Wenn das Geld wandert

Foto: Unique Hotels (@flickr) / CC BY-SA 2.0Foto (Ausschnitt): Unique Hotels (@flickr) / CC BY-SA 2.0
Für die Arbeit im Massagestudio bekommt Thani seit dem 1. Januar 2015 den Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde. Foto (Ausschnitt): Unique Hotels (@flickr) / CC BY-SA 2.0

Thani (34) freut sich, dass sie für ihre Arbeit inzwischen einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bekommt. Denn das bedeutet für sie, dass sie mehr Geld für ihre Familie nach Thailand schicken kann. Sie wünscht sich, dass ihre Arbeitgeber ihr mehr Stunden geben und dass ihre Gesundheit dabei mitspielt.

Wenn Thani von den wichtigsten Menschen in ihrem Leben erzählt, geht es dabei irgendwie immer auch um das Thema Geld: Mit Anfang 20 ließ sie ihren kleinen Sohn bei ihren Eltern im nordthailändischen Heimatdorf zurück, um in Bangkok arbeiten zu gehen. Dort lernte sie einen deutschen Urlauber kennen, den sie – in der Hoffnung auf ein besseres Leben – heiratete und nach Köln begleitete. Ihre Verwandten aus Thailand bitten sie seit ihrer Abreise tagtäglich um finanzielle Unterstützung. Für ihren deutschen Mann ist es manchmal schwer zu verstehen, warum Thani einen großen Teil ihres hart verdienten Geldes an ihre Familie in die thailändische Heimat schicken möchte.

Putzen, massieren, Maschinen bedienen

Thani ist nicht mehr von ihrem Mann abhängig: Sie hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und verdient ihr eigenes Geld. Nach ihrer Ankunft in Deutschland hat sie einen Integrationskurs besucht und inzwischen spricht sie ganz gut Deutsch. Jetzt ist die Thailänderin ständig auf Jobsuche: Mal arbeitet sie in einem Hotel als Küchenhilfe, mal hilft sie im Massagestudio einer chinesischen Freundin aus.

Life of Maeklong Railway Market; Foto (Ausschnitt): amelia soo (@flickr) / CC BY 2.0
Marktszene in Maeklong (Bangkok, Thailand), Foto (Ausschnitt): amelia soo (@flickr) / CC BY 2.0

Über eine Zeitarbeitsfirma hat Thani ab und an die Möglichkeit, in einer Fabrik am Fließband zu arbeiten. Sie bekommt dort manchmal Schulungen, zum Beispiel zu Arbeitsschutzthemen. „Das ist gut, ich kann was lernen“, sagt sie. Überhaupt liebe sie die Firma: Die Arbeit macht ihr viel Spaß und durch die Einführung des Mindestlohnes ist ihr Gehalt von 5,50 Euro auf 8,50 Euro pro Stunde gestiegen.

Wenn die Jobs nur nicht immer so unsicher wären! Thani ruft tagtäglich im Büro der Leihfirma an und fragt nach, ob es Arbeit für sie gibt. Meist wird sie vertröstet, manchmal kann sie sofort kommen. Thani ist immer froh, wenn sie arbeiten darf. Aber ab und an würde sie gerne besser planen, um sich auch mal auf einen Kaffee mit ihren Freundinnen treffen zu können, die sie im Integrationskurs kennengelernt hat.

Rückenschmerzen und Sehnsucht nach der Heimat

Thani leidet auch körperlich unter den oft sehr anstrengenden Arbeiten: „Der Rücken tut weh, die Hände auch. Ich muss Pausen machen und manchmal nein sagen“, erzählt sie. Zwischendurch hatte die 34-Jährige auch schon das Gefühl, den Job nicht mehr gut genug zu erledigen, weil ihre Knochen zu sehr schmerzen. Deshalb hat sie sogar schon darüber nachgedacht, die Arbeit für die Zeitarbeitsfirma an den Nagel zu hängen – obwohl sie sie so gerne macht!

Das macht sie dann sehr traurig – auch weil sie an ihre Familie in Thailand denkt, die sie gerne häufiger sehen möchte. Ihr Sohn hat vor einigen Jahren geheiratet, ihr Enkel ist zwei Jahre alt und ihre Schwiegertochter schon zum zweiten Mal schwanger. Wie soll sie den Flug bezahlen? Trotz Kummer und Sorgen weiß Thani, dass ihr Leben weitergeht. Sie drückt sich also einfach selbst die Daumen, sucht weiter nach leichteren und sichereren Jobs, beißt die Zähne zusammen. Damit sie selbst leben und wenigstens ein bisschen Geld nach Thailand schicken kann.

Janna Degener

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Juni 2015

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