„Erwartet von uns kein Hacken!“

CC BY 2.0 marsmet501Über einen gut gehackten Computer verliert man die Kontrolle. © CC BY 2.0 alperer16

Über einen gut gehackten Computer verliert man die Kontrolle. Foto: alperer16 CC BY 2.0

Die Lehrenden der Masaryk-Universität, eine Romistik-Forscherin, die Partei der Grünen, die Organisation Amnesty International – was haben sie alle gemeinsam? In der ersten Oktoberwoche sind sie alle Ziel eines Hacker-Angriffes geworden. Namen, Fotos und persönliche Daten haben die Hacker auf einer Webseite veröffentlicht, auf der so genannte „Homophile und Xenophile“ an den Pranger gestellt werden, also im Jargon der Rechtsextremisten jene, „die eine gefährliche und vaterlandsverräterische Tätigkeit ausüben“.

Hacken. Zweifellos - dieses Wort kann auch mit positiven Vorstellungen verbunden sein. Aber es sind nicht nur die Kämpfer für die Freiheit im Internet – und damit eine offenere Welt – sondern auch Rechtsextremisten, die sich dieses „Handwerks“ annehmen. Und das ist ein Problem. In Brno (Brünn) – und nicht nur dort – haben wir uns davon überzeugen können, dass das Hacken auch kein bisschen „in“ sein muss, dass einem davon eher ein Schauer über den Rücken läuft.

In der Zeit vom 30. September bis zum 6. Oktober fand in Tschechien ein „etwas anderes Festival“ statt unter dem Titel „Woche gegen Antirassismus und Xenophilie“. Ziel war es – nach Angaben, die der Veranstalter auf seine Internetseiten gestellt hat – „Xenophile, Antirassisten und Neomarxisten ordentlich zu treten...“.

Die Neonazi-Gruppe, die hinter der Webseite White media steht, hat Passwörter geknackt und sich in die persönlichen E-Mail-Konten und Facebook-Profile mehrerer im Bereich Menschenrechte engagierter und demokratisch gesinnter Organisationen, ihrer Mitglieder und anderer Personen gehackt. Damit sind sie an persönliche Informationen, Konversationen und Konten auch von nichtöffentlichen Gruppen gelangt. Sie hatten also kompletten Zugang zu allen Gruppen und Anwendungen, so als wären sie der Eigentümer. In den gehackten Profilen veröffentlichten die Neonazis anschließend Beiträge mit menschenfeindlichem und rassistischem Unterton. Ihren „Hacker-Erfolg“ haben sie dann auf der Webseite White media veröffentlicht.

Eine der ersten, die gehackt wurden, war die Bürgerrechtlerin und Romistik-Forscherin Saša Uhlová. Anschließend konzentrierten sich die Hacker auf mehrere Personen und Organisationen aus Brno. Es wurden zum Beispiel das E-mail-Konto und das Facebook-Profil von Martina Vodičková, einer Lehrenden an der Masaryk-Universität, gehackt oder auch die Profile der Organisationen Nic než názor, Blokujeme! (Nichts als die Meinung, Wir blockieren!) und Amnesty International Brno. „Plötzlich musste ich feststellen, dass ich mich nicht mehr in mein persönliches Profil bei Facebook einloggen konnte. Anschließend bekam ich von meinen Bekannten auf mein Profil und das Profil der Brno-Gruppe unglaubliche Informationen mit Hass verbreitendem Inhalt geschickt. Das Profil habe ich umgehend blockieren lassen“, beschreibt diese unangenehme Erfahrung Martina Čichoňová, die Koordinatoren der Brünner Gruppe von Amnesty International.

Webseite der Brünner AI-Gruppe. Foto: © Amensty International Brno

Webseite der Brünner AI-Gruppe. Foto: © Amensty International Brno

Verschont blieb auch die Partei der Grünen nicht. Über Nacht wurde das Profil von Miroslav Hudec, dem Leiter der Kandidatenliste im Kreis Liberec, gehackt. „Auf den Angriff machten die Parteimitglieder und ihre Anhänger aufmerksam, die den rassistischen Inhalt, der in ihrem Namen dort veröffentlicht wurde, entdeckten. Noch in der Nacht haben wir mit den Facebook-Administratoren in Dublin versucht, das Problem zu beseitigen. Zugleich hat aber auch schon die automatische Facebook-Kontrolle das Profil wegen rassistischen Inhalts blockiert“, beschreibt Jenda Perla, der Leiter der sozialen Netzwerke der Partei der Grünen, den Angriff.

Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um einen ernsten Vorfall. Die Organisationen haben mit Blick auf die folgenschweren Ereignisse einen Antrag zur Untersuchung des Hackerangriffs gestellt. „Die zuständigen Organe untersuchen, ob es zu einer Straftat im Sinne eines unerlaubten Zugangs zu einem Computersystem und zu Datenträgern gekommen ist. Es könnte ebenso eine Straftat gegen das Recht auf Schutz der Persönlichkeit, der Privatsphäre und des Briefgeheimnisses gekommen sein“, erklärt die Juristin Romana Vaňková. Darüber hinaus kann der Umgang mit den ursprünglichen Inhalten, die Veröffentlichung persönlicher Daten und das anschließende Kommentieren mit hasserfüllten Äußerungen als Drohung und Einschüchterung interpretiert werden, womit nach Meinung der Juristin ebenso ein Straftatbestand erfüllt sei.

Nicht einschüchtern lassen

Es war in Tschechien der erste Hackerangriff dieser Art durch Neonazis. Er hat die Wachsamkeit geschärft und eine Diskussion in Gang gesetzt, die sich auch um die Sicherheit im Internet dreht. Es bleibt die Frage, ob der Informationsraub durch bessere Sicherheitsmaßnahmen für die Profile und E-mail-Konten hätte verhindert werden können und ob nicht auch die Unvorsichtigkeit der Nutzer in diesem Falle eine Rolle gespielt hat.

„Beim Surfen im Internet sollte man achtsam sein, wenn man auf eine eigenartige Seite mit einer anderen Adresse umgeleitet und wiederholt aufgefordert wird, seinen Nutzernamen und sein Passwort einzugeben. Wenn man ein öffentliches Wi-Fi-Netz verwendet, sollte man keine sensiblen Daten über ein ungesichertes http-Protokoll senden. Eine sichere Abmeldung sorgt für ‚aufgeräumte‘ Verhältnisse – das bedeutet, die Informationen, die zur Aufrechterhaltung der Anmeldung auf dem Browser und dem Server gespeichert sind, werden ungültig“, erläutert der IT-Experte Pavel Vančuřík. Wenn man das gleiche Passwort für mehrere Zwecke und Webseiten verwendet und sich nach der Nutzung nicht konsequent abmeldet, dann wird der Nutzer gerade durch dieses permanente Eingeloggt-Sein für Hacker zu einer leichten Beute.

Hacker gibt es auch unter Neonazis. Foto:  CC BY 2.0 elhombredenegro

Hacker gibt es auch unter Neonazis. Foto: elhombredenegro CC BY 2.0

Die Hacker-Opfer sind sich durch die Bank weg einig, dass sie sich mit allen Mitteln wehren werden – sie machen unter anderem ihre Passwörter sicherer, kontrollieren die Anmeldungen und die veröffentlichten Informationen auf ihren Profilen. Ganz entschieden lehnen sie es jedoch ab, sich auf eine Stufe mit den Rechtsextremisten zu stellen, indem sie die gleichen Methoden verwenden. „Erwartet von uns kein Hacken!“ heißt die selbstbewusste Devise der überfallenen Organisationen, und selbstsicher fügt Jan Žáček, der Pressesprecher der Partei der Grünen, hinzu: „Wir haben keine Angst, uns dem Getrampel der Nazi-Springerstiefel in unseren Städten oder unseren sozialen Netzwerken entgegenzustellen, und ganz sicher lassen wir uns nicht einschüchtern durch die absurden Angriffe von Seiten der Neonazis. Tschechien muss dringend ein neues Kapitel aufschlagen im Verhältnis der Mehrheitsgesellschaft zu den nationalen Minderheiten. Wir müssen aufhören, die Augen zu verschließen vor den Problemen in den abgeschriebenen Vierteln oder den sich verbreitenden Wohnheimen für sozial Schwache.“

Lucie Paseková
Übersetzung: Christian Rühmkorf

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
November 2013

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