Schweigend dem Alltag entkommen

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Die 26-jährige Magdalena nahm eine Auszeit vom Alltag und ging für eine Woche ins Kloster. Foto: privat

Bei einem Treffen schon an das nächste denken, von Termin zu Termin hetzen, alles Mögliche machen und trotzdem für nichts Zeit haben – die 26-jährige Magdalena hatte genug von diesem Leben. Vor einem Jahr hat sie sich zu Silvester eine Auszeit vom Alltag genommen und ging für eine Woche ins Kloster. Seitdem hat Magdalena das Gefühl, die Zeit vergehe langsamer für sie.

Warum hast du dir eine „Auszeit“ genommen?

Silvester empfinde ich als das anstrengendste Fest im Jahr. Einerseits weil mir die Vergänglichkeit des Lebens an diesem Tag immer sehr klar vor Augen kam: wieder ein Jahr vorbei, wieder wenig geschafft, wieder nicht alle Ziele erreicht. Andererseits mag ich die zwanghaften Partys nicht, die stattfinden. Ich wollte etwas anderes machen und klinkte mich deshalb für eine Woche aus. Ein weiterer Grund war, dass das Jahr 2010 ein sehr krisenreiches für mich war, das ich verarbeiten und abschließen wollte.

Gab es konkrete Gründe, die „Auszeit“ ausgerechnet im Kloster zu verbringen?

Ich wusste zu dieser Zeit nicht wirklich, wie mein Leben weitergehen sollte. Ich hatte mein Studium der Museologie zwar abgeschlossen, nach unzähligen erfolglosen Bewerbungen aber große Selbstzweifel. Die Exerzitien im Kloster boten mir eine perfekte Möglichkeit, innerlich zur Ruhe zu kommen und mich wieder auf meine Stärken zu besinnen.

Wie hast du diese Zeit persönlich erlebt?

Es war eine tief berührende und erfüllte Zeit im Kloster. Meine Wahrnehmung sensibilisierte sich durch das Schweigen. Ich merkte, wie ich im und durch das Gebet zur Ruhe kam, meinen Gedanken Raum geben konnte. Ich konnte mich immer mehr auf das Schweigen einlassen, wurde offener für mein Gegenüber und die Umwelt.

Hattest du Angst, dich mit dir selbst zu langweilen?

Ja, ich wusste nicht, was ich den ganzen Tag machen sollte und befürchtete, dass die Zeit nie vergehen würde, aber ich wollte mich dieser Herausforderung stellen. Daher verdrängte ich bis zu Beginn der Exerzitien diesen Gedanken. Ich hatte eine gute Begleiterin, die mir sehr geholfen hat, mich auf das Schweigen einzulassen. Die Tage waren etwa durch Gebetszeiten sehr strukturiert. Deshalb war mir nie wirklich langweilig, obwohl ich keine Bücher, kein Handy und Internet hatte.

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Magdalena nach dem Aufenthalt im Kloster: „Ich gönne mir seitdem auch Zeit alleine, etwa in der Natur.“ Foto: privat

Wie war danach der erste Tag im Alltag?

Ich habe eine Freundin in Wien besucht, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Der Tag war sehr beeindruckend: die vielen Geräusche, Farben und Menschen strömten ungefiltert auf mich ein. Am Abend bin ich todmüde ins Bett gefallen, aber ich freute mich auch, wieder mitten im Leben zu sein.

Hast du dein Leben seitdem verändert?

Ich beginne jeden Tag mit einem Morgengebet. Außerdem versuche ich, meinen Tag aktiver zu gestalten. Das beginnt beispielsweise schon damit, dass ich mir bewusst die Zähne putze und nicht schon wieder in Gedanken bei der Arbeit und meinen Terminen bin. Ich gönne mir auch Zeit alleine, etwa in der Natur oder „nur“ zu Hause zu sein und nichts zu tun.

“Die Zeit vergeht wie im Flug“ besagt ein alter Spruch. Muss Zeit zwangsläufig schnell vergehen?

Dass die Zeit schnell vergeht hat, mich vor den Exerzitien sehr genervt. Ich hatte viel zu tun und für nichts war wirklich Zeit. Durch meine Auszeit habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, sich bewusst für eine Handlung oder eine Sache zu entscheiden und sie auch in Ruhe auszuführen. Die Zeit vergeht trotzdem, aber nicht so schnell.

Was bedeutet Zeit für dich?

Ganz im Moment sein.

Das Interview führte Magdalena Schluckhuber

Copyright: Goethe-Institut Prag
Oktober 2012