Porno im Tschechoslowakischen Fernsehen
Diese zuverlässige Information hörte ich irgendwann in der 10. oder 11.Klasse auf dem Gymnasium, also 1987 oder 1988. Es ging um Folgendes: Die Techniker des Tschechoslowakischen Fernsehens hatten Videokassetten mit scharfen Filmen, die sie regelmäßig nachts in den Äther sendeten, wenn normalerweise nur Testbild oder weißes Rauschen zu sehen war. Laut dieser zuverlässigen Information verhielt es sich so, dass wenn sich auf dem Tisch der Ansagerin bei ihrer letzten Ansage vor Sendeschluss (das heißt vor der Hymne und dem weißen Rauschen) eine kleine Vase mit einer Blume befand, dies das verabredete Signal war, welches bedeutete, dass eine Stunde nach Sendeschluss die Techniker einen heißen Film einlegen… In einer anderen Version war das Signal eine Blume am Kleid der Ansagerin. Einmal (wir waren 16 Jahre alt) schalteten wir während einer Party bei einem Mitschüler den Fernseher ein – und die Ansagerin hatte Blumen vor sich! Anderthalb Stunden lief dann der Fernseher und wir glotzten wie die Blöden ins weiße Rauschen.
Dies war ein eher gegen Ende der 80er Jahre verbreitetes Gerücht, das auf hervorragende Art und Weise die geradezu mythische Sehnsucht der Tschechen und Slowaken nach Produkten des westlichen „Luxus“ illustriert. Genauso wie die zahlreichen Gerüchte über alle möglichen Potenzmittel den Mangel an serienmäßig hergestellten Aphrodisiaka widerspiegelten, reflektierte das Gerücht über heimliche Pornos im Fernsehen nicht nur Teenager-Phantasien, sondern vor allem den damaligen Mangel an Pornografie und ihre Mythisierung.
Diese moderne Sage ist dem Buch „Černá sanitka - druhá žeň“ von Petr Janeček entnommen. (Nakladatelství PLOT, ISBN 978-80-86523-82-8). Die Veröffentlichung an dieser Stelle erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. |
(* 1978) ist Leiter der ethnographischen Abteilung des Tschechischen Nationalmuseums. Er ist der Herausgeber der Bücher „Černá sanitka“ (Der schwarze Krankenwagen), die Sammlungen moderner in Tschechien kursierender Sagen sind.
Übersetzung: Ivan Dramlitsch
Copyright: Goethe-Institut Prag
Dezember 2012