Von unterwegs

Foto: © Christoph Pfaff

„Wer an entspannte Teint-Gestaltung denkt, irrt“

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In den Weinbergen von Hua Hin in Thailand, Foto: © Christoph Pfaff

Christoph Pfaff bereist die Welt und präsentiert die Erlebnisse im World Wide Web. Sein Videoblog „vonunterwegs.com“ wurde mehrfach ausgezeichnet – und seine Leidenschaft zum Beruf. Ein Gespräch über Sonne, Strand und Homer.

Herr Pfaff, zum Einstieg die klassische Frage für vielbeschäftigte Stets-unterwegs-Menschen wie Sie: Wo erwische ich Sie gerade?

Ich bin zurzeit zu Hause in Kiel, allerdings schon fast wieder beim Kofferpacken. Das nächste Reiseziel ist Island.

Mit Reiseziel verbinden wir für gewöhnlich den Ort, die Destination. Doch was sind für Sie Motivation und Zweck des Reisens?

Reisen war – wie bei vielen anderen Menschen auch – schon immer eine große Leidenschaft von mir. Leider reichten mir als festangestellter Redakteur beim Radio die vereinbarten Urlaubstage zum Verreisen nicht aus, weshalb ich mein Hobby schließlich zum Beruf gemacht habe. Denn: Meine – zugegebenermaßen recht größenwahnsinnige – Motivation ist, irgendwann einmal, wenn mir die letzten grauen Haare vom Kopf fallen, jeden Fleck dieser Erde gesehen zu haben. Und dafür reichen 30 Urlaubstage pro Jahr einfach nicht aus.

in Äthiopien auf den Spuren des ersten Energiedrinks der Welt: Kaffee, © Christoph Pfaff

Ändert sich mit jedem Fleck, der beruflich dazukommt, auch die Wahrnehmung für Länder und Leute?

Ja, auf jeden Fall. Das liegt schon allein an dem Fakt, dass ich nun noch mehr mit Einheimischen in Kontakt komme. Als Urlaubsreisender passiert das natürlich auch, aber wer Geschichten sucht, muss mit Menschen sprechen. Es ist ganz faszinierend, auf wie viele echte Persönlichkeiten man auf Reisen stößt: Da ist von kreativen Freaks bis zu ehrenamtlichen Helfern wirklich alles dabei.

In der Antike gab es etwa Menschen wie Homer und Vergil, die subjektiv und mit fantastischen Zügen über ihre Reisen und die herrschenden Kriege berichteten. Auch Sie erzählen sehr individuell von Ihren Reisen, teils mit gestellten Szenen. Schließt sich da ein Kreis, sind Homer und Vergil in gewisser Weise Ihre Vorgänger?

(lacht) Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich finde aber – jetzt, wo Sie es ansprechen – dass da was Wahres dran sein könnte: Homer als Vorreiter heutiger Reiseblogger. Ist die Domain Homers-Reiseblog.de noch frei? Die muss ich mir gleich mal sichern.

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Am Königspalast in Bangkok, Foto: © Christoph Pfaff

Wobei: Mit ihrer aktuellen Domain läuft es ja auch mehr als gut. Dienen die Reisevideos dort allein der netten Unterhaltung oder sollen Sie auch Nutzwert als moderne Reiseführer haben?

Mein vorrangiger Anspruch an die Videoarbeit ist, meine Zuschauer zu unterhalten und ihnen gleichzeitig zu zeigen, wie schön, vielseitig, spannend und oft auch verrückt es auf unserem Planeten ist. Ich hoffe, dass die Filme eine inspirierende Wirkung haben, wohin der eigene nächste Urlaub gehen könnte. Darüber hinaus sind sie allerdings weniger geeignet, um die konkrete Reiseplanung anzuschieben. Wer ein Video sieht und weitere Fragen zu praktischen Tipps oder Ähnlichem hat, kann mich jederzeit anschreiben. Ich bin gerne behilflich!

Im Video von den Seychellen sagen Sie im Scherz, dass Sie „den Leuten nicht weismachen können, dass das, was wir hier tun, noch mit Arbeit zu tun hat“. Nun bietet sich hier die ganz ernsthafte Gelegenheit zu erklären, warum es doch genau das ist: harte Arbeit.

Die Seychellen-Reise ist für dieses Thema ein spitzenmäßiges Beispiel. Denn: Wer denkt, die vier, fünf Szenen am Strand waren in drei Minuten abgedreht, und der Rest des Tages gehörte der entspannten Teint-Gestaltung meiner Haut, irrt gewaltig. Tatsächlich war es so, dass ich in den knapp vier Tagen nicht eine einzige Minute am Strand oder am Pool lag, ohne die Kamera oder zumindest meinen Ideenzettel in der Hand zu haben. Ich will nicht abstreiten, dass das noch immer stark nach Luxusproblemen klingt. Aber wenn der Kopf arbeitet, kann der Körper nun mal keinen Urlaub machen. Egal, in welchem Paradies er sich gerade befindet.

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Beim Paragliding auf der Seiser Alm in Südtirol, Foto: © Christoph Pfaff

Gibt es denn noch Reisen, bei denen Sie, Ihr Kopf und Ihr Körper wirklich Urlaub machen – ohne Kamera, ohne Notizblock und ohne Recherche?

Es ist über die letzten Jahre schwer geworden, im Urlaub mal wirklich nur Urlaub zu machen, weil das Reisen ja sonst meinen Arbeitsalltag bestimmt. Ich musste erst wieder lernen, dass es okay ist, die Kamera zu Hause zu lassen und einfach mal nur da zu sein. Ob ich dies wirklich verinnerlicht habe, kann ich Ihnen sagen, wenn ich aus Island zurück bin. Denn diese Reise wird tatsächlich reiner Urlaub sein.

Was war bislang für Sie das absolute Highlight – welche Reise, welches Erlebnis?

Schwer zu sagen. Ich möchte keine meiner bisherigen Reisen missen. Manchmal sind es nämlich nur die ganz kleinen Momente, die ein Erlebnis für immer an die Erinnerungswand im Kopf heften. Sei es ein Song, der bei der aufgehenden Sonne über dem australischen Outback gerade zufällig im Radio durch den Nachtbus schallt. Oder ein unerwartetes Gewitter im nachtschwarzen südafrikanischen Busch, das einem die Glut des Lagerfeuers um die Ohren fegt und die spartanischen Zelte des Camps vom Regen fluten lässt. Es sind eben diese unplanbaren Augenblicke. Und davon gibt es sehr viele – solange man sie nicht erwartet.

Bislang haben Sie rund 30 Länder und fünf Kontinente besucht. Gibt es denn noch ein Fleckchen Erde, auf das Sie einmal besonders gerne Ihre Füße setzen würden?

Ich bin wirklich kein Freund von Kälte, aber die beiden Polregionen unserer Erde will ich irgendwann doch noch mal in Angriff nehmen. Und als Kontrast, weil ich dort auch noch nicht war: die Südsee rund um Fiji, Tonga und Co.

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Im Toten Meer in Jordanien, Foto: © Christoph Pfaff

Die Südsee ist aktuell so fern wie sonst manchmal die Heimat. Wie verändern sich bei den vielen Reisen auch Blick und Gefühl für Schleswig-Holstein?

Mich kriegt hier oben so schnell keiner weg. Kiel ist mein Hafen, in den ich immer wieder zurücksegeln möchte. Auch wenn es mal etwas länger dauert.

Für Sie ist es also schön, sich mal wieder bei 9 Grad und Nieselregen durch Kiel zu bewegen?

Nein, das ist nie schön. Nirgends.

Das Interview führte Matthias Mischo

Copyright: Goethe-Institut Prag
Juli 2013
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