Wirtschaftsmagazin „Brand eins“
„Manche ökonomischen Wahrheiten sind eher banal!“

Gabriele Fischer
Gabriele Fischer | Foto (Ausschnitt): Frank Siemer, © brand eins

„Brand eins“ wurde 1999 von einem Team um Gabriele Fischer ins Leben gerufen. Dazu stießen Investoren, ein Verlag wurde gegründet, die Brand eins Medien AG, die bis heute zu keinem der großen Verlagshäuser Deutschlands gehört. Chefredakteurin Gabriele Fischer sprach mit uns über das Erfolgsrezept ihres Magazins und darüber, was guten Wirtschaftsjournalismus heute ausmacht.

Frau Fischer, andere Wirtschaftsblätter machen dicht, Sie machen Auflage. Wie funktioniert das?

Vielleicht merken die Leser, dass wir Spaß an der Arbeit haben. Sie können sich mit den Menschen identifizieren, die wir porträtieren und auch mit denen, die für das Magazin schreiben. Wir verkaufen knapp 100.000 Hefte im Monat, im vergangenen Jahr ist das Geschäft am Kiosk sogar um drei Prozent gewachsen. Das ist ungewöhnlich in Zeiten rückläufiger Auflagen. Man sieht also: Leser geben ihr Geld gern aus, wenn sie ein Magazin in die Hand bekommen, das etwas wert ist.

Wirtschaft an Menschen deutlich machen – ist das ihr Erfolgsrezept?

Das ist ein Teil davon. Bei dem Themenheft Das gute Leben lag es nahe, viele Menschen zu porträtieren, weil es ja keine einheitliche Definition dafür gibt, was gutes Leben ist. Beim Thema Grenzen haben wir andere Zugänge gesucht. Aber unsere Leitlinie ist das schon: Wirtschaft wird von Menschen gemacht.

„Unser Ziel ist es, Wirtschaft verständlich zu machen“

Was macht guten Wirtschaftsjournalismus aus?

Wir suchen nach Veränderungen, wir wollen den Prozess der sich weiterentwickelnden Gesellschaft beobachten und analysieren. Die Suche nach Ideen, Hintergründen, Entwicklungen – das treibt uns an. Wir sind kein Finanzmagazin, das Börsenanalysen bringt, oder Tipps für Geldanlagen. Unser Ziel ist es, Wirtschaft verständlich zu machen.

Jedes Heft hat einen thematischen Schwerpunkt wie Arbeit, Marken, Grenzen oder sogar Liebe und Kunst. Wie kommen Sie auf diese Themen?

Am Ende des Jahres setzt sich die Redaktion zusammen und überlegt, welche Themen im kommenden Jahr interessant sein könnten. Was wir dann planen, ist für uns so etwas wie ein Rückhalt, doch dann kommt es immer wieder anders. Generell legen wir die Schwerpunktthemen bewusst breit an, so bekommen die Hefte eine Leitlinie, an der entlang wir frei assoziieren können.

Aber über die Ursachen der Finanz- und später der Eurokrise liest man bei Ihnen nicht so viel …

Manche Wahrheiten in der Ökonomie sind eher banal, die muss man nicht ständig wiederholen. Wir wissen, dass wir seit den 1970er-Jahren über unsere Verhältnisse gelebt und die Staaten zu viele Schulden aufgehäuft haben – das ist eines der größten Probleme. Und nun müssen wir einen Weg finden, trotzdem voran zu kommen. Das ist unser Thema. Fest steht: In und für Europa gibt es keine einfachen Lösungen.

Argentinien war doch auch mal pleite und hat es wieder geschafft.

Einer der Unterschiede ist, dass Argentinien allein stand und durch eine bitter harte Zeit gehen musste. Europa ist eine Gemeinschaft und damit geht es nicht nur um Griechenland, Zypern oder Italien: Alle europäischen Politiker haben Angst, dass die ganze Eurozone an Vertrauen verliert, dass Europa noch weiter hinter China und die USA zurückfällt.

„Mehr Geld als Verstand“

Haben die Wirtschaftsjournalisten die Finanzkrise 2008/2009 verschlafen?

Das wird gern behauptet – aber wer lesen wollte, konnte auch schon vor 2009 zahlreiche kritische Beiträge in diversen Wirtschaftsmedien lesen. Wir haben zum Beispiel im März 2006 einen Schwerpunkt zum Kapitalismus gemacht: „Mehr Geld als Verstand“. Aber in den Jahren zwischen 2000 und 2007 ging es in der Wirtschaftspresse vor allem darum: Wie werde ich schnell reich? Man wollte nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Blase auch platzen kann. Das war wie im Rausch – man wollte nichts vom Kater danach hören.

Welche Rolle spielt bei Ihnen das Thema Ökologie oder – um das Modewort zu nennen – „Nachhaltigkeit“?

Das Wort mag ich überhaupt nicht, weil es nichts aussagt. Ökologische Fragen sind oft ideologisch aufgeladen und auf Ideologien reagieren wir allergisch. Meiner Überzeugung nach gehört zum guten Wirtschaften, pfleglich mit den Menschen und der Umwelt umzugehen. Wirtschaft funktioniert nur dann gut, wenn sie auch auf die Ressourcen achtet. Gleichzeitig schadet es nicht, wenn sich Umweltschützer auf Marktwirtschaft einlassen. Wir haben im September 2002 einen Schwerpunkt zum Öko-Kapitalismus gemacht: „Die letzte Rettung für die Umwelt“. These war damals, dass es klüger ist, sich mit Unternehmern zu verbünden als mit Politikern. Das ist inzwischen ein gängiger Weg.

Wer sind Ihre Leser, wie schätzen Sie sie ein?

Die Mehrheit ist zwischen 29 und 49 Jahre alt, aber Brand eins wird genauso von 16-Jährigen gelesen wie von 80-Jährigen. Um die 40 Prozent sind Frauen – das ist für ein Wirtschaftsmagazin beachtlich. Und wir haben auf Facebook rund 47.000 Follower. Von vielen Kontakten mit Lesern wissen wir: Sie sind offen für Veränderungen und lassen sich nicht so schnell aus der Fassung bringen.

Liegt das an einer weiblichen Chefredakteurin, dass Sie von Frauen gerne gelesen werden?

Ich hoffe nicht. Für mich ist die ganze Frauendebatte ein Thema der 1990er-Jahre. Und wichtiger als der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten ist für mich die Frage, wie Organisationen funktionieren und wie sie die vielen neuen Bedürfnisse und Ansprüche erfüllen können. Wir sind auf einem aufregenden Weg in eine noch unbekannte Zukunft und haben noch eine Menge Herausforderungen zu bestehen. Dafür brauchen wir alle Menschen die zur Veränderung bereit sind – ob sie nun Frauen sind oder Männer.