Hyvää matkaa – gute Reise
Klopf, klopf. Meine Kollegin möchte den Fahrer eines stehenden Buses fragen, mit welcher Linie wir zum Sibelius-Monument kommen – und damit auch zu diesem ganz besonderen, niedlichen Café am Meer. Klopf, klopf. Der Busfahrer hebt den Kopf und weist energisch auf die andere Haltestelle. „Kundenservice“, klärt meine Kollegin mich auf, „das gibt es in Finnland nicht.“
Meine Kollegin gibt mir eine individuelle Stadtführung, die vom Dom Senaatintori und der russisch-orthodoxen Kirche bis hin zum sündhaft edlen Café Fazer und einem Klo im Torni reicht. Von dort aus kann man über die Dächer der Stadt blicken.
Finnisches ErwachenBei meinem ersten Besuch erlebe ich Helsinki als Design-Hauptstadt voller Boutiquen, Ausstellungen und Museen. Es zeigt sich alles andere als grau und dunkel im Frühjahr und Sommer: Festivals, die „verrückten Tage“ im Kaufhaus Stockmann, Wochenmärkte im Hafen, das Frühlings-, Studenten- und Arbeiterfest Vappu und Secondhandmärkte locken. Daneben grünt und blüht die unberührte finnische Natur. Ein besonderes Lebensgefühl erwacht hier, wenn der elendig lange und viel beklagte Winter den Rückzug antritt. Dieses Erwachen ist so finnisch wie Hundeparks, EU-Skepsis und Fährfahrten nach Tallinn in Estland, um kistenweise Alkohol zu kaufen.
In unserem Kühlschrank steht auch kein finnischer Alkohol. Schon der Blick vom Portemonnaie ins finnische Supermarktregal sagt eindeutig: lieber nicht. Ein Blick auf unseren Kühlschrank verrät dafür, wie meine Mitbewohnerin und ich hier leben. Eine Notiz verbietet das Anstimmen von „I love it“, eine andere den Gebrauch verschiedener Wörter, die über die Schmerzgrenze oft benutzt wurden. „Ridiculous“ und „weird“ gehören dazu. Denn nicht selten fühle ich mich, als säße ich in meiner eigenen Fernsehserie.
Die Menschen machen jede Reise aus„Was würdest du tun, wenn du wüsstest, du könntest nicht versagen?“ „Auf den Mars fliegen“, sagte mein Chef. „Manchmal einfach tun, wonach einem ist, obwohl der Kopf sagt: ‚Nein‘“, antwortete meine Mitbewohnerin. – Die Menschen machen jede Reise aus. Ebenso sehr wie ich mal in einer Wohngemeinschaft leben wollte, würde ich gerne wissen, ob Longdrinks überlaufen, wenn die Eiswürfel darin schmelzen? Doch niemand wollte den typischen Lonkero (Mischung aus Gin und Grapefruitlimonade) lange genug warten lassen.
An einem freien Nachmittag besuche ich nochmals das Café beim Sibelius-Monument. Um Gepäck zu sparen, habe ich nur meine Kreditkarte dabei, denn in Finnland kann man nahezu überall damit zahlen. „Kann ich auch mit Karte zahlen?“ frage ich dennoch an der Kasse. „Nein. Sind Sie längere Zeit in Finnland?“ „Ja.“ „Sie können auch ein andermal wiederkommen und dann bezahlen, wenn Sie möchten.“ Ich lehne, dankbarst überrascht, aus Höflichkeit ab. Wie war das mit dem Kundenservice?
Wie ist Finnland und welche Art von Leuten leben da? – Eine Frage, die mir nach meiner Rückkehr öfter gestellt wurde als ich Finnen begegnet bin. Ich kann nur sagen: Von der Wortkargheit der Finnen merkte ich in den finnischen Klassen der Deutschen Schule nichts – und zu allem Überfluss konnte ich bei Seitengesprächen nicht mal mitreden. Vom Finnischen habe ich behalten, was ich am meisten hörte: „Kiitos“, das heißt „Danke“ – und das sagt sicher viel über die Finnen.