Social Network für Wissenschaftler

Foto: © Tommoko
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Andrew Isaak (rechts) mit seinen Mitarbeitern Sergii Poluektov, IT Volunteer im Experience Program, und Baiba Veidemane, Erasmus-Praktikantin im Bereich Marketing/PR, Foto: © Tommoko

Andrew Isaak hat schon einige Hoch- und Tiefpunkte durchgemacht, seit er im Frühjahr 2011 in Mannheim seine eigene Firma gegründet hat. Eigentlich hatte er mit seinem Crowdfunding-Projekt unter dem Namen Sciencebook auf den Markt gehen wollen. Das hatte dem 32-jährigen Existenzgründer allerdings eine Klage von Facebook eingebracht.

„Mark Zuckerberg erhebt den Anspruch das Vorrecht zu besitzen auf alles, was auf ‚-book‘ endet. Einige Anwälte haben mir geraten, mich auf einen Markenstreit einzulassen, weil ich wohl gewonnen hätte. Das hätte allerdings gedauert und gekostet“, erklärt Andrew.

Tatsächlich geht es bei seinem Projekt, das seit einiger Zeit den Namen Tommoko trägt, um etwas ganz anderes als bei Facebook. Das japanische Wort steht ebenso für Wissenschaft wie für Freundschaft und beschreibt damit genau, was Tommoko sein soll: Ein soziales Netzwerk für Wissenschaftler, die mit Freunden, aber auch mit möglichen Förderern ihrer Projekte in Kontakt treten wollen. „Die Idee ist, Wissenschaftlern, Doktoranden oder auch Instituten und Universitäten die Möglichkeit zu geben, ihre Projekte auf der Plattform vorzustellen und dort Finanzierungsoptionen zu finden. In den USA ist diese Art von Crowdfunding bereits ziemlich verbreitet. In Deutschland gibt es kaum etwas in dieser Art, schon gar nicht im wissenschaftlichen Bereich“, erläutert Andrew das Konzept.

„Der Gesellschaft etwas zurückgeben“

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Dass sein Blick auf die Dinge nicht selten ein amerikanischer ist, ist kein Zufall: In Heidelberg geboren und in New York aufgewachsen, hat er Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften in den USA studiert, später in Frankfurt am Main als Unternehmensberater gearbeitet. Seine eigene Existenzgründung betrachtet Andrew aber eher als Quereinstieg: „Ich habe ziemlich viel Spaß daran, verschiedene Dinge auszuprobieren. Daher war es für mich nicht ganz einfach, mich mit der Selbstständigkeit auf einen bestimmten Bereich festzulegen. Zugleich verspüre ich aber auch eine Art Verantwortung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich hatte das Privileg, zu studieren und Erfahrungen sowohl im wissenschaftlichen als auch im wirtschaftlichen Betrieb zu sammeln. Davon sollen jetzt auch mal andere profitieren.“

Bis Andrew selbst von Tommoko profitiert, kann es noch eine Weile dauern. Bislang finanziert er es privat. Eine halbe Stelle an der Universität Mannheim sichert ihm den eigenen Lebensunterhalt und der Firma die Existenz. „Es geht mir nicht so sehr darum, mit dem Unternehmen Kapital anzuhäufen. Mein Ziel ist eigentlich eher ein gemeinnütziges – und dass ich selbst, davon leben kann“, sagt Andrew und schildert zugleich die Problematik dieses Ansinnens: „Es ist schwierig, andere für eine solche Idee zu begeistern.“

„In Deutschland gibt es keine Spendenkultur“

Andere – das sind Mitarbeiter, die Andrew braucht, um seinem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. „Es gibt bereits jetzt einige freiwillige Helfer, die mir mit ihrem Know-how zur Seite stehen. Außerdem ist die Firma in einem europäischen Volunteer-Programm angemeldet. Ich kann ein Praktikum anbieten und die Gelegenheit, an einem Startup aktiv mitzuwirken. Umgekehrt hoffe ich, dass begabte junge Leute aus Europa mir ihr Potential zur Verfügung stellen.“

Krisen habe es bereits einige gegeben, gesteht Andrew. Vieles sei schwieriger gewesen, als er erwartet hat. „Die Finanzierung habe ich am meisten unterschätzt. Die größte Herausforderung aber ist, potentielle Nutzer und Partner von der Seriosität der Idee zu überzeugen. Anders als in den USA gibt es in Deutschland keine Spendenkultur. In den USA ist Crowdfunding ein logischer Fortschritt im bestehenden System; in Europa allerdings misstrauen viele dem Konzept.“

Andrew Isaak: „In Europa allerdings misstrauen viele dem Konzept des Crowdfunding.“

Sechs Monate nach der Firmengründung ist Andrews Geschäftspartner aus dem Unternehmen ausgestiegen – ein Rückschlag, aber nachvollziehbar, wie Andrew sagt: „Das war angesichts des Risikos, dass das Ganze schiefgehen könnte, ein verständlicher Schritt.“

Ob sich Investitionen und Erfolg für ihn am Ende die Waage halten werden, vermag Andrew nicht vorherzusagen. „Im technischen Teil ist 90 Prozent der Arbeit bereits getan. Jetzt müssen wir den Markt überzeugen.“

Nicht nur Andrew geht davon aus, dass seine Idee die deutsche Skepsis besiegen wird. „Ich bekomme viel positives Feedback von Freunden und Mentoren.“ Zu seinen wichtigsten Unternehmensberatern zählt Andrew seinen Vater. „Der ist Wirtschaftswissenschaftler“, sagt der Existenzgründer. Es scheint, als füge er in Gedanken hinzu: „Und der muss es wissen.“


Copyright: Goethe-Institut Prag
August 2012

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