Der ungleiche Kampf um Tickets

Foto: Der Unfertige © 2013 Jan SoldatPotsdamer Platz Arkaden, 4 - Potsdamer Platz, Die Arkaden am Potsdamer Platz unter dem Banner der Berlinale. ID 2014_0003. Foto Jan Windszus © Berlinale 2013
Potsdamer Platz Arkaden, Foto Jan Windszus © Berlinale 2013

Eine Überraschung des Festivals ist unter anderem das etwas undurchschaubare Akkreditierungssystem oder: „Hier sind alle gleich, aber manche sind ein wenig gleicher.“

Das Festival zeichnet sich unter anderem durch eine erhöhte Konzentration von Leuten unterschiedlichen Alters und Geschlechts aus, die Leinenbeutel mit dem tanzenden Bären darauf durch das Zentrum Berlins spazieren tragen. Man trifft sie zum Beispiel in den Kinos vor der Vorführung – das istnoch relativ in Ordnung. Aber damit man ins Kino kommt, muss man ein Ticket haben. Und das hat wiederum zur Folge, dass sich die Bärentaschenträger jeden Morgen in großer Zahl vor dem Festivalzentrum am Potsdamer Platz einfinden, wo sie versuchen an Tickets für ihre ausgewählten Filme zu kommen. Das ist schon wieder nicht mehr in Ordnung, denn Tickets brauche ich selber auch. Und so bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich in den Kampf zu stürzen.

Das Festivalzentrum öffnet um halb neun morgens und mein erster Besuch war erfolgreich, ich habe nur etwa fünf Minuten gewartet. Am Tag nach der offiziellen Eröffnung konnte ich nur noch staunen –die Schlange reichte schon bis vor die Eingangstüren und ich musste eine gute Stunde warten. Derselbe Tag meinte es aber noch gut mit mir: ich habe einen anderen Ticketschalter entdeckt, wo nur fünf Leute anstanden. Direkt am nächsten Tag habe ich herausgefunden, dass dieser Schalter tatsächlich funktioniert – Nirvana, Tickets ohne Warten! Mir blieb also noch genügend Zeit für eine „Kontrolle“ des Festivalzentrums. Die Schlange dort war mindestens doppelt so lang wie am Tag zuvor, ihr Ende verlor sich irgendwo hinter der Ecke des wirklich großen Verwaltungsgebäudes. Ich schätze das Warten hat mindestens zwei Stunden gedauert. Wenn das nicht unbedingt nötig ist, werde ich nicht mehr hierhin zurückkommen – ich stresse mich ungern direkt nach dem Aufwachen...

Bei der Auswahl der Filme hatte ich ein glückliches Händchen. Die Reihe dieser spezielleren Filme, die schon im Zug nach Berlin mit dem Unfertigen begann, geht fröhlich weiter. Ich habe eine Serie von Kurzfilmen der österreichischen Filmemacherin Friedl vom Göller gesehen, die für ihre Fotografie unter dem Namen Friedl Kubelka bekannt ist. Ihre visuellen Gedichte sind Schwarz-Weiß-Filme ohne Ton, kompromisslos montiert aus ungeschnittenen 30-sekündigen Aufnahmen mit einer 16mm-Kamera. („Ich kann Filme nur in der Kamera schneiden, nirgends sonst.“) Der Einfluss der Fotografie ist bei Göller offensichtlich. Und ähnlich wie die Form, sind auch die Themen Göllers alles andere als Mainstream. Während der Vorführung saßen eine Reihe hinter mir einige Studentinnen der FAMU, ich tippe auf den ersten Jahrgang des Produktionsstudiums. Außer ihrer Sicht auf die Kinematographie im Allgemeinen und die gezeigten Filme im Besonderen habe ich vor allem noch den neuesten Tratsch aus unserer prestigeträchtigen Filmhochschule mitbekommen: „ ... das ist dieser Hipster X, läuft rum wie ein Penner, pf... und da kam auch die Produzentin Y von Z, du weißt schon welche. Also Mist!“ Was für ein Gefühl, wenn man die meisten Akteure persönlich kennt... :)

Und noch kurz zu den Akkreditierungen, auf deren Grundlage man diese so wertvollen Tickets bekommt. Normalerweise würde ich das nie sagen, doch auch in Berlin sind alle gleich, aber manche sind gleicher. Wie sonst lässt es sich erklären, dass ich mit einem Kollegen aus dem Workshop für Tickets zu Grafs Film über die amourösen Abenteuer des jungen Schiller Die geliebten Schwestern anstehe, als erstes drankomme und kein Ticket kriege, aber er unmittelbar danach überhaupt kein Problem hat, eins zu ergattern? Wir haben beide die gleiche Akkreditierung! Ein weiterer Kollege bekommt ein Ticket, für das ich mich um neun Uhr vergebens bemüht habe, noch um 15 Uhr. Ebenfalls mit der Basis Festival-Akkreditierung. Die Gleichheit hängt von der Nummer auf dem Festivalpass ab, und angeblich hat niemand einen Schimmer, welchem System die Vergabe dieser Nummern folgt. Komisch. Ein Glück, dass ich ab morgen genau dieselbe-aber-bessere-Akkreditierung haben werde und ein wenig länger schlafen kann. Danke, Eva!

Tomáš Fridrich
bloggt für jádu von der Berlinale.

Copyright: Goethe-Institut Tschechien, Online-Redaktion
Februar 2014

    Tomáš Fridrich arbeitet in der Programmabteilung des Goethe-Instituts Prag. Neben der Zusammenarbeit mit tschechischen Festivals beschäftigt er sich vor allem mit der Dramaturgie und Organisation des Festivals deutschsprachiger Filme Das Filmfest. Wenn er nicht im Kino sitzt, finden sie ihn wahrscheinlich außerhalb der Stadt, meistens im Gebirge.