Wwoof rund um die Welt

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Für Reisende bieten sich viele Möglichkeiten, die Welt kostengünstig zu bereisen. „Wwoof“ ist eine von ihnen – eine ökologisch nachhaltige noch dazu.

Es ist wie Urlaub am Bauernhof, aber doch anders. Wer beim Reisen irgendwann die Lust verliert, von einer Stadt in die nächste zu hetzen und das hundertste Foto von einer Sehenswürdigkeit zu machen, kann sein Glück auf dem Land versuchen und Wwoofer werden. Wwoof steht für „We’re welcome on organic farms”. Es ist eine Bewegung von Freiwilligen, die auf biologischen Bauernhöfen für freie Kost und Logis mitarbeiten, wie es auf der Website von Wwoof Österreich heißt. Interessierten aller Altersgruppen wird so seit 1971 die Möglichkeit geboten, Erfahrungen im biologischen Land- und Gartenbau zu sammeln, fremde Länder kennen zu lernen, neue Kontakte zu knüpfen und günstig zu reisen. Wwoof-Organisationen sind in mehr als 20 Ländern vertreten, von Argentinien über Togo bis hin zu Neuseeland.

Die Bewegung richtet sich jedoch nicht nur an „Landkinder“, sondern will ganz bewusst auch „Stadtkindern“ die Arbeit schmackhaft machen. Interessierte zahlen einen Mitgliedsbeitrag und bekommen dann eine Liste mit allen teilnehmenden Bauernhöfen. Kontaktaufnahme, Anreise und Dauer des Aufenthalts ist von den potentiellen Wwoofern selbst zu organisieren, ebenso wie die Wahl, ob man gerne auf einem Ziegen-, Schweine- oder Hennenbetrieb mitarbeiten, oder eine ganz andere Art von Bauernhof kennenlernen möchte.

Zwei ehemalige Wwoofer erzählen jádu von ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Erlebnissen als Helfer auf Bauernhöfen in Australien, Griechenland und Österreich.

Felix Foto: © privat
Felix bei der Weinernte, Foto: © privat

Schon früh war für mich klar, dass ich nach dem Abitur nicht sofort zu studieren oder zu arbeiten beginnen möchte. Neue Erfahrungen im Ausland sammeln, das war mein Plan. Schlussendlich habe ich mich für das „Wwoofen“ entschieden, weil es etwas ganz anderes ist. Als Stadtkind (18 Jahre in einer Stadt gewohnt) und Abiturient (12 Jahre Schule = 12 Jahre „Kopfarbeit“), wollte ich einfach einmal für einige Zeit auf dem Land leben und körperlich arbeiten. Ein weiterer Grund war die Freiheit, die das „Wwoofen“ bietet: keine fixen Vorgaben wo, wann und wie lange man sich aufhält, keine fixe Gastfamilie, sondern einfach alles nach Lust und Laune selbst organisieren.

Gestartet habe ich mit knapp zwei Monaten in Griechenland. Es war eine Rundreise. Nach ein paar Tagen Athen arbeiteten wir auf der Insel Lefkada, danach auf einer Farm im Osten Griechenlands, in den Bergen rund um Volos. Von dort startete ich meine Reise nach Australien. Dort machte ich meine Bauernhoftour entlang der Ostküste. Ein Monat verbrachte ich jeweils auf einer Farm, danach besichtigte ich drei bis vier Tage eine Stadt, um danach weiterzuziehen und bei einem neuen Bauern zu arbeiten. Innerhalb von fünf Monaten habe ich rund 3000 Kilometer entlang der Küste zurückgelegt. Angefangen von einer Kartoffelfarm im tropischen Norden (Cairns), über einen Olivenhain nahe Brisbane bis zu einem „Biokistl“-Betrieb bei Melbourne habe ich verschiedene Arten und Größen von landwirtschaftlichen Betrieben kennen gelernt.


Fasziniert hat mich die Einfachheit, etwa ein Monat ohne elektrischen Strom und warmes Wasser zu leben. Nicht überlegen zu müssen, was man heute essen möchte und dann die Zutaten im Supermarkt zu besorgen, sondern umgekehrt zu denken: Einen Blick in den Garten werfen, sehen was verfügbar ist und dann überlegen, was man aus den vorhandenen Zutaten kochen könnte. Als „Wwoofer“ lebt man oft sehr abgeschieden, mitten unter Einheimischen. Man bekommt etwas vom täglichen Leben rund um die Farm mit und wird Bestandteil dessen. Ich wurde nach einiger Zeit in der Dorfkneipe bereits mit dem Namen begrüßt, so etwas passiert „normalen“ Rucksacktouristen eher selten.

Außerdem sind die meisten Wwoof-Hosts sehr freundlich. Mir haben sie die Umgebung (zum Beispiel versteckte Wasserlöcher im australischen Regenwald) gezeigt und mich zu lokalen Veranstaltungen mitgenommen, etwa einem Motocross-Rennen, einer Traktorenmesse und einem Hippie-Markt.



Melli Foto: © privat
Melli beim Pikieren, Foto: © privat

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, habe Landwirtschaft studiert und wollte Wwoofen als Chance nutzen, Einblick in die Führung anderer landwirtschaftlicher Betriebe zu bekommen. Außerdem ist es eine perfekte Möglichkeit, Land und Leute aus einem nicht touristischen Blickwinkel kennen zu lernen! Mir war wichtig, viel Neues zu sehen und kennen zu lernen. Deshalb bevorzuge ich prinzipiell längere Aufenthalte auf Höfen. Ich war deshalb auch bei der Suche sehr wählerisch.

Meine ersten Wwoof-Erfahrungen sammelte ich noch in Österreich, in Mittersill (Salzburg). Ich arbeitete drei Wochen auf einem Ziegenbetrieb. Ich habe täglich gemolken, wir mussten den Stall ausmisten, aber auch im Haushalt helfen und den vierjährigen Sohn bei Laune halten. Ich wurde aber auch zum Mithelfen bei der Obsternte eingeteilt oder half bei Reparaturen am Weidezaun.

Danach hat es mich in die Ferne gezogen. Von Mitte Februar bis Ende April 2013 war ich in Australien auf drei Bauernhöfen. Gemeinsam mit einer Freundin packte ich meinen Rucksack und machte mich auf nach Bega (County New South Wales: Schafbetrieb), Warragul (County: Victoria; Milchvieh-/Legehennenbetrieb) und Millaa Millaa (County: Queensland; Rindermastbetrieb - Weidehaltung).

Im Gegensatz zu stark landwirtschaftlich genutzten Regionen in Österreich gibt es in Australien keine Stallanlagen. Diese werden durch unendlich große Weideflächen ersetzt. Der große Vorteil bei der Sache ist, dass die tägliche Stallarbeit wegfällt beziehungsweise sich reduziert.


In Bega begann unser Arbeitstag um 8:30 Uhr. Je nach Witterung wurden wir zur Weidepflege (Brombeersträucher schneiden) eingesetzt, arbeiteten allerdings auch viel im Gemüse-, Obst- und Weingarten. Unkrautjäten, Aussähen, Pikieren und Pflanzenpflege waren sehr oft zu erledigen. Bei schlechtem Wetter kochten wir Obst und Gemüse ein. Natürlich hat es dazugehört, dass wir unsere Hosts mit österreichischer Küche – Käsespätzle und Topfennockerl - bekochten.

Jeden Tag gab es um 12 Uhr 30 Lunch, zwei Scheiben getoasteten Toast mit dem was der Kühlschrank hergab und eine Tasse Schwarztee. Pünktlich um 19 Uhr 30 Uhr wurde zum Dinner gebeten. Bei dieser Gastfamilie wurden wir immer vom Farmer selbst bekocht, der ein sehr großer Freund der guten Küche und ein sehr kreativer Koch war. Dazu gab es Rotwein und wir diskutierten viel. Am Wochenende hatten wir frei. Einmal nahmen uns unsere Hosts auf ein kleines Country-Festival mit, ein anderes Mal machten wir einen Ausflug zum Strand.

Auf einem anderen Hof mussten wir schon um 6 Uhr in der Früh circa 150 Kühe melken. Prinzipiell war die Arbeit auf jedem Hof sehr unterschiedlich und abwechslungsreich.

Mit Wwoofen habe ich zwei Dinge kombiniert – arbeiten und reisen. Wir waren mit dem Rucksack unterwegs und haben unsere Reise so organisiert, dass wir “wwoof-Pausen” einlegten, um ein paar Tage in einer Stadt zu bleiben und Sightseeing zu machen.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war der Reiz für mich das Einlassen auf und die Zusammenarbeit mit völlig fremden Menschen, die im Laufe der Zeit – bei längeren Aufenthalten – zu „Freunden“ werden.


Copyright: Goethe-Institut Prag
Juli 2013
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