Die NPD muss weg

Foto: Mehr Demokratie e.V., CC BY-SA 2.0

Warum ein Verbotsverfahren der einzig richtige Weg ist

Foto (Ausschnitt): Fabian Bromann, CC BY 2.0
Wollen wir in einem Staat leben, in der eine Partei existieren darf, die offen ausländerfeindlich, antisemitisch und demokratieverachtend ist – und die zur Propagierung dieses Weltbildes staatliche Zuschüsse erhält? Foto (Ausschnitt): Fabian Bromann, CC BY 2.0

Im März 2003 stellte das Bundesverfassungsgericht Verfahren ein, mit denen die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) verboten werden sollte. Die Antragsteller hatten argumentiert, dass es sich bei der NPD um eine verfassungsfeindliche Partei handele. Dieser Vorwurf wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch nie überprüft. Das Gericht konnte die zusammengetragenen Beweise nicht verwenden, nachdem sich herausstellte, dass vom Verfassungsschutz beauftragte V-Leute auch auf der oberen Führungsebene der NPD aktiv waren.

Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD endete im Desaster: Die rassistische Partei ging gestärkt aus dem Verfahren hervor, weil ihr seither das Stigma der zu Unrecht beschuldigten Randpartei anhaftet, der sogar das oberste deutsche Gericht die Legalität bescheinigt habe. Und die Antragsteller waren blamiert, weil sie selbst bei der Zusammentragung des Beweismaterials rechtsstaatliche Prinzipien ignoriert hatten und dafür schließlich vom Bundesverfassungsgericht abgestraft wurden.

Der Skandal um das gescheiterte Verbotsverfahren verhinderte für lange Zeit eine erneute Auseinandersetzung mit der – zweifelsohne verfassungsfeindlichen – NPD. Erst seit Aufdecken der Mordserie an Migranten durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ist in Deutschland das Bewusstsein für die Gefahr von Rechts wieder gestiegen. Dennoch sträuben sich noch immer viele gegen einen erneuten Anlauf für ein Verbot der NPD.

Zwei Argumente der Gegner eines NPD-Verbots klingen auf den ersten Blick nachvollziehbar.

Erstens, so die Gegner, dürfe sich das Debakel von 2003 nicht wiederholen. Sollte das Bundesverfassungsgericht einen zweiten Verbotsantrag ablehnen, würde die NPD endgültig gestärkt.

Zweitens löse ein NPD-Verbot nicht das eigentliche Problem – die Existenz rechtsextremen Gedankenguts in Deutschland. Die Verbotsgegner befürchten, dass sich im Falle eines Parteiverbots die Ex-Parteimitglieder in neuen Gruppen zusammenschließen. Solange es die Partei gäbe, so das Argument, falle es dem Staat leichter, die Machenschaften der Rechten zu kontrollieren.

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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellte im März 2003 das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ein. Foto: Mehr Demokratie e.V., CC BY-SA 2.0

Mit dem ersten Argument haben die Gegner des Verbotsverfahrens Recht. Das Debakel darf sich auf keinen Fall wiederholen. Das muss es aber auch nicht: Die Antragsteller haben es selbst in der Hand, auf „saubere“ Weise an Beweise zu kommen, die die Verfassungsfeindlichkeit der NPD bestätigen. Noch wichtiger aber ist: Die Fehler des ersten Verbotsverfahrens müssen in einem zweiten korrigiert werden. Die wahre Gefahr besteht nicht darin, dass die NPD einen zweiten Verbotsantrag übersteht, sondern darin, dass sie als verfassungskonform gilt, solange nicht von höchster Stelle das Gegenteil ausgesprochen wird.

Das zweite Argument trifft im Kern zu: Ein erfolgreiches NPD-Verbot würde natürlich nicht bedeuten, dass es danach keine Neonazis mehr in Deutschland gäbe. Dass die präventive und aufklärerische Arbeit gegen Rechts gerade danach intensiviert werden muss, versteht sich von selbst. Aus der richtigen Erkenntnis, dass das Rechtsextremismus-Problem nicht durch ein Parteiverbot gelöst wird, ziehen die Gegner des Verbots den falschen Schluss. Ein NPD-Verbot ist nur eine von vielen Maßnahmen, gegen Rechts vorzugehen. Aber sie bleibt genauso notwendig wie alle anderen. Dass die Verbotsgegner diese Chance verstreichen lassen wollen, ist fatal. Denn es zeigt, dass sie bis zu einem gewissen Maße resigniert haben gegenüber dem Rechtsextremismus. Sie haben akzeptiert, dass es ihn gibt – und wollen sich nun damit begnügen, ihn im Blick zu behalten.

In einer Demokratie mit einer gesunden politischen Kultur darf das jedoch nicht sein. Wie jede formal anerkannte Partei erhält die NPD Unterstützung durch Steuergelder, mit denen sie ihre menschenverachtenden Wahlplakate finanziert. Sie darf Parteiversammlungen und Demonstrationen abhalten, auf denen sie gegen Migranten, Flüchtlinge, Juden und Muslime hetzt, den Nationalsozialismus verharmlost und der Demokratie den Krieg erklärt. Jedes Mal, wenn die NPD eine Demonstration veranstaltet, ist ein riesiges und für den Staat entsprechend teures Polizeiaufgebot nötig, um eine Eskalation zu verhindern.

Will man in einem Staat leben, in der eine Partei existieren darf, die offen ausländerfeindlich, antisemitisch und demokratieverachtend ist – und die zur Propagierung dieses Weltbildes staatliche Zuschüsse erhält? Diese Frage sollte man sich in der NPD-Verbotsdebatte stellen.


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November 2013

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