„Die Macht“ oder das Christkind?

Quelle: www.scitani.cz

Tschechischer Bekenntnisspaß

Foto: istolethetv, CC BY 2.0
Jedi, Foto: istolethetv, CC BY 2.0

Es ist gar nicht so leicht, ein kleines Land wie Tschechien in die deutschen Fernsehnachrichten oder in die Spalte einer überregionalen Tageszeitung zu bekommen… es sei denn es geht um Bier. Oder um den tschechischen Präsidenten. „Václav Klaus will Europäische Union zerschlagen“ – so etwas (beein-)druckt zu bestimmten Zeiten auch Die Welt. Und das erste deutsche Fernsehen ARD titelt „Gencode gegen Hundekot“, es ging um den High-Tech-Kampf eines Prager Bürgermeisters gegen Hundehaufen. Im Dezember 2011 war Spiegel online allerdings auch folgende Information eine Schlagzeile wert: „Tausende Tschechen outen sich als Jedi-Jünger“.

Was war geschehen? Im Frühjahr 2011 hatte das Tschechische Statistikamt eine Volkszählung durchgeführt. Die Überraschung kam im Dezember ans Tageslicht: In der Spalte für religiöse Zugehörigkeit hatten 15.070 Tschechen beim eigens eingerichteten Erfassungscode für Jediismus ihr Kreuz gemacht, eine Lebens- oder Glaubensrichtung, die auf der Philosophie der Jedi-Ritter beruht. Jedi-Ritter? Science-Fiction, Krieg der Sterne, Regisseur George Lucas, der asthmatische Darth Vader, Luke Skywalker und Laser-Schwert-Gemetzel. Eine Hollywood-Legende, die Ende der 1970er ihren Lauf nimmt. Die andere Überraschung der Volkszählung: Nur 13.150 Menschen bekannten sich als Roma. Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Roma im Lande aus.

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Religion: „Jedi“, Auszug aus dem Volkszählungsformular, Quelle: www.scitani.cz

Woher also die Lust am Bekenntnis auf der einen und die Unlust auf der anderen Seite? Die Unlust ist klar: Sich als Roma zu bekennen, macht in Tschechien wohl nur Spaß, wenn man Sänger der Popgruppe Gipsy.cz ist und beim Eurovision Song Contest im flotten Einteiler über die Bühne hüpft. Und das Bekenntnis zum Jediismus, einem Gemisch aus Christentum, Buddhismus, Taoismus? „Ich bin ein Instrument des Friedens; dort wo es Hass gibt, werde ich die Liebe bringen“ - so lautet ein Teil des Glaubensbekenntnisses der Jedi-Ritter. Sie glauben an „die Macht“, ein Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugt, sie umgibt und durchdringt. Tschechen sind statistisch gesehen so atheistisch, wie kein anderes Volk in Europa. Haben sie vielleicht im Jediismus endlich ihre Religion gefunden?

Nein, das sei nicht vergleichbar. Religionen seien über Jahrhunderte gewachsen und tradiert, heißt es in Internet-Diskussionen. Wo sei bei einem Kinofilm das Göttliche, das Übermenschliche, das Transzendente? – Nein, eine Kinopremiere könne keine Geburtsstunde einer neuen Religion sein.

Aber halt: Was, wenn auch der Schöpfer des Films, Regisseur George Lucas, nur ein willenloses Instrument der Macht war? Einer Macht, die die gerngläubigen Menschen dort abholt, wo sie stehen. Oder sitzen. Im Kino zum Beispiel. Eine Macht, die sich über die Kinoleinwand an uns wendet, ist doch besser als eine Macht, die uns Sonntagfrüh in dunkle, feucht-kalte Kirchen nötigt. Durchaus vorstellbar, dass im atheistischen Tschechien nicht wenige Menschen so denken. Da ließen sich Spaß und Religion ganz einfach verbinden.

Als die Meldung über rund 15.000 Jedi-Tschechen Ende letzten Jahres über die Ticker ging, bat mich ein deutscher Radiosender um einen Beitrag. Auf der Suche nach einem Interview-Partner schrieb ich die Macher zweier tschechischer Jediismus-Webseiten an. „Viel über das Bekenntnis selbst kann ich Ihnen nicht sagen, ich persönlich betrachte unseren Facebook-Aufruf für die Volkszählung eher als Spaß-Aktion “, hieß es von dem einen. Der andere – offensichtlich ernsthafte Jedi – hat meine Anfrage freundlicherweise „ins Forum“ gesetzt. Wie es aber aussieht, zieht „die Macht“ gegenüber dem Christkind immer noch den Kürzeren. Denn „über die Feiertage“ – so der Jedi – gebe er meiner Anfrage im Web „keine große Chance“. Und Recht hatte er. Bei Weihnachten, da hört auch für Jedis der Spaß auf.

Christian Rühmkorf

Copyright: Goethe-Institut Prag
Juni 2012

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