Warum positiv denken?

Foto: © Vladimír Mařinec
Positives Denken entfaltet Kraft. Kraft gegen negative Gedanken und Pessimismus, eine Kraft, die mangelndes Selbstbewusstsein überwindet. Positives Denken ist ein zunehmend populäres Mantra und wird mit Erfolg – vor allem im Arbeitsleben – in Verbindung gebracht. Positive Psychologie wird somit zu einem Weg zu allgemeinem Glück.

Foto: © Vladimír Mařinec„Die Sache ist klar – entweder willst du, dass die Dinge klappen oder eben nicht, und demnach funktioniert auch dein Denken“, sagt Jungunternehmer Vladimír Mařinec aus Dobrá Voda bei České Budějovice (Budweis). Früher hat er dem Charakter seiner Gedanken keine große Bedeutung beigemessen. Dann stieß er jedoch auf Bücher über positives Denken, und die haben, auch wenn es wie in einem Werbespot klingen mag, sein Leben vollständig verändert.

„Ich habe angefangen, bestimmte Dinge miteinander in Verbindung zu bringen und versucht, Ratschlägen anderer zu befolgen. Bei verschiedenen Angeboten und Projekten im Rahmen meiner unternehmerischen Tätigkeit ist es mir nicht nur einmal passiert, dass ich mich kopfüber hineingestürzt habe. Oft habe ich nicht gewusst, ob ich das alles finanziell und organisatorisch stemme, aber mit der richtigen positiven Herangehensweise und den Glauben daran, bin ich immer zum ersehnten Ergebnis gelangt“, bestätigt der 25-jährige Unternehmer die Wirkung der Theorie des positiven Denkens. Gleichzeitig gibt er zu, dass das im Bereich der Partnerbeziehungen bisher noch nicht so richtig klappt. Sein zentrales Motto ist dennoch: Positiv denken und die Dinge nicht gleich nur deshalb aufgeben, weil sie einem Angst machen. „Positive Ergebnisse kann man durch anziehen, wenn man sich bemüht“, erklärt Vladimír.

Den Schlüssel zur positiven Herangehensweise fand er unter anderem in den Büchern von Napoleon Hill, der mit Hilfe von einfachen Methoden und durch eben jenes positive Denken den Lesern den Weg zum Erreichen der unterschiedlichsten Erfolge weist.

Napoleon Hills Lehren basieren auf dem positiven psychischen Zugang. Es geht um die Kraft des menschlichen Geistes, nicht des Körpers, denn der Geist ist der Körper und die Selbstkontrolle ist eng mit dem Geist verbunden; also eine Kraft, die abhängig ist vom richtigen Zugang zu den Dingen. „Es geht um den richtigen Rahmen des Geistes, der den Menschen zur richtigen Aktion und Reaktion führt“, schreibt der Autor in seinem Buch Erfolg durch positives Denken.

Die grundlegenden Bausteine für die Erlangung eines festen positiven psychischen Zugangs sind laut Napoleon Hill die Kontrolle der eigenen Emotionen, die Eliminierung negativer Gedanken und Herangehensweisen, die Kanalisierung der stärksten Gefühle und Sehnsüchte um das zu erreichen, was wir im Leben wollen. Als Ergebnis stellt sich ein, dass man die positiven Dinge anzieht und die negativen abstößt, wobei der gesamte Effekt zu einer automatisierten Gewohnheit wird. Laut Hill werden die Menschen nämlich stark durch ihre Gewohnheiten sowie positive und negative Gedanken beherrscht.

Wünsch dir was!

Den kommerziellen Boom erlebte das Phänomen Positives Denken nach der Herausgabe des erwähnten Buches und dem Erscheinen des Filmes The Secret. Dieser Film identifiziert sich in vielem mit den Lehren von Napoleon Hill, welche die Kraft der positiven Gedanken und Gefühle hervorheben. The Secret beschreibt ein System, in dem die menschlichen Gedanken mit dem Weltraum in Verbindung stehen, der alle diese Gedanken absorbiert. Mit ihren positiven Gedanken und Emotionen ziehen die Menschen dann das an, was sie erreichen möchten, was sie haben wollen und wohin sie sich weiterentwickeln wollen. Ist das wirklich so? Die Fachleute betonen die Notwendigkeit, den konkreten Wunsch zu durchleben, um zu spüren, was man wünscht. Damit aktiviert man im Gehirn ein Glücksgefühl der befriedigten Sehnsucht, wodurch das erwünschte Ziel angezogen und schließlich erreicht wird.

Positives Denken ist aber nicht nur ein Thema für Buchbestseller und Filme. Positive Psychologie ist heute eine sehr populäre und verbreitete Richtung der Psychologie, die vor allem positive Emotionen (Freude, Glück, Liebe und Hoffnung), positive Erlebnisse und Erfahrungen und nicht zuletzt positive Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale (Optimismus, Standhaftigkeit, Sinn für Humor, Gewissenhaftigkeit und Selbstbewusstsein) in den Vordergrund stellt. Das Tschechische Zentrum für positive Psychologie beschäftigt sich nicht nur mit Fragen der Lebensqualität, sondern rät auch Menschen, wie sie schwierige Situation meistern können.

Positives Denken hat auch in die akademische Welt Eingang gefunden, das Fach bietet beispielsweise die Masaryk-Universität in Brno (Brünn) an. Laut Universität sind Absolventen dieses Kurses in der Lage, den Einfluss des positiven Erlebens und die Bedeutung der Unterstützung durch positive Phänomene (Hoffnung, Liebe, Vergebung oder Dankbarkeit) für die Lebensqualität des Einzelnen zu verstehen.

Placebo-Effekt?

Der Psychologe Richard Boyatzis von der Case Western Reserve University in den USA hat in einem Versuch festgestellt, dass die Signale, die durch positive Gedanken und Gefühle an das Gehirn gesendet werden, im Gehirn jene Zentren stimulieren, die für Belohnung, gute Gefühle und glückliche Gedanken zuständig sind. Aber dennoch – ist es mit dieser mentalen Herangehensweise tatsächlich möglich, das zu erreichen, wonach man sich sehnt? Beruht der Trick des positiven Denkens und der positiven Psychologie nicht lediglich auf einem Placebo-Effekt, bei dem die Suggestivkraft motivierender und glücklicher Gefühle uns denken lässt, Glück, Erfolg, Liebe und Gesundheit zu erleben?

Die Kritik am Prinzip des positiven Denkens entzündet sich vor allem an der Art und Weise, wie positives Denken erreicht und gepflegt werden soll. Laut Katka Kuňová, die als Autorin für das Gesundheitsportal Avenna.cz tätig ist, verändert die Theorie des positiven Denkens gewaltsam das Denken der Menschen. Das führe allerdings dazu, dass der Einzelne das Wesentliche des positiven Denkens nicht begreift, nämlich was er wie richtig tun soll. Der Wandel zum positiven Denken erfolgt also nicht als bewusster, ruhiger Prozess mit langfristigen Effekten. Positives Denken hat laut Katka Kuňková die Tendenz, lediglich zu idealisieren, in einer Traumwelt zu leben, Utopien zu folgen und das zu übersehen, was wichtig ist. Ein negativ denkender Mensch wird seine negative Haltung dadurch lediglich zügeln, aber nicht beseitigen. Um mit positivem Denken tatsächlich erfolgreich zu sein, müsse man seine Gesamtsicht auf die Welt sowie deren Wahrnehmung verändern, so die Theorie der Autorin.

Hana G. Shatner, Consultant und Coach des Projektes BE-Intelligent, beanstandet vor allem, dass in gängigen Lernprozessen emotionale Bildung, Selbstreflexion und die richtige Nutzung der Gedanken kaum eine Rolle spielen. Stattdessen werde viel zu stark Wert gelegt auf die Entwicklung des Intellekts. Shatner bemängelt, dass das von Menschen geschaffene soziale System den Wert und die Kraft von Emotionen ignoriert oder unterschätzt, dadurch werde die Gesamtentwicklung der Gesellschaft gehemmt. Hana G. Shatner ist der Ansicht, dass positive Emotionen – sie spricht von einem „zuverlässigen persönlichen Navigationssystem“ – in der Lage sind, unsere Haltungen, Beziehungen, unsere persönliche Entwicklung und sogar unsere körperliche und psychische Gesundheit zu beeinflussen. Und dennoch ändere dies laut Shatner nichts daran, dass diese Emotionen nach wie vor als Ausdruck von Schwäche und Unreife betrachtet werden.

Eva Pelikánová
Übersetzung: Ivan Dramlitsch

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
März 2014

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