Baustelle Kalk

Foto: © Baustelle Kalk

Bau dir deinen eigenen Kulturraum!

In Köln-Kalk bauen sich zwei Handvoll Studenten ihre eigene Kulturnische. Alles organisieren sie eigenhändig, als gemeinnütziger Verein bekommt keiner von ihnen Geld dafür. Trotzdem hat es ihre Baustelle geschafft, in einem halben Jahr zu einer neuartigen Institution zu werden, die es im Kölner Kulturleben noch nicht gab und die man nicht mehr missen möchte.

Foto: © Baustelle Kalk

Vorher: Eine Müllhalde, Nachher: „Talibam!“ Foto: © Baustelle Kalk

Ursprünglich hatten wir bloß einen Raum, ein Dutzend helfende Hände… und eine Vision: ein unabhängiger Kulturort!

Der Raum war eine alte Dachdeckerwerkstatt in einem Hinterhaus, die seit Ewigkeiten nur noch als Lagerhalle genutzt wurde… bis zur Decke vollstopft mit Gerümpel – ein Berg vergilbter Gardinen, rostige Ersatzteile längst verschrotteter Autos, ein entwendeter Einkaufswagen und Spinnweben, Spinnweben, Spinnweben.

Meryem, die Tochter der Hausbesitzerin, erkannte das versteckte Potential: hinter all dem Tohuwabohu sah sie einen Ort, der genutzt werden wollte. Genutzt werden musste! Mit einer kleinen Armee von Freunden richteten wir den Raum wieder her. Wir entrümpelten, entsorgten und klaubten klebrige Spinnweben von den Wänden. Und da war sie dann, unsere Baustelle! Eine leere Halle von 60 Quadratmetern, mit unverputzten Steinwänden, rissigen Böden und einem kaputten Eingangstor. - Ein Spielplatz für unsere Ideen!

Große kleine Pläne

Foto: © Baustelle Kalk

Die Mädels von „Baustelle Kalk e.V.“ von links nach rechts: Janina Warnk (Schnick-Schnack-Beauftragte), Nicole Wegner (Stellvertretende Vorsitzende), Fatma Erkus (Schatzmeisterin), Meryem Erkus (Vorsitzende), Foto: © Baustelle Kalk

Meryem wollte Ausstellungen junger Künstler organisieren. Nicole mit ihrem unkonventionellen Musikgeschmack liebäugelte damit, Bands einzuladen, die sonst niemand in Köln auftreten lassen würde. Ich selbst sah eine Möglichkeit, lokale Künstler und Musiker vorzustellen. Janina schwebten raumübergreifende Installationen vor – ein Wald, Atlantis, ein Großstadt-Ghetto oder einfach einmal „Alles in Weiß verhüllen“. Außerdem wollte Wolfgang Modenschauen stattfinden lassen, Steffi hätte gerne ein Doppelkopf-Turnier in Köln gehabt, Dirk suchte Auftrittsmöglichkeiten für seine Band... „Eine Plattform für Ideenfindung und kreativen Austausch von Vorschlägen“, würden wir später in unserer Satzung als Vereinszweck schreiben.

Tatsächlich wagten wir uns daran, einen unserer Einfälle umzusetzen: Wir erwarben die (Film-)Lizenz für Future Shorts, einem internationalen Pop-Up-Kurzfilmfestival. Beamer und Leinwand konnten wir in der Hochschule ausleihen, Lautsprecher brachten wir von daheim mit, Stühle suchten wir aus unseren Kellern zusammen, und der DJ stellte seinen eigenen Plattenspieler zur Verfügung. Sogar einen Popcorn-Automaten hatte noch jemand zu Hause gefunden.

Das internationale Pop-Up-Kurzfilmfestival Future Shorts in der Baustelle Kalk. Video: © Cem Gerceker Tekin

Wir hatten zwar etwas Werbung gemacht, aber nicht wirklich daran geglaubt, dass außer unseren Freunden jemand kommen würde. - Doch sie kamen. Sie kamen zuhauf. Wir waren ausverkauft. Mit uns unbekannten Menschen, die unser Programm sehen wollten. Wir waren selbst verwundert. Nicht nur darüber, dass es funktionierte, sondern auch, dass es ganz in unserem Sinne funktionierte: auf den Sitzen teilten sich fremde Menschen Decken, (es war Februar, und wir haben keine Heizung,) sie rückten auf Bierbänken eng zusammen und reichten sich das Popcorn über die Reihen hinweg.

„Kultur muss bezahlbar sein!“

Nach unserer gelungenen Auftaktveranstaltung trauten wir uns, Talibam! einzuladen, eine von Nicole empfohlene New Yorker Noise-Jazz-Band. Zu unserem Erstaunen sagten sie tatsächlich zu. So kamen wir zu unserem ersten Konzert. Wieder wurde das Meiste improvisiert: Die Beschallungsanlage aus der Hochschule ausgeliehen, die Lichtanlage von einem Freund geborgt, eine märchenhafte Unterwasserwelt aus Mülltüten kreiert. Und wieder waren wir ausverkauft. Und wieder war es ein Erfolg.

Seitdem hatten wir sechs Konzerte, vier Filmvorführungen, drei Performances und zwei Feste in der Baustelle. Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team, und jeder kennt seine Aufgaben. (Wer kauft ein? Wer verwaltet die Bar? Wer steht am Einlass? Wer ermahnt vor der Tür zur Ruhe?) Allerdings ist vieles immer noch improvisiert. - Das muss so sein, weil uns einfach die finanziellen Mittel fehlen. Da unser Credo lautet „Kultur muss bezahlbar sein!“, sind unsere Eintritts- und Getränke-Preise so günstig, dass wir wenig Gewinn machen. Unser Equipment (PA, Licht, Beamer, Leinwand...) besteht größtenteils aus „Dauerleihgaben“. Unsere Bühne ist auf Euro-Paletten errichtet, die Tische bestehen aus Holzplatten auf Bierkisten und als Bar fungiert eine Werkbank aus Dachdecker-Zeiten.

Aber dennoch fehlt es uns bis heute nicht an Enthusiasmus unsere Ideen zu verwirklichen. Und wir freuen uns immer wieder, uns selbst zu überraschen. - Im August hat Janina in der Baustelle ihren Wald gebaut. Ein Wald in einem Raum. Für uns. Für euch. Für alle. Kommt vorbei, wenn ihr im Eck seid! Wir freuen uns auf euch!

Fatma Erkus

Copyright: Goethe-Institut Prag
August 2012
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