„Bloß nicht grün streichen!“

Wie ein 16-jähriger Schüler aus einem kleinen Flur eine außergewöhnliche Galerie machte

Abwechslungsreiche Ausstellungen, spannende zeitgenössische Kunst, Vernissagen mit international angesehenen Künstlern – in der 6000-Seelen Stadt Český Brod 30 Kilometer östlich von Prag würde man das vielleicht zunächst nicht vermuten.

Aber seit Anfang 2011 haben hier so bedeutende Namen wie der Karikaturist Jiří Slíva oder die Illustratorin Galina Miklínová ihre Werke präsentiert. Und zwar in einer Galerie, die der 16-jährige Schüler Pavel Fuchs im Keramikgeschäft seines Vaters betreibt. Momentan ist dort die Ausstellung Šumné Kresby (Rauschende Zeichnungen) zu sehen, Werke des angesehenen Prager Architekten und Schauspielers David Vávra. Wie schafft man es, aus einem unscheinbaren Ladenflur in einer Kleinstadt eine interessante Galerie zu machen? Sarah Borufka sprach mit dem Junggalleristen Pavel Fuchs.

Foto: © privat
Junggallerist Pavel Fuchs, Foto: © privat

Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Galerie zu eröffnen?

Ach, ich komme ständig auf neue Ideen, und dann, wenn die umgesetzt werden sollen, würde ich mich am liebsten in meinem Bett verkriechen. Aber das mit der Galerie fing so an: Mein Vater hat in Český Brod ein Keramikgeschäft, und dort stand schon seit über einem Jahr ein Flur leer. Als mein Vater den dann auch noch grün streichen wollte, dachte ich mir: ‚Nein, bloß nicht!‘ und habe mir den Flur dann kurzerhand für meine Galerie ausgeliehen.

Wie kamst du dazu, dich in deinem jungen Alter für Kunst zu interessieren?

Na ja, meine Eltern sind Kunstliebhaber, aber ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass ich irgendwie so ein Kunstnerd bin. Ich spiele auch Fußball und mache ganz viele andere Sachen.

Und wieso heißt die Galerie „Galerie K“?

Das war eigentlich die Idee meines Vaters, weil sein Geschäft Keramos heißt. Er hat mich auch etwas zu diesem Namen gezwungen, und jetzt habe ich damit ziemliche Probleme, weil der in den Internetsuchmaschinen nicht so leicht zu finden ist. Aber den Namen haben wir ja jetzt schon ein Jahr, da bleiben wir dabei.

Was war Deine erste Ausstellung dort?

Im Februar 2011 hat Zuzana Krajčovičová bei uns ausgestellt. Die ist meiner Meinung nach eine der besten Textilkünstlerinnen in ganz Tschechien. Aber bei uns hat sie andere Sachen ausgestellt, Zeichnungen, Collagen, viel Spirituelles, mit Madonnenfiguren und so. So ist das Ganze in Bewegung gekommen, und seitdem läuft es weiter.

Deinen Vater hast du ja jetzt schon einige Male erwähnt. Wie haben deine Eltern reagiert, als du mit dieser Galerie angefangen hast? Stört sie das oder sehen die das eher positiv?

Natürlich streite ich oft mit meinem Vater. Wir diskutieren wirklich häufig darüber, und manchmal fliegen dann auch die Fetzen, aber dann raufen wir uns wieder zusammen.

Český Brod ist eine relativ kleine Stadt, aber du hast es dennoch geschafft, recht bekannte Künstler dahin zu locken, zum Beispiel Jiří Slíva, der schon in Metropolen wie Rom und New York ausgestellt hat. Wie ist dir das gelungen?

Ich weiß das selber nicht so genau. Ich bin wohl einfach frech genug. Meistens schreibe ich erst eine Email, und darin erwähne ich nicht gleich, dass ich 16 bin. Und die denken dann wohl eher, dass ich ein 40-jähriger, gut betuchter Mann bin. Dass ich erst 16 bin merken die meisten dann erst, wenn sie ihre Bilder bei uns abliefern. Da ist es dann schon zu spät, es sich anders zu überlegen, und die haben da wohl auch keinen Grund dazu. Ich weiß auch nicht, es klappt einfach sehr gut. Klar kommt es vor, dass jemand nicht zurück schreibt, aber bei denen, die hier ausgestellt haben, war das kein Problem.

Foto: © privat
Der Prager Architekt und Schauspieler David Vávra reiste eigens zur Vernissage seiner Zeichnungen nach Český Brod. Foto: © privat

Wie reagieren die Leute darauf, dass du so jung bist?

Schwer zu sagen. Bei manchen habe ich das Gefühl, dass die auf mich herabschauen oder überrascht sind, aber bei den Künstlern selbst kam das bisher nicht vor. Die meisten Reaktionen sind durchaus positiv. Ich habe aber bei meinen Emails auch einen sehr formellen Schreibstil, damit keiner denkt ‚Oh Gott, da schreibt mir irgend so ein junger Schüler.‘ Da wirke ich manchmal deutlich älter, als ich bin. Aber in letzter Zeit versuche ich eher, meine Jugend auszunutzen, weil ich in den ersten paar Emails, die ich verschickt habe, fast zu seriös gewirkt habe.

Hast du überhaupt genug Zeit, dich neben der Schule noch um eine Galerie zu kümmern? Wie ist das mit den Öffnungszeiten?

Na ja, viel Schlaf kriege ich nicht. Manchmal schaffe ich es auch nicht zum Unterricht, aber das Lernen fällt mir jetzt auch nicht so schwer. Ich komme gut mit. Die Öffnungszeiten stimmen mit denen des Geschäfts überein, die Verkäuferinnen kümmern sich also mit darum. Das ist natürlich toll, auch dass mir keine Kosten wie Wasser, Strom und Miete anfallen. Aber leider ist das Geschäft am Samstag nur vormittags geöffnet, und wenn jemand uns am Wochenende besuchen möchte geht das leider nur nach Absprache.

Hattest du schon viele Besucher von außerhalb?

Der Großteil der Besucher sind Leute, die hier wohnen. Das hängt auch wieder damit zusammen, dass es für Leute von außerhalb nicht gerade ideal ist mit den Öffnungszeiten. Und viele kennen uns ja gar nicht, da haben wir noch viel zu tun, Werbung machen, Leute auf uns aufmerksam machen. Ist aber gar nicht so leicht.

Wie läuft so eine Vernissage in deiner Galerie normalerweise ab?

Wir laden immer den Künstler ein, der ausstellt. Jiří Slíva ist auch extra nach Český Brod gekommen. Wenn der Künstler nicht kann, dann mache ich lieber keine Vernissage. Das kommt mir dann überflüssig vor. Die Leute wollen ja mit dem Künstler reden, oft stehen sie auch Schlange für Autogramme, und wenn das nicht geht, dann ergibt eine Vernissage auch keinen Sinn. Aber das ist bisher erst einmal vorgekommen.

Und nach welchen Kriterien wählst du die Künstler aus?

Ganz egoistisch, nach dem, was mir gefällt. Und weil wir eine der wenigen Galerien in der Umgebung sind, bemühe ich mich auch darum, immer was Neues hierher zu bringen, verschiedene Themen anzugehen. Eine ernstere Ausstellung war zum Beispiel Homeless Unlimited, dann kam aber wieder etwas ganz anderes, Slívas Karikaturen. Es ist also echt ein bunter Cocktail.

Wie haben deine Mitschüler darauf reagiert?

Ich habe das eher geheim gehalten und nur denen erzählt, die sich auch dafür interessieren. Das ist auch lange gut gegangen, aber dann kam der Artikel über meine Galerie in der Tageszeitung Mladá fronta dnes, und meine Schule hatte zur selben Zeit an einem Projekt namens Schüler machen Zeitung teilgenommen. Gerade an dem Tag, als der Artikel über mich kam, hat also jeder eine Zeitung gratis geschenkt bekommen. Da war die Katze dann aus dem Sack. Aber ich glaube die meisten fanden das entweder gut oder interessieren sich einfach nicht dafür.

Foto: © privat
Auch für die ganz jungen ist bei Pavel Fuchs buntem Cocktail manchmal etwas dabei – zum Beispiel die Lichožrouti Zeichnungen von Galina Miklínová. Foto: © privat

Und wie siehst du die zeitgenössische Kunst in Tschechien? Macht die neue Generation junger Künstler interessante Sachen, oder eher nicht?

Mir gefallen diese entleerten Diskussionen über Kunst gar nicht. Ich mag moderne Kunst, Installationen und so was, aber das können wir in unserer Galerie nicht ausstellen, Videokunst und solche Sachen, dafür haben wir den Raum nicht. Und manchmal nenne ich Installationskünstler auch scherzhaft Installateure. Tschechien ist halt schon eher ein kleiner Teich. Wenn jemand erfolgreich ist, wird er auf ein Podest gestellt.

Hast du vor Kurator zu werden? Ist das ein Beruf, der dich reizt?

Wenn ich meinen Eltern sage, ich möchte Kurator werden, dann schmeißen die mich raus, glaube ich. Aber im Ernst, ich denke, das bleibt ein Hobby. Ich weiß selber nicht genau, was ich mal studieren will. Die Frage ‚Was willst Du mal werden?‘ geht mir ziemlich auf die Nerven, vor allem, wenn einen das dann auch andere Leute fragen als die Oma. Ich bin mir noch nicht sicher.

Bist du mit der tschechischen Kunstszene vernetzt, oder ist das schwer, da Kontakte zu knüpfen?

Ich habe das Gefühl, dass das echt schwer ist. Es ist leichter, mit Künstlern in Kontakt zu treten. In kleineren Städten kenne ich andere Galleristen, und lade die auch zu uns ein. Ich würde gerne noch mehr Kontakte knüpfen, aber man kann ja auch nicht einfach eine Email schreiben, so nach dem Motto ‚Willst Du mein Freund sein?‘ Aber die Ausstellung Homeless Unlimited war davor im Prager DOX, dann in Prag 5, in der Portheimka Galerie, und gerade setze ich mich dafür ein, dass diese Ausstellung auch noch weiter gezeigt wird.

Welche Ausstellung hat dir persönlich am meisten Spaß gemacht?

Am meisten Besucher kamen zur Ausstellung der Lichožrouti Zeichnungen von Galina Miklínová, die sind aus einem der meistverkauftesten Kinderbücher auf dem tschechischen Markt. Da waren echt sehr viele Leute hier, so über 60, und das war wohl unsere bislang erfolgreichste Veranstaltung. Aber ich kann nicht sagen, was mir am meisten Spaß gemacht hätte, alles war wirklich spannend.

Was hast du dir vorgenommen für 2012?

Ich würde gerne mal etwas ganz anderes machen, und zwar inspiriert von der Fernsehsendung Hledáme mladé talenty (Junge Talente gesucht). Die war früher hier mal sehr beliebt, und ich würde gerne auch so eine Art Talentwettbewerb für jüngere Künstler ausschreiben, gerade weil hier echt viele Kunststudenten ganz tolle Sachen machen. Da könnte man dann Werke von fünf verschiedenen Künstlern aus der Region ausstellen.

Das Interview führte Sarah Borufka

Copyright: Goethe-Institut Prag
Februar 2012
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