal! Hab’ ich dich nicht schon mal gesehen?“ Nee, ich hab’ ihn noch nie getroffen, aber zwei Minuten später hat mir sein weißes Lächeln schon eine Visitenkarte zugesteckt. Da war ich aber nicht der Einzige. Hunderte andere sahen sich an diesem Abend seinen frechen Wiederholungen ausgesetzt. Aber genau wie bei The Grand Budapest Hotel fehlte es an Herz.

Morten Vejlgaard Just
bloggt für Goethe.de/Daenemark von der Berlinale.

Copyright: Goethe-Institut Dänemark, Online-Redaktion
Februar 2014
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Morten Vejlgaard Just ist Filmjournalist und Film- redakteur bei Filmz.dk und bei Den2radio. Kurz gesagt: Er ist Filmvermittler und nicht zuletzt Filmfan. Für Morten ist das persönliche Filmerlebnis am wichtigsten. Gerne darf es einen Detektiv beinhalten, der von einer schönen Frau reingelegt wird – damals, als man im Film noch rauchen durfte.

Twitter @vejlgaardjust