Wie grün ist die Wolke?
Auch das Internet produziert CO2
Ein 2011 veröffentlichter Greenpeace-Bericht trägt den Titel „How Dirty is Your Data?“, übersetzt so viel wie „Wie schmutzig sind eure Daten?“. Hinterlässt unsere Nutzung des Internets wirklich so einen tiefen ökologischen Fußabdruck? Wovon hängt die digitale CO2-Bilanz ab? Darüber spricht Anja Krieger mit Wissenschaftlern, die sich mit der digitalen CO2-Bilanz befassen.
Das Fazit: Den CO2-Abdruck zu beziffern ist längst nicht so einfach, wie es etwa das Video „How Green is Your Internet“ suggeriert, erklärt Alexander Wissner-Gross, Physiker vom Massachusetts Institute of Technology MIT, unserer Autorin. Klar ist aber: Die globale Datenwolke verbraucht mehr und mehr Energie. Immer größere Mengen an Daten speichern und von überall auf sie zugreifen, das ist der Trend im Bereich Informationstechnologie. „Cloud Computing“ und „Cloud Hosting“, wie das im Fachjargon heißt, macht es möglich, dass wir mit Smartphones mobil ins Internet gehen und uns von überall ein Video ansehen können. Doch Kerry Hinton vom Center for Energy-Efficient Telecommunications CEET im australischen Melbourne glaubt, dass dieser Trend in die falsche Richtung geht: Wenn wir so wie bisher weitermachen, gehe uns auf Dauer der Strom aus.
„Wie grün ist Ihr Internet? Jede Sekunde eines Online-Videos, das wir uns anschauen, gibt 0,2 Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre. Das klingt nach nicht viel. Nur klicken Youtube-Nutzer täglich zwei Milliarden Videos an. Wenn jedes Video nur zehn Sekunden lang angesehen wird, ergibt das viertausend Tonnen CO2.“
Das Video „How Green is Your Internet“ kursierte in den letzten Monaten durchs Netz. Die Animation, produziert für die australische ABC-Sendung „HungryBeast“, beeindruckt mit Statistik. Aber: Wie entsteht eigentlich eine CO2-Bilanz wie die der digitalen Videosekunde? Alexander Wissner-Gross, Physiker vom MIT: „Es ist sehr schwer, eine allgemein gültige Zahl zu ermitteln, die alle Endgeräte, Arten der Energieerzeugung und Orte auf der Erde umfasst. Was man machen kann, ist den individuellen Fußabdruck einer Webseite zu messen. Die eine Zahl, die die Leute gern hören wollen, gibt es nicht. Es hängt immer vom jeweiligen Fall ab.“
Der CO2-Fußabdruck ändert sich also je nachdem, ob das Video auf einem Computer oder einem Smartphone, über Kabel oder eine mobile Verbindung geschaut wird, in welchem Land, über welche Server und mit welcher Art der Stromerzeugung – Kohlekraft, Atomstrom oder Solarenergie.
Verschiedene Studien haben versucht, den Beitrag der digitalen Welt am globalen CO2-Ausstoß zu schätzen. Je nach Methode variieren die Ergebnisse um mehrere Prozent.
„Auf der Erde gibt es 44 Millionen Computerserver. Sie produzieren fast zwei Prozent der Kohlendioxidemissionen weltweit – etwa so viel wie die Flugindustrie oder ein mittelgroßer Staat. Serverfarmen verbrauchen mehr als 130 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. In die Kühlung geht dabei fast so viel wie in den Betrieb.“
Mathematiker und Physiker Kerry Hinton erklärt, wo beim Netzkonsum besonders viel CO2 anfällt. „Je näher man zum Nutzer kommt, desto höher ist der Wert. Bei den Servern und den großen Routern, die mein Haus mit den Servern verbinden, ist der Stromverbrauch pro Nutzer relativ gering, weil diese Geräte mit vielen Nutzern geteilt werden. Zu Hause bin ich dagegen die einzige Person, die mein Equipment benutzt. Diese fünf Watt in meinem DSL-Modem, das ist einer der dominanten Erzeuger der CO2-Bilanz, wenn ich das Video herunterlade.“
Das Heim-Modem als Klimakiller? Besonders energiereich wird die Netznutzung, wenn mobile Geräte in die Wolke funken, sagt Kerry Hinton. „Cloud Computing ist heute sehr populär – das Paradigma, bei dem die Intelligenz nicht mehr im Endgerät ist, sondern in der Cloud. Man kann zusammen an einem Dokument arbeiten, Artikel schreiben, und alle sehen es gleichzeitig auf ihren mobilen Geräten, wo es ständig geupdated wird. Die mobile Nutzung von Cloud-Diensten ist aber keine gute Idee. Der Energieverbrauch ist immens. Wir müssen unsere Erwartungen an die Cloud herunterschrauben oder anders auf sie zugreifen – zum Beispiel indem wir Laptops benutzen, die nicht so dumm sind wie Smartphones. Die schöne Idee, dass Cloud-Services überall erreichbar sind, ist sonst einfach nicht nachhaltig.“