Online Filmreihe Als die Mauer fiel…

Die Mauer © DEFA Stiftung Thomas Plenert

Mi, 7. Oktober 2020 -
Mi, 21. Oktober 2020

Online

Dokumentarische Einblicke aus Ostdeutschland 1989/90

„Als die Mauer fiel…“ präsentiert Dokumentarfilme, die im Umfeld des Mauerfalls entstanden sind. Sie sind vom 7.-21. Oktober online auf unserer Webseite zu sehen und werden begleitet durch Einführungen von Dr. Andreas Kötzing.

Als am 9. November 1989 die Grenzübergänge von Ost- nach Westberlin geöffnet wurden, waren viele Menschen regelrecht sprachlos. Nach den Jahrzehnten der Teilung wirkte der plötzliche Fall des ‚Eisernen Vorhanges‘ wie ein Wunder. Wer hätte sich das vorstellen können? Die Bilder der Menschen aus Ost und West, die sich an dem Abend lachend in den Armen lagen und jubelnd auf der Mauer tanzten, gingen um die ganze Welt. Auch 30 Jahre später haben sie wenig von ihrer emotionalen Kraft verloren.
 
Mit dem Programm „Als die Mauer fiel“ präsentieren das Goethe-Institut Korea und das Seoul History Museum eine von Dr. Andreas Kötzing kuratierte Filmreihe aus Dokumentarfilmen, die im Umfeld des Falls der Mauer entstanden sind. Dabei stehen jedoch nicht die symbolträchtigen Fernsehbilder im Mittelpunkt, sondern Filme, die einen unmittelbaren Einblick in die Gefühle und individuellen Lebensumstände der Menschen in der damaligen Zeit ermöglichen. Sie greifen zum Beispiel die Verfolgung von oppositionellen Künstlern durch die Staatssicherheit auf, wie in Sibylle Schönemanns beeindruckendem Film Verriegelte Zeit. Die Regisseurin begibt sich darin auf eine persönliche Spurensuche: Sie wurde Mitte der 1980er Jahre zusammen mit ihrem Ehemann verhaftet, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Um zu verstehen, was damals passiert ist, versucht sie im Sommer 1990 mit den Mitarbeitern der Staatssicherheit ins Gespräch zu kommen, die damals für ihre Verurteilung verantwortlich waren.
 
Mehrere Filme der Reihe machen deutlich, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen in der DDR nicht erst im Herbst 1989 einsetzte, sondern schon in den Jahren davor verbreitet war. Für ihren Film Winter adé reiste die Regisseurin Helke Misselwitz 1987 zum Beispiel mit dem Zug durch die DDR und interviewte dabei verschiedene Frauen. In sehr persönlichen Gesprächen berichten sie über ihre Arbeit, ihr Familienleben und ihre Hoffnungen für die Zukunft. Die individuellen Geschichten verdichten sich dabei zu einem vielschichtigen Bild der DDR-Gesellschaft, ohne die offenkundigen Probleme im Land zu beschönigen.
 
Trailer von Winter adé (Quelle: YouTube)
 
Auch in Unsere Kinder von Roland Steiner werden diese Probleme sichtbar. Der Film porträtiert verschiedene Jugendliche in der DDR, die keineswegs dem Ideal einer sozialistischen Gesellschaft entsprechen, im Gegenteil. Über ‚Grufties‘, ‚Skinheads‘ und ‚Neo-Nazis‘ durfte in den offiziellen DDR-Medien nicht berichtet werden. Im Steiner Films kommen sie zum ersten Mal zu Wort.
Die sozialen und wirtschaftlichen Reformen, die nötig gewesen wären, um den Zusammenbruch des sozialistischen Systems aufzuhalten, wurden von der ostdeutschen Regierung jahrelang verschleppt. Der Protest in der Bevölkerung wuchs kontinuierlich und entlud sich im Herbst 1989 auf den Straßen in Leipzig und in vielen anderen Städten der DDR. Die „Montagsdemonstrationen“, die ab September 1989 wöchentlich nach den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche stattfanden, dokumentieren die Filmemacher Gerd Kroske und Andreas Voigt in ihrem spontan gedrehten Film Leipzig im Herbst. Er fängt die Stimmung unter den Demonstranten ein, lässt aber auch Polizisten und Politiker zu Wort kommen.

In Jürgen Böttchers essayistischem Film Die Mauer werden die Ereignisse vom Herbst 1989 auf eine andere Art erfahrbar. Böttcher erzählt in seinem Film nur wenig über die Entstehung und die historischen Hintergründe des Falls der Mauer. Er beobachtet stattdessen die Szenerie in Berlin an den ersten Tagen nach der Grenzöffnung. Böttcher und sein Kameramann Thomas Plenert lassen im wahrsten Sinne des Wortes die Bilder sprechen: Sie verzichten fast vollständig auf einen Kommentar und konfrontierten die Zuschauer mit den Eindrücken vor Ort. Zugleich suchen sie nach neuen ästhetischen Wegen, um die historische Bedeutung des Mauerfalls zu vergegenwärtigen, indem sie zum Beispiel historische Aufnahmen aus Berlin auf die Reste der Mauer projizieren.

Die fünf Filme stellen jeder für sich eine wichtige Quelle für den Umbruch von 1989/90 in Ostdeutschland dar. 30 Jahre danach eröffnen sie einen Einblick in die Umstände, die zum Fall der Mauer führten und deren Folgen die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland bis heute prägen.
 
Die Reihe wird begleitet von kurzen Einführungen durch den Kurator der Filmreihe, Dr. Andreas Kötzing. Der Filmexperte ist seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut an der TU Dresden mit Forschungsschwerpunkten zur Kultur- und Mediengeschichte der Diktaturen im 20. Jahrhundert.

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