„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen!“

Foto: © Sebastian BartoschekFoto (Ausschnitt): U.S. Geological Survey, CC0
Die Mondlandung: nur eine Lüge?, Foto (Ausschnitt): U.S. Geological Survey, CC0, public domain

Die Mondlandung hat nie stattgefunden, Elvis wurde von Außerirdischen entführt und die Illuminaten haben längst die Weltherrschaft an sich gerissen: Verschwörungstheorien gibt es jede Menge. Einige klingen absurd, andere erstaunlich schlüssig. Und eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man glaubt daran - oder nicht! Doch ist es wirklich so einfach?

Für Jesper Lerch (23), Informatikstudent aus Hamburgnicht. Schon als Kind gab er sich nie damit zufrieden, wenn jemand sagte: „Das ist so!“ Das provozierte bei Jesper prompt ein „Sagt wer?!“ Nicht jeder Erwachsene war von seinem Misstrauen begeistert: „Wenn man es zugelassen hätte“, erzählt Jesper, „dann hätte ich mit meiner Fragerei so manche Schulstunde gesprengt!“

Die Anschläge vom 11. September 2001, die Jesper als Jugendlicher miterlebte, sowie nähere Infos über den Untergang des Passagierschiffes MS Estonia (sank am 28. September 1994 unter mysteriösen Umständen in der Ostsee) taten ein Übriges, um aus bloßem Interesse echte Faszination zu machen. Fragt man ihn nach diesen Ereignissen, sprudelt ein ganzer Schwall von Daten und Fakten aus ihm heraus. „Es gibt viele Dokumentationen oder Foren, die Widersprüche bei der Berichterstattung aufzeigen“, so der 23jährige. „Bei manchem, was uns in den Medien präsentiert wird, sollte einem eigentlich schon der gesunde Menschenverstand sagen: Das kann so nicht stimmen!“

Beispiele hat er auch sofort parat: „Nehmen wir mal den Einsturz des World Trade Centers: Die Türme brennen in den Dachgeschossen – und unten stürzt alles ein, angeblich, weil irgendwelche Stützpfeiler in der Hitze geschmolzen sind! Das Empire State Building ist viel älter und viel weniger modern. Das hat auch mal 20 Stunden am Stück gebrannt – und das Ding steht heute noch! Oder das Wrack der Estonia: Das wird heute noch bewacht! Angeblich, damit niemand die Totenruhe stört! Wer sollte denn mitten in der Ostsee die Totenruhe stören wollen? Und warum bewacht man nicht auch die Titanic? Da sind viel mehr Menschen gestorben!“

Offizielle Berichterstattung vs. Wahrheit

Solche Widersprüche ließen Jesper immer mehr an der offiziellen Berichterstattung zweifeln. „Ich denke, dass bekannte Fakten manchmal bewusst zurückgehalten werden. Entweder, um ein Ereignis mit einem gewissen Mythos zu umgeben. Oder weil die Wahrheit so skandalös ist, dass bestimmte Interessengruppen nicht wollen, dass sie ans Licht kommt, zum Beispiel Unternehmen oder Regierungen.“ Genau das ist aus Jespers Sicht auch der Grund, warum viele Menschen sich so ungern mit Verschwörungstheorien beschäftigen oder diese als Unsinn abtun. „Wenn man das Gefühl bekommt, ganze Regierungen könnten in eine Sache verwickelt sein, dann fühlt man sich unter dieser Regierung plötzlich nicht mehr sicher aufgehoben.“

Foto: privat
Jesper Lerch am Rechner bei der Suche nach Wahrheit, Foto: privat

Und gerade offizielle Stellen und manche Medien bemühen sich deshalb Verschwörungstheorien zu entkräften und gewissermaßen Gegenbeweise für die Gegenbeweise zu liefern. Für Jesper kommt es dabei sehr auf die Quelle an: „Man muss sich genau anschauen, wer was behauptet. Namhafte Forscher oder unabhängige Einrichtungen können durchaus glaubwürdig sein. Manche Fernsehsender oder Zeitungen aber folgen wiederum einer bestimmten politischen Richtung und agieren entsprechend meinungsbildend“, glaubt er.

Und was ist mit Geheimbünden? Zum Beispiel mit der Theorie, dass die Illuminaten bereits Regierung, Wirtschaft und überhaupt alles infiltriert haben, wie es der gleichnamige Hollywoodfilm mit Tom Hanks den Zuschauern weismachen will? Auch damit hat Jesper sich beschäftigt, glaubt aber, dass diese Organisationen eher überschätzt werden. Als Ausnahme betrachtet er die Organisation Skulls and Bones, der unter anderem auch George Bush und sein Sohn George W. angehören sollen. „Diese“, vermutet Jesper, „besetzen aber – wie man an den Bushs ganz gut sieht – eher bestimmte, ihnen nützliche Stellen in der US-Regierung.“ An die heimliche Weltherrschaft der Geheimbünde glaubt der Informatikstudent jedenfalls nicht.

Foto (Ausschnitt): Kitty Pinkstars, CC BY 2.0

Elvis lebt? Foto (Ausschnitt): Kitty Pinkstars, CC BY 2.0

Zu seinen Lieblingsthemen 9/11 oder MS Estonia hat Jesper dagegen bereits Vorträge gehalten. Seine Absicht liegt aber keineswegs darin, andere von seiner Sicht auf die Dinge zu überzeugen. „Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass die offizielle Berichterstattung sich nicht zwingend mit der Wahrheit decken muss. Wenn mir das gelingt, dann habe ich mein Ziel schon erreicht. Ich behaupte nicht, dass ausgerechnet meine Version die richtige sein muss. Das wäre ja auch irgendwie widersinnig!“

Für seine Ideen ist Jesper übrigens schon mehr als einmal schief angeschaut worden. „Die meisten in meiner Familie halten mich für einen Spinner!“, erzählt er und lacht. Das nimmt er aber niemandem übel: „Es gibt eben immer mehrere Sichtweisen auf die Dinge. Es gibt die offizielle Berichterstattung und es gibt eine oder sogar mehrere Verschwörungstheorien.“

Und was ist mit der Wahrheit?„Die Wahrheit“, vermutet Jesper, „liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen!“

Janika Rehak
Copyright: Goethe-Institut Prag
Juni 2012

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