Design aus Afrika Gestalter des globalen Wandels

Kann Design die Welt verbessern? Die Ausstellung „Making Africa – A Continent of Contemporary Design“ im Vitra Design Museum zeigt zukunftsträchtige und reflexive Positionen aktuellen afrikanischen Designs.
Sie heißen Caribbean Sun oder American Grill, die Brillenskulpturen des kenianischen Künstlers Cyrus Kabiru. Die futuristischen Sehgeräte empfangen die Besucher der Ausstellung Making Africa. Sie können als Symbol für einen neuen Blick auf Afrika stehen und ebenso als Metapher für unsere Klischees über den Kontinent, die so viel schwerer abzulegen sind als eine Brille.
Cyrus Kabiru „Caribbean Sun”, 2012, Aufnahme aus der „C-Stunners” Fotografie-Serie | © Carl de Souza/AFP/Getty Images
Afrika ist groß – und ebenso groß ist die Diversität seines Designs, seiner Kunst und seiner Kreativität. Die passt in kein Museum. Allenfalls in einen Kontinent, dessen immense geografische Dimensionen der Künstler Kai Krause mit einer Infografik in seiner Arbeit The True Size of Africa dem Besucher vor Augen führt. In den Umrissen des Kontinents haben die USA, Indien, China und noch ein paar weitere europäische Staaten Platz. Kuratorin Amelie Klein, unterstützt von Okwui Enwezor, dem Direktor des Hauses der Kunst in München und künstlerischer Leiter der 54. Kunstbiennale in Venedig, verbrachte zwei Jahre mit intensiver Recherche. Eine Auswahl treffen zu müssen, war frustrierend. „Im Konzept war von Anfang an klar, dass es keine Ausstellung über ‚das afrikanische Design‛ sein wird, nicht einmal eine Ausstellung über ‚das beste afrikanische Design‛ – das ist einfach unmöglich“, kommentiert Klein. „Was uns interessierte, war die Frage: Wie kann und soll Design den globalen Wandel begleiten und fördern?“
Von Afrika lernen
Ressourcenknappheit neu betrachtet
Zum Beispiel die großformatigen Wandteppiche von El Anatsui aus Ghana: Sie bestehen zum größten Teil aus gebrauchten Aluminium-Schraubverschlüssen und werden auf dem internationalen Kunstmarkt für eine Million US-Dollar gehandelt. Diese filigranen Kunstwerke sind nicht unter dem Begriff des Recyclings zu verbuchen, der in Europa noch immer den negativen Beigeschmack von Müll hat. Viel besser trifft das Sampling die Arbeitsweise, in der es darum geht, Materialien neu zu erkennen und umzufunktionieren. So erschafft Amadou Fatoumata Ba aus abgenutzten Autoreifen einzigartige Gebrauchsmöbel und Skulpturen und Cheick Diallo fertigt wundervolle Sessel aus umflochtenem Fischereidraht. Aus natürlichem Material baut Porky Hefer Sitzgelegenheiten und Architekt Francis Kéré realisiert das Centre de l`Architecture en Terre, ein Besucherzentrum in Mali, mit traditionellen und nachhaltigen Techniken wie dem Lehmbau.Informalität und boomende Städte

Smarte dezentrale Lösungen
Technologisch hochinteressante Innovationen kommen zum großen Teil aus Kenia. Beispielsweise der Geldtransferdienst M-Pesa. Mit ihm wird vieles möglich, wie bargeldlos einzukaufen oder Überweisungen zu tätigen – ganz einfach per SMS. Etwa 12,2 Millionen Personen in Kenia nutzen diesen Dienst, für den man kein reguläres Bankkonto besitzen muss. M-Pesa funktioniert mittlerweile schon in Tansania, Südafrika, Afghanistan, Indien und Rumänien. Dezentral arbeitet auch die von Bloggern und Programmierern entwickelte Plattform für Bürgerjournalismus Ushahidi. Sie sammelt und verbreitet Augenzeugenberichte von gewaltsamen Ereignissen in Krisenregionen und mittlerweile für alle Lebensbereiche, die per SMS oder Email gepostet werden. Ushahidi entwickelte auch BRCK, ein mobiles WiFi-Gerät, das ganz einfach mit einer SIM-Karte und Sonnenenergie funktioniert.Fragen stellen

Reflexives Modedesign

Ob in Stoffkreationen oder Stadtgestaltung – Making Africa wirft nicht nur neues Licht auf proaktives afrikanisches Design, sondern hinterfragt auch vorgefasste Meinungen. In den Umbruchzeiten des 21. Jahrhunderts können wir viel von Afrika lernen – wir müssen nur die Brille absetzen.
Ein umfangreicher Katalog mit einem ausführlichen Objektverzeichnis aller gezeigten Werke und weiterführenden Beiträgen begleitet die Ausstellung, die ab 2015 für 3 bis 5 Jahre auf Tournee sein wird.