Meine ägyptische Berlinale – ohne Clooney, von Trier und Murray

© Christopher ReschTicket; © Christopher Resch
Berlinaleprogramm und Tickets

Jeder Berlinale-Besucher hat diesen einen, diesen Herzensfilm. Bei Berlinale-Blogger Christopher Resch ist es „The Square“ (Al midan) über die ägyptische Revolution.

Es gibt diesen einen Film, auf den sich die Berlinale, das weltgrößte Filmfestival, für mich verdichtet: der erste für den Oscar nominierte ägyptische Beitrag, The Square, über die Anfänge der Revolution, wie sie sich auf dem berühmten Platz im Herzen Kairos abgespielt hat – dem Tahrir-Platz. Gleich um die Ecke habe ich gewohnt und gearbeitet. The Square ist ein Film, der meine eigene Geschichte mit der von ganz Ägypten verwebt.

Schnitt. Ganz so dramatisch muss es ja nun wirklich nicht sein. Zwei Tage bevor ich The Square mit klopfendem Herzen auf der Berlinale sehe, entbrennt eine Diskussion unter ägyptischen Filmexperten: Der Film behandle entscheidende Momente nur knapp, er zeige vor allem eine Seite, die der Revolutionäre, doch wo seien diese eigentlich jetzt? Der Film sei großartig, aber trotzdem naiv. Ich höre interessiert zu. Nachdem ich den Film gesehen habe, bleibe ich noch eine Weile im Kinosessel sitzen. Naiv? Vielleicht – ich habe das Gefühl, dass mir ein Urteil darüber nicht zusteht. Es ist jedenfalls ein verdammt eindrucksvoller Film. Der Mann neben mir starrt noch lange auf den Abspann, das Kino leert sich nur langsam. Bei einem derart gut gemachten und emotionalisierenden Film wie The Square wundert es mich nicht, dass er für den Dokumentarfilm-Oscar nominiert ist.

Passend zur internationalen Aufmerksamkeit sind ägyptische Filme auf der Berlinale gut vertreten. Neben The Square behandelt Arij von Viola Shafik die Revolution aus einer indirekteren Perspektive. Om Amira des Regisseurs Naji Ismail läuft im Kurzfilmwettbewerb, außerdem werden Shooting Stars Remind Me of Eavesdroppers (Regie: Maha Maamoun) und From Behind of the Monument (Jasmina Metwaly) gezeigt.

Schnitt. Die Berlinale ist voll von Stars – George Clooney, Lars von Trier, Bill Murray. Doch zu diesen Menschen und ihren Filmen habe ich keine Verbindung. Wieso auch? The Square zu sehen und zu wissen, dass viele meiner ägyptischen Freunde dabei waren und diese Euphorie, aber auch diese Enttäuschung gespürt haben: Das war mein ganz persönliches Berlinalegefühl.

Christopher Resch
bloggt für Goethe.de/Aegypten von der Berlinale.

Copyright: Goethe-Institut Kairo
Februar 2014

    Christopher Resch ist Journalist und Arabist und lebte bis Dezember 2013 in Kairo. Dort war er Beauftragter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Goethe-Institut. Wieder zurück in Deutschland arbeitet er nun von Leipzig aus als freier Journalist und schreibt unter anderem über die arabischen Filmfestivals in Leipzig und Berlin.

    Twitter @Gigi300