Frei und wild und umstritten

Foto: Leo Glatzel, CC BY-ND 2.0Foto: Maik Meid, CC BY-SA 2.0
Klischee? Ein Fan im T-Shirt der Band Frei.Wild, Foto: Maik Meid, CC BY-SA 2.0

Frei.Wild zählt zu den derzeit angesagtesten und erfolgreichsten Bands der deutschsprachigen Rockszene. Gleichzeitig sind die vier Musiker aus Brixen in Südtirol und ihre Liedtexte ziemlich umstritten. Ihnen wird vorgeworfen, mit politisch rechten Motiven als Bindeglied zur rechtsextremen Szene zu fungieren und mit ihren Liedtexten nationalsozialistisches Gedankengut zu verherrlichen.

Es ist ein immer wiederkehrendes Spiel: Wird ein Konzert der Südtiroler Rock-Band Frei.Wild angekündigt, gibt es Proteste und Demonstrationen. Die Konzerte werden danach regelmäßig wieder abgesagt. Aus Sicherheitsbedenken oder aufgrund der Texte der Band, die Vorurteile gegenüber Andersdenkenden schürten, wie es im Nachhinein oft heißt. So wurden die Musiker 2013 etwa auch von der Echo-Nominierungsliste gestrichen, um den deutschen Musikpreis nicht zu einer Debatte über die politische Gesinnung der Band verkommen zu lassen.

Philipp Burger, Foto: Leo Glatzel, CC BY-ND 2.0

Aber von Anfang an: Seit dem Jahr 2001 gibt es die vier Südtiroler Jochen Gargitter, Christian Fohrer, Jonas Notdurfter und Philipp Burger als Band Frei.Wild. Es sei wichtig gewesen, einen deutschen Namen zu finden, erklärt Sänger Burger. Frei.Wild singt hauptsächlich auf Deutsch und vertritt das Genre des Deutschrocks. „Es sind zwei Wörter, die typisch für jugendliche Einstellungen sind“, so Burger in einem Interview auf der Plattform punkrocknews.de über die beiden Adjektiven, aus denen sich der Bandname zusammensetzt.

Spiel mit nationalistischen Codes

Gleichzeitig bezeichnet das Substantiv „Freiwild“ jedoch auch Wild, das zum Abschuss freigegeben ist, und steht metaphorisch für Menschen, die willkürlicher Verfolgung ausgesetzt und schutzlos sind. Auch das lässt sich durchaus programmatisch verstehen, inszenieren Frei.Wild ihr Schaffen doch auch als Kampf einer nationalen Minderheit. „Wir haben in Südtirol durch unsere deutsche Muttersprache in einem italienischen Staat eine durchaus konservative Wertehaltung, nach der wir erzogen wurden und die es für uns auch ermöglichte, trotz radikaler italienischer Umerziehungsversuche in der Faschistenzeit, an unserer Südtiroler Vorzeigeautonomie, wie sie auf dieser Welt in dieser Form einzigartig ist, festzuhalten“, sagt Phillip Burger.

In einigen Texten der Band klingt das weniger diplomatisch: „Sprache, Brauchtum, und Glaube sind Werte der Heimat. Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk“ (Aus dem Lied Wahre Werte, Album: Gegengift, 2011) oder „Südtirol, deinen Brüdern entrissen, schreit es hinaus, lasst es alle wissen. Südtirol, du bist noch nicht verloren. In der Hölle sollen deine Feinde schmoren“ (Aus dem Lied Südtirol, Album: Hart am Wind, 2009). Wegen Textpassagen wie diesen sehen sich Frei.Wild immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, bewusst mit nationalistischen Codes zu spielen und völkische Werte zu vertreten.

Die Band jedoch distanziert sich immer wieder von Extremismus jeglicher Art. Tatsächlich hat Frei.Wild in der Neonazi-Szene aber viele Fans. Burger, der bis 2008 Mitglied der rechtspopulistischen Südtiroler Partei „Die Freiheitlichen“ war, fühlt sich missverstanden: „Werte wie Zusammenhalt, Glaube, Familie, ein behütetes Zuhause, ein friedliches Zusammenleben aller Sprach- und Kulturgruppen sind ein ungemein wichtiges Gut und ein schönes Gefühl zugleich, das wir in bislang fünf Songs besingen von über 250, die wir in unserer Karriere geschrieben haben.“

Foto: Leo Glatzel, CC BY-ND 2.0
Frei.Wild auf dem Ehrlich & Laut Festival 2013 im hessischen Alsfeld, Foto: Leo Glatzel, CC BY-ND 2.0

Naivität oder Berechnung?

Burger gibt vor, nicht zu verstehen, warum Frei.Wild immer wieder in das rechte Eck gerückt wird. Er vermutet aber Zusammenhänge mit seiner eigenen Vergangenheit. „Ich hielt es von Anfang an für wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben und meine dreijährige Zeit als Skinhead in meiner Jugend zwischen 15 und 17 nicht unter den Tisch zu kehren.“ Das sei kein Geschäftsmodell, um für Aufmerksamkeit zu sorgen, betont Philipp Burger, dessen frühere Band „Kaiserjäger“ in der Rechtsrockszene aktiv war. „Es war mir seit meinem Ausstieg immer ein Anliegen, genau durch diesen größten Irrweg meines Lebens als positives Beispiel voranzugehen und meine Erfahrung in dem Bereich präventiv dafür zu nutzen, Menschen klarzumachen, dass keine Seite politischer Extreme die Richtige ist und man sich für ein friedliches Miteinander anstatt ein radikales ‚Auseinander‘ stark machen sollte.“

Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Burger bei Konzerten „Nazis raus“ ruft und nicht müde wird, die Texte der Band als nicht rechtsextrem zu bezeichnen. Ist das Naivität oder Berechnung? Nicht alle glauben an die Läuterung Burgers, werfen den Chartstürmern Frei.Wild vor, sich immer nur soweit von der rechten Szene zu distanzieren wie nötig. So fand etwa der Politikwissenschaftler Christoph Schulz 2012 in einem Interview mit der Berliner Zeitung klare Worte: „Dass Burger sagt, seine Musik sei nicht rechts, ist ,als würde jemand im Schwimmbad seine Bahnen ziehen und dabei laut rufen: Ich kann nicht schwimmen.“


Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Dezember 2013


Foto: Leo Glatzel, CC BY-ND 2.0

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