Wehret den Anfängen!
Seit vier Jahren kämpfen sie gegen Rassismus in Tschechien, organisieren Protestmärsche und Diskussionen, zeigen Filme und besuchen Schulen. Die Initiative „Ne Rasismu“ („Nein zu Rassismus“) möchte die Tschechen mobilisiere, die mit der Anti-Roma-Hetze und den rechtsextremen Tendenzen nicht einverstanden sind. Diese sollen ihr Schweigen beenden und sich Gehör verschaffen. „Wir wollen, dass im öffentlichen Raum eine klare Gegenstimme zu hören ist und es den Rassisten schwer gemacht wird, die Menschen mit ihrer Hass-Ideologie anzustecken“, sagt Tadeáš Polák, ein Mitglied der Initiative.
„Ne Rasismu“ wurde im Herbst 2009 von Studenten der Prager Karlsuniversität gegründet. Die Initiative entstand vor allem als Reaktion auf eine Neonazi-Demonstration im nordböhmischen Litvínov. „Die Rechtsextremen wurden damals auch von einer großen Menge sogenannter Normalbürger unterstützt, und wir hatten einfach das Bedürfnis, unseren Widerspruch deutlich zu machen“, erklärt Tadeáš. Er ist überzeugt, dass die Mehrheit immer gegen Nazis sein wird, es genüge jedoch, dass sie öffentlich stillhält und schon könne die Situation gefährlich werden. „So ist das derzeit zum Beispiel in Polen, wo sich Zehntausende an nationalistischen Märschen beteiligen. Dabei werden besetzte Häuser oder gemischte Paare angegriffen und überhaupt jeder, der einen irgendwie ‚alternativen‘ Anschein erweckt.“
Wer ist schuld: Krise oder Medien?
Die Ursache für die wachsende Anzahl von Anti-Roma-Kundgebungen sieht Tadeášs im Frust der Menschen über ihre sich stetig verschlechternde wirtschaftliche und soziale Situation. „Im relativ wohlhabenden Prag haben an den Nazi-Demos nie viele Leute teilgenommen, in Ostrava gab es hingegen mit die massivsten Kundgebungen, die zweimal hintereinander mit einem versuchten Pogrom geendet haben“, so Tadeáš. Seiner Ansicht nach sind die Roma gerade in Krisenzeiten ideales Feindbild und Sündenbock. „Darüber hinaus funktioniert dieser Mythos über die angebliche spezielle Sozialhilfe für Roma – den brauchen wohl alle, denen es nicht so gut geht, um ein Opfer- und Unrechtsgefühl zu entwickeln.“
Pavel Baloun, ebenfalls Mitstreiter bei „Ne Rasismu“, denkt über die Rolle der Medien in der gegenwärtigen Situation nach. Er glaubt, dass die Verbrechensmeldungen ein großes Problem darstellen – dort würden mutmaßliche Täter sofort auf der Grundlage ihrer ethnischen Herkunft identifiziert. „Die Meldungen über Kriminalität sind voller Roma, Türken, Araber, Ukrainer und auch Obdachloser, fast hat es den Anschein, dass Tschechen gar keine Straftaten begehen“, ärgert sich Pavel. Ob die Medien in Zukunft eine tatsächlich objektive und unparteiische Informationsquelle darstellen werden, hängt seiner Meinung nach von den konkreten Mitarbeitern in den Medien ab. „Vorerst sieht es jedoch so aus, dass sie dieses Problem gar nicht interessiert.“
Nicht nur Nazis blockieren
Jedes Jahr am 17. November erinnern sich die Tschechen an zwei wichtige Ereignisse in ihrer Geschichte – die Studentenproteste 1939 in Prag gegen die nationalsozialistische deutsche Besatzungsmacht und die Demonstration im Jahre 1939, die zum Sturz des kommunistischen Regimes führte. Bereits traditionell nutzen dieses Datum aber auch Neonazi-Gruppen, die im ganzen Land Märsche organisieren und ihre Parolen brüllen. Die Initiative „Ne Rasismu“ hat sich dieses Jahr entschlossen, in Prag den Marsch der rechtsradikalen DSSS zu blockieren und organisierte hierzu eine Kundgebung mit dem Motto „Gemeinsam gegen Faschismus“. „Wir wollten damit nicht nur gegen die Nazis Flagge zeigen, sondern uns auch deutlich vom immer stärkeren Antiziganismus distanzieren. Außerdem wollten wir auf den gefährlichen Rechtstrend in der Gesellschaft aufmerksam machen, bei dem die Menschen in ‚anständige‘ und ‚nicht anpassungsfähige‘ kategorisiert werden“, erklärt Tadeáš Polák. An ihrer Kundgebung nahmen schließlich rund 500 Menschen teil, während sich zum Neonazi-Marsch vielleicht 50 Anhänger zusammenfanden. „Wir denken, dass das ein gutes Zeichen dafür ist, dass die Menschen gegenüber Romafeindlichkeit und jeder anderen Art von Rassismus noch nicht abgestumpft sind“, meint Tadeáš.