Filmretrospektive Bernd-Schoch-Retrospektive

Bernd Schoch © Fünferfilm

Do, 24.09.2020 –
Sa, 26.09.2020

Filmhuis Cavia

Das Filmhuis Cavia widmet Bernd Schoch in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Niederlande eine Retrospektive in Anwesenheit des Regisseurs. Viele der programmierten Filme werden zum ersten Mal in den Niederlanden gezeigt. Sie sind herzlich eingeladen, nach den Filmen Ihre Gedanken mit uns zu teilen und gemeinsam über das Gesehene zu diskutieren.

Bernd Schoch

Bernd Schoch ist einer der interessantesten Filmemacher unserer Gegenwart. Seien es einerseits seine eklektischen Musikporträts Slide Guitar Ride über den exzentrischen Delta-Blues-Musiker Bob Log III und Aber das Wort Hund bellt ja nicht über das Schlippenbach-Trio (Koryphäen des Free Jazz) oder seien es andererseits Vor der Sperre und Kurze Ecke über den Tagesablauf in einer traditionellen Hamburger Kneipe – Schoch ist ein präziser Beobachter und gleichzeitig visionärer Geschichtendeuter.
Seine Filme wurden auf vielen deutschsprachigen und internationalen Filmfestivals präsentiert. Sein letzter abendfüllender Film Olanda lief in der prestigeträchtigen Sektion Berlinale Forum und wurde 2019 mit dem Arte Dokumentarfilmpreis bei der Duisburger Filmwoche prämiert.

Bernd Schoch, geboren 1971 in Ettlingen, aufgewachsen im Schwarzwald, lebt und arbeitet als Filmemacher in Hamburg.
• 2000-2007: Studium der Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe
• Kuratorische Tätigkeiten im Film- und Musikbereich
• 2008-2016: Künstlerischer Mitarbeiter an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) Hamburg
• seit 2008: Mitglied des Kollektivs Dokumentarfilmwoche Hamburg
• seit Oktober 2019: Professor für Grundlagen/Film an der HfbK Hamburg

Programm

  • Donnerstag, 24. September 2020, 19:30 Uhr: Vor der Sperre (2018)
    Ort: Goethe-Institut Amsterdam
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  • Freitag, 25. September 2020, 18:00 Uhr: Aber das Wort Hund bellt ja nicht (2011)
    Ort: Filmhuis Cavia
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  • Freitag, 25. September 2020, 19:30 Uhr: Olanda (2019)
    Ort: Filmhuis Cavia
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  • Samstag, 26. September 2020, 19:30 Uhr: Kurze Ecke (2014)
    Ort: Filmhuis Cavia
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  • Samstag, 26. September 2020, 21:30 Uhr: Slide Guitar Ride (2005)
    Ort: Filmhuis Cavia 
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Nach jeder Vorführung (außer nach Aber das Wort Hund bellt ja nicht) folgt ein Q&A zwischen dem Kurator Marius Hrdy (Filmhuis Cavia) und dem Regisseur Bernd Schoch.
Sprache Q&A: Englisch

Synopsen der Filme

(DE/Irak 2018)
Länge: 83 Min.
Sprache: Original mit engl. UT

Für gewöhnlich sind Making-Ofs Teil des Spiels, das ein Spielfilm in Bewegung setzt. Sie flankieren ihn und stecken seinen Bereich erneut ab, indem sie das Außen der fiktionalen Bilder markieren. Bernd Schochs Vor der Sperre dagegen ist Erweiterung dieses Spiels und seine Reflexion, Paratext zu Peter Otts Das Milan-Protokoll und eigenständiges dokumentarisches Werk, das sich von diesem löst, um in gleichem Setting anderen Fragestellungen nachzugehen.
Mit einem Schnitt sind wir im Nordirak und das Halbfertige, im Bau befindliche der ersten 20 Minuten trifft auf das Baufällige einer vom Krieg gezeichneten Gegend. Langsam aber sicher rutscht der Dreh von Das Milan-Protokoll aus dem Zentrum dieses Films, schweift Schochs Film ab, geht alleine los, schaut sich um, in Straßen und auf Märkten, um immer wieder zum Dreh des Spielfilms zurückzukehren. Schoch nimmt eine Position des Dazwischen ein: natürlich Teil des Drehteams aus Deutschland, aber doch auch ein Subjekt, das in einer ambivalenten Situation (einmal wird für eine Szene des Spielfilms ein Gebäude mit Fahnen des IS behängt) mit der Kamera einen Standpunkt finden muss, und sich manchmal mit einheimischen Kindern aus der Distanz auf die Dreharbeiten blickend wiederfindet. Am Ende ist Vor der Sperre nicht so sehr ein Bericht von den Dreharbeiten zu Das Milan-Protokoll, sondern eher ein Film von einem, der in den Nordirak kommt und versteht, dass er nur Teil einer Landschaft ist, die – in ihrer räumlichen Ausbreitung, zeitlichen Schichtung und als Speicher von Erlebtem – größer ist als er selbst und jeder Film, den man dort drehen könnte.
(Text: Alejandro Bachmann)
  (DE 2011)
Länge: 48 Min.
Sprache: Original mit engl. UT

Jedes Jahr unternimmt das renommierte Schlippenbach-Trio seine "Winterreise". Doch statt Schubert gibt es natürlich Free Jazz am Klavier, Schlagzeug und Saxofon. In den vergangenen vier Jahren wurden die Musiker von Bernd Schoch im Jazzclub Karlsruhe erwartet und einzeln beim Intonieren und Improvisieren aufgenommen. Das Ergebnis dieses scheinbar einfachen Konzepts ist bestechend: Vier Stücke, vier Auftritte, vier Jahre. Denn am Ende, nach lyrischen Passagen mit Blick auf die Winterlandschaft, finden alle wieder zueinander.
  (DE 2019)
Länge: 154 Min.
Sprache: Original mit engl. UT

Ein wucherndes Myzel. Der Sternenhimmel über den rumänischen Karpaten. Die ersten zwei Bilder stecken die Dimensionen ab, denen sich Olanda widmet: Details und feine Strukturen auf der einen, Konstellationen und das große Ganze auf der anderen Seite. Im Zentrum steht dabei ein saisonales Wirtschaftsgut der Gegend: der Pilz. Unter den Menschen sind ihm die Sammlerinnen und Sammler am nächsten und der Film ist vor allem bei ihnen, auf Gängen durch den Wald, im Zeltlager, bei Autofahrten und Gesprächen. Von hier aus folgt er den rhizomartigen Verästelungen, die sich in Form von Geld immer weiter verzweigen: zu lokalen und international agierenden Händlern, zu einem improvisierten Schuhmarkt auf einer Lichtung, zum Glücksspiel unter Kollegen.
Der Film erzählt von diesen Handelskreisläufen, indem er selbst eine pilzähnliche Struktur annimmt, ohne dabei je sein gedankliches Zentrum zu verlieren. Jenseits einer Analyse von ökonomischen Strukturen aber ist er auch das sinnliche Dokument eines Rhythmus des Alltags im Wald, wie ihn die Sammler als erstes Glied in der Verwertungskette erleben. Im Kino wird er als audiovisueller Pilztrip in die magische Welt der karpatischen Wälder erfahrbar.
  (DE 2014)
Länge: 95 Min.
Sprache: Original mit engl. UT

Helga sagt immer: "Kinder, trinkt mäßig, aber regelmäßig." Vor 25 Jahren hat sie die Kurze Ecke von ihrem verstorbenen Mann übernommen. Die Eckkneipe passt schon lange nicht mehr ins polierte Stadtbild um den Hamburger Großneumarkt. Die Kundschaft auch nicht: Arbeiter, ehemalige Seefahrer und Rentner. Heute ist Bundestagswahl. Der Film dokumentiert den Wahltag in der Kurzen Ecke von morgens um neun bis zur Entscheidung. Es wird getrunken, geraucht und geredet. Manche knobeln um Waschmittel und Wurst. Dann ist es Zeit für die ersten Prognosen. Hoffentlich funktioniert der Fernseher.
Kurze Ecke ist eine vorgezogene Reminiszenz an einen Ort, der bald nicht mehr da sein wird.
  (DE 2005)
Länge: 82 Min.
Sprache: Original mit engl. UT

Slide Guitar Ride ist ein Dokumentarfilm über Rock'n'Roll und das Unterwegssein. Bob Log III, die One Man Band aus Tucson, Arizona, die einzige Band der Welt, auf der man sitzen kann, spielt live in einem azurblauen eng anliegendem Wrestlinganzug. Dazu trägt er einen Motorradhelm mit eingebautem Telefonhörer, der als Mikrofon dient. Er spielt Speed-Delta on Blues – Gitarre mit den Händen und Drums und Kickzymbals mit den Füßen. Bob Log III gibt über 200 Konzerte im Jahr weltweit; in Hinterhöfen, Dorfkneipen, Wäschereien oder großen Konzerthallen. Seine Alben veröffentlicht er auf dem renommierten, dem Blues verschriebenen Label Fat Possum. In Japan ist das ehemalige Mitglied der Kultband Doo Rag inzwischen ein Star.
Zwischen 2002 und 2004 wurde Bob Log III von Bernd Schoch während verschiedener Touretappen mit der Kamera begleitet.

In Zusammenarbeit mit Filmhuis Cavia.

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