Andere Länder, andere Geschmäcker

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Radieschen? Lieber nicht! Ivan aus Kamerun im Supermarkt mit seinem Landsmann Tony. Foto: © Lucie Barbapostolosová

In jedem Land gibt es Ausländer, die die Sprache des Gastlandes studieren wollen. Auch nach Tschechien kommen Menschen aus aller Welt, um sich mit der schweren Landessprache auseinanderzusetzen, und manche gewinnen sie sogar lieb. Die Liebe geht aber auch durch den Magen.

Ivan Yumduo Youmbissi Landry (19) und Georges Faustin (26) kamen Ende Januar aus Kamerun nach Tschechien, um hier die Universität zu besuchen. Ivan würde gerne Zahnmedizin studieren, Georges angewandte Wirtschaftswissenschaft. Kulturschocks gab es viele, aber an erster Stelle stand das Essen. Als ihre Tschechischlehrerin ist mir aufgefallen, dass sie in der Schule weder frühstücken noch einen Pausenimbiss zu sich nehmen oder trinken. Man kann sehen, dass sie abgenommen haben. Warum?

Wie habt ihr euch zu Anfang eures Aufenthaltes in Tschechien ernährt?

Ivan: Das war interessant. Oft war das Essen in irgendwas drin, eingepackt, umhüllt, das gibt es in Kamerun nicht so oft. Auch das Obst kannten wir nicht. Viele Sorten, die wir von zu Hause kennen, gibt es hier wiederum nicht.

Georges: Ich habe mir immer Kartoffeln gebraten. Die kenne ich, meine Mutter hat die oft gekocht. Dazu habe ich Hühnerfleisch gegessen.

Ivan: Ja, das stimmt! Ich habe auch Kartoffeln gegessen, meistens Bratkartoffeln, die schmecken mir. Auch Pizza habe ich gegessen, die ist ja international, oft gab es auch Spiegeleier und Brot. Das Brot schmeckt praktisch genauso wie in Kamerun, aber die Laibe sind hier furchtbar klein. Bei uns muss ein Brot die ganze Familie satt machen, da sitzen am Tisch oft sieben Leute, davon zwei Erwachsene. Unser Brot ist länglich und fast einen Meter lang und 15 Zentimeter breit. Brötchen und Hörnchen sind hier anders, salzig, bei uns schmecken sie eher süß. Die Croissants sind völlig identisch, deshalb kaufen wir die oft.

Wieso habt ihr am Anfang nur einmal täglich gegessen? Und warum trinkt ihr in der Schule nichts? Ich muss euch dazu regelmäßig motivieren…

Ivan: Wir haben deshalb nicht gegessen, weil wir nicht wussten, was wir essen können. Tagsüber haben wir auch keinen großen Hunger gehabt, weil wir abends wirklich viel gegessen hatten. Selbst jetzt frühstücken wir eigentlich nur an den Wochenenden, Mittagessen machen wir uns auch schon.

Georges: Was das Trinken angeht – wir in Kamerun trinken nicht so viel, dort ist es nicht so heiß wie hier. 34 Grad gab es hier neulich, zu Hause haben wir so maximal 30 Grad. Normalerweise trinken wir etwa einen Liter Wasser, hier anderthalb bis zwei Liter.

Ivan: Und in der Schule trinken wir nicht, weil bei uns in der Schule nicht getrunken wird, das ist nicht erlaubt. Das ist so eine Art psychologische Blockade – ich weiß, dass ich das auch in der Nähe einer bedeutenden Person nicht tun darf. Wenn ich aber weiß, dass Sie unglücklich sind, wenn wir nicht trinken, dann trinke ich, und es tut mir sogar gut, ich bin dann nicht so müde.

Das freut mich. Was haben eigentlich eure Mütter gesagt, als sie gesehen haben, wie ihr hier esst, beziehungsweise nicht esst und an Gewicht verliert?

Ivan: Meine Mutter hat etwas Wichtiges gesagt – schau einfach, was die anderen Menschen essen. Wenn die das essen und am Leben bleiben, dann muss das gut und gesund sein. Jetzt koche ich schon jeden Tag und habe keine große Angst mehr.

Georges: Meine hat mir auch gesagt, dass ich mehr essen soll. Meine Mutter freut sich, wenn ich ein bisschen dick bin.


Welche Lebensmittel kanntet ihr gar nicht?

Georges: Was ich nicht kaufe, ist dieses kleine rote Obst… Erdbeeren? Die habe ich noch nicht gegessen. Ich kenne das nicht, und ich glaube nicht, dass die gut sind. Dafür werde ich nichts ausgeben, das ist Geldverschwendung. Ich kaufe Weintrauben, die gibt es bei uns auch, sowohl rote als auch weiße. In Kamerun verarbeiten wir Obst nicht, wir essen es immer frisch, es gibt auch keine Obsttorten. Auf keinen Fall würde ich diese hässlichen grünen Dinger kaufen – Brokkoli.

Ivan: Genau! Auch keinen Blumenkohl! Der sieht nicht gut aus, dem traue ich nicht. Die Radieschen, die Sie uns einmal zum Probieren gaben, sind eine Katastrophe. Scharf und sonst nichts. Ich dachte, dass sei so ein rosa Obst. Apropos Obst – Äpfel kaufen wir viel ein. Sie sind viel billiger als in Kamerun, und wir mögen sie.

Georges: Ich bekomme nostalgische Gefühle, wenn ich Bananen sehe mit einem Aufkleber aus Kamerun. Nur deshalb kaufe ich die, denn ansonsten sind sie deutlich teurer als bei uns. In Kamerun kostet eine Banane höchstens zwei Kronen – für die gleiche Banane! Ähnlich sieht es mit Mangos aus.

Ivan: Gestern habe ich eine Kokosnuss gesehen, die kostete 30 Kronen, unvorstellbar! Bei uns kosten die vielleicht zwei Kronen. Oder sie fällt einem vor die Füße, dann ist sie umsonst.

Und das Einkaufen von Lebensmitteln, ist das hier ähnlich wie bei euch?

Ivan: Nur teilweise. Zum Beispiel Obst – in Kamerun wird das eher stückweise verkauft. Ich rechne ständig um – wieviel Stück sind wohl ein Kilo? Was wird ein Stück kosten?

Georges: Fleisch gibt es bei uns frisch, nicht tiefgefroren oder verpackt. Man geht auf den Markt, dort wird das Tier geschlachtet. So wie hier auf dem Dorf. Auf diese Art und Weise kaufen wir Hühner, Fische ein, manchmal werden in der Nähe des Marktes auf dem Schlachthof sogar ganze Kühe geschlachtet. Wenn das Fleisch noch warm ist, weiß man, dass es frisch ist. Man kann sich zum Beispiel ein ganzes Kuhbein kaufen.

Geht ihr in tschechische Lokale? Was bestellt ihr euch dann?

Georges: Gulaschsuppe ist gut. Die habe ich zum ersten Mal an der Uni probiert, da gab es sie im Rahmen einer Aktion umsonst. Ich habe auch an Rindfleischsuppe mit Leberknödeln Gefallen gefunden.

Ivan: Ich habe irgendein Fleisch bestellt, weiß aber gar nicht mehr genau, welches. Ich esse auch Hamburger. Ich habe das Gefühl, dass Fleisch einfach überall gut sein muss. Als wir einmal gemeinsam in einem Restaurant waren, schmeckte mir die Krautsuppe und auch das Hauptgericht sehr gut. Das war Ente mit Kraut und zweierlei Knödel. Der Semmelknödel war hervorragend, der Kartoffelknödel hat mich nicht so begeistert. Den musste man lange kauen, weil der so klebrig war. Als Dessert gab es Erdbeerknödel mit Quark, die waren hervorragend, das hat mich überrascht! Zu Hause gibt es keine warmen süßen Speisen.

Georges: Das Problem in tschechischen Lokalen sind aber die kleinen Portionen. Davon werden wir nicht satt.

Ivan: Wir bräuchten zwei oder drei solcher Teller.

Ich habe aber gesehen, dass euch im Restaurant die süßen Knödel geschmeckt haben. Was würdet ihr denn in Kamerun bestellen?

Ivan: Ganz klar – TARO. Das ist so etwas wie Kartoffeln, bezeichnet aber auch das ganze Gericht. Taro wird gekocht, püriert, mit rosa Palmöl gekocht, dadurch bekommt es eine typische Farbe. Aus dieser Masse machen wir einen Kreis. In die Mitte wird dann Suppe gegossen, oft eine Hühnerbrühe mit Fleisch- und Gemüsestücken. Das wird dann zusammen, mit den Händen gegessen; in Kamerun ist das kein Problem.

Georges: Ich mag gebratene PLANTAINS, das ist auch ein beliebtes Gericht. Es sieht aus wie eine längere, schmale Banane, gebraten schmeckt das so wie Kartoffeln. Gegessen wird das zum Beispiel mit Bohnen. In einem Restaurant würde ich LE HERU bestellen. Dieses Gericht besteht aus viel feinem grünem Gemüse, das in den Kameruner Wäldern wächst. Es wird geschnitten und mit Palmöl unter Zugabe von Fleisch, Krabben oder gekochter Kuh-Haut gekocht. Als Beilage gibt es so eine Art leichte Klöße, man nennt sie WATER FUFFU, sie bestehen aus Maniok.

Das ist interessant! Ich weiß, dass ihr auch versucht habt, diese Gerichte im Studentenwohnheim zu kochen. Wie waren die Reaktionen der Mitbewohner? Waren sie interessiert daran, was ihr kocht?

Georges: In der Regel essen wir Kartoffeln oder Reis mit irgendwas. Aber Ivan hat einem Freund schon eine seiner Kreationen zum Probieren gegeben.

Ivan: Das waren gekochte Kartoffeln, die ich püriert habe (das macht man bei uns oft mit Gemüse), dazu gab es gekochte Bohnen und Sonnenblumenöl. Dem Kommilitonen hat das wohl ziemlich geschmeckt, denn während er die ganze Zeit geredet hat, hat er mir schließlich alles aufgegessen. Aber das machte mir nichts.

Georges: Aber es ist stimmt, dass man uns im Studentenwohnheim noch nichts angeboten hat. Die anderen kochen oft Nudeln, zum Beispiel mit Käse und Ketchup. Zuhause essen wir so gut wie nie warmen Käse, dass mögen Kameruner nicht so gern.

Ivan: Dieser panierte frittiert Käse, den hier alle ganz toll finden, reizt uns überhaupt nicht. Ich will das noch nicht mal probieren, ich denke ganz einfach, das schmeckt nicht.

Georges: Ein typisches Studentenessen in Kamerun ist beispielsweise gebratener Reis mit Tomaten oder anderem Gemüse. Oft kommt Fisch dazu, zum Beispiel Sardinen.

Verratet mir noch, was euch geschmeckt hat, von dem, was ich mitgebracht habe? Wir probierten verschieden Sorten Gemüse und auch Desserts.

Ivan: Hervorragend war die Kokosmakrone mit Creme, super lecker!

Georges: Ja, ganz klar die Desserts… die sind wirklich sehr gut.

Das Gespräch führte Lucie Barbapostolosová
Übersetzung: Ivan Dramlitsch


Lucie Barbapostolosová
ist eine mit dem Veganismus flirtende Vegetarierin, die oft die Frage hört: „Du isst kein Fleisch? Was isst du dann eigentlich?“

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Juli 2014

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