Quint Buchholz
„Meine Bilder wollen nicht überwältigen“

Quint Buchholz; © Emil Rothweiler
Quint Buchholz | Foto (Ausschnitt): © Emil Rothweiler

Seit über 20 Jahren illustriert der Maler Quint Buchholz auch Bücher für Kinder. Im Gespräch erklärt er, welche Kraft Bilder haben und warum sie viel Zeit und Ruhe brauchen – nicht nur beim Schaffensprozess, sondern auch beim Betrachten.

Herr Buchholz, warum ist das Malen für Kinderbücher für Sie besonders schön?

Bilder und Geschichten prägen von Anfang an unsere Vorstellungskraft, unsere Träume, unser Sehnen, unsere Fantasie in einem unendlich großen Raum, den wir im Allgemeinen nicht der Realität zurechnen, obwohl er einen immens wichtigen Teil unseres Seins ausmacht. Dafür zu arbeiten und sich mit und in diesem Raum zu beschäftigen, ist ein Geschenk und ungemein interessant und bunt dazu.

Quint Buchholz: Die große Langsamkeit Quint Buchholz: Die große Langsamkeit | © Quint Buchholz Sie haben als Kind oft gemalt, wenn Ihnen langweilig war. Warum malen Sie heute?

Darauf gibt es verschiedene Antworten: zum Beispiel, um malend etwas von der Welt und mir selbst zu entdecken und zu begreifen. Manchmal auch, um von einer Schönheit zu erzählen, die uns immer mehr abhandenkommt. Ich male natürlich auch, weil ich meine Bilder nur malen kann – nicht sprechen, nicht aufschreiben, nicht tanzen, nicht geigen.

Ihre Bilder strahlen eine magische Stille aus. Wie passt das zur Welt der Kinder von heute?

Meine Bilder haben sicherlich nicht allen Kindern etwas zu sagen, das ginge ja auch gar nicht. Manche finden sie richtiggehend langweilig, was auch in einer Gewöhnung an die Reizfrequenz moderner Medien begründet sein mag.

Quint Buchholz: „O.T. Mann und Kuh mit Masken“ Quint Buchholz: „O.T. Mann und Kuh mit Masken“ | © Quint Buchholz Ich glaube aber, dass es gerade in dieser oft so lauten und schnellen und uns mit Eindrücken und Informationen überflutenden Welt auch weiterhin diese anderen Orte geben muss: Räume der Stille, der Verlangsamung für die oft rastlos umherwandernden Gedanken. Gedankenräume, in denen nichts an einem zerrt. Meine Bilder wollen nicht überwältigen oder ein bestimmtes Erleben erzwingen. Ich hoffe, man kann in ihnen einfach nur sein oder sich eine Weile in Ruhe einer Idee hingeben. Was schwer genug ist.

Sie leiten auch Workshops zum Thema Illustration. Was versuchen Sie den Teilnehmern zu vermitteln?

Man muss neugierig sein auf eine lange Entdeckungsreise. Und nicht gleich zu viel zu wollen. Ein Bilderbuch entsteht nur selten in ein paar Wochen, auch wenn viele Workshop-Teilnehmer das gerne hätten.

Zeit braucht man aber nicht nur zum Malen und zum Entwerfen einer ganzen Buchkonzeption. Man braucht sie vor allem, um herauszufinden, was man zu sagen hat. Es lohnt sich, viel Zeit und Kraft auf den Versuch zu verwenden, das ganz Besondere, Eigene zu entdecken und herauszuarbeiten. Das, was nur man selbst weiß und was nur man selbst so erzählen kann.

Im Herbst 2012 erscheint Ihr Buch „Quints Tierleben“. Welche Rolle spielen Tiere in Ihren Bildern?

Quint Buchholz: „Quints Tierleben“ Quint Buchholz: „Quints Tierleben“ | © Quint Buchholz Auf meinen Bildern sind sie immer weniger Platzhalter oder Stellvertreter für bestimmte menschliche Zustände oder Gefühle, dafür immer mehr diese sehr eigenständigen Gefährten: seltsame, uns oft sehr ähnliche und dann wieder sehr entfernte Verwandte. Und nur weil sie der Menschensprache unkundig sind, meinen wir, die allermeisten von ihnen mit so unendlich viel Respektlosigkeit, Achtlosigkeit, Grausamkeit und Häme behandeln zu dürfen. Quints Tierleben versucht, einen anderen, fragenden Blick auf das zu werfen, was Tiere für uns bedeuten.

Wie entstehen Ihre Illustrationen?

Seit einigen Jahren male ich die meisten meiner Bilder mit Acrylfarben und unterschiedlichen Pinseln auf Aquarellkarton oder auf Leinwand. Ich bereite meine Bilder lange vor, ich versuche möglichst viel zu wissen oder vor mir zu haben in Form von Skizzen, Fotos oder Modellen, Aufbauten im Atelier, wenn ich mit der Arbeit am Original beginne. Und dann dauert ein Bild möglichst so lange, wie es eben dauert. Schnelligkeit ist kein Kriterium, das mich beim Malen interessiert.

Wann sind Ihre Bilder für Sie fertig?

Quint Buchholz: „Die Wächter“ Quint Buchholz: „Die Wächter“ | © Quint Buchholz Der tschechische Dichter Jan Skácel hat einmal gesagt, dass der Dichter ein Gedicht nicht beendet, sondern es verlässt. So ist es bei Bildern auch. Natürlich suche ich diesen Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr weiß, was ich mit meinem gegenwärtigen Wissen und meinen vorhandenen Fähigkeiten an einem Bild noch besser machen könnte. Das wäre meine Definition, nur für mich und meinen Arbeitsprozess. Ich versuche, mir alle Zeit zu lassen, um zu diesem Punkt zu gelangen.

Sie sind nicht nur Illustrator, sondern mit „Schlaf gut, kleiner Bär“ (1993) und „Der Sammler der Augenblicke“ (1997) auch Autor von Kinderbüchern. Fühlen Sie sich in dieser Doppelfunktion besonders wohl?

Das wechselt. Ich habe auch deshalb angefangen zu schreiben, um Szenerien für bestimmte Bilder in einem Buch zu ermöglichen. Aber so ein Projekt entwickelt dann schnell eine eigene Kraft, die einen möglicherweise ganz woandershin führt. Bei Schlaf gut, kleiner Bär waren am Ende völlig andere Bilder im Buch als die, wegen denen ich das Projekt ursprünglich begonnen hatte. Da ist es manchmal einfacher oder überschaubarer, mit einem fertigen Text eines Autors zu arbeiten, der dann so ist wie er ist und gleichzeitig Halt und Reibungsfläche für die Entwicklung der eigenen Bilder bietet. Sofern es der richtige Text ist.

„Quints Tierleben“: Quint Buchholz über seine Arbeit am Buch und die Würde der Tiere (Youtube)