Frankfurter Buchmesse 2012
Lauschen, lesen, lernen

Der neuseeländischen Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse 2012; Foto: Gesa Husemann
Der neuseeländischen Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse 2012 | Foto (Ausschnitt): Gesa Husemann

Neuseeland war einer der Schwerpunkte der Frankfurter Buchmesse vom 10. bis zum 14. Oktober 2012. Doch es gab noch zahlreiche andere. Was spielte sich auf den Messebühnen und um sie herum ab?

„The sweet potato does not say how sweet it is“ – so metaphorisch beschrieb Bill Manhire die Understatement-Qualitäten Neuseelands und seiner Bewohner auf der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse. Neuseeland war 2012 Gastland und Manhire ist eine tragende Figur in der neuseeländischen Literaturlandschaft, nicht nur als Dichter sondern auch als Direktor des International Institute of Modern Letters, das sich der Förderung neuseeländischer Gegenwartsliteratur verschrieben hat. Im landeseigenen Pavillon spiegelte sich das von ihm proklamierte neuseeländische Understatement. Geradlinig, schnörkellos, konsequent minimalistisch war er und das Motto „while you were sleeping“ setzte er in seiner komplett schwarzen, lichtundurchdringlichen Auskleidung bestens um.

Der klare Schwerpunkt des Gastlandauftrittes, der sich vor allem in den Live-Performances ausdrückte, lag wie angekündigt auf der Maori-Kultur – sie hatte hier ihre Bühne, war Gegenstand der Show, die sich großteilig auf den zentralen, raumhohen Leinwänden abspielte. Neuseeland präsentierte sich multimedial, Bücher hingen nur unauffällig in kleiner Zahl fast versteckt hinter den Leinwandrücken – ein Statement dazu, dass das Buch als Medium literarischer Kommunikation abgelöst ist? Die gedruckte neuseeländische Literaturgeschichte, die in ihren Anfängen fast ausschließlich von „Pakeha“, den weißen Einwanderern, geprägt war, fand wegen des Maori-Schwerpunktes kaum Ausdruck. Lange dominierte die Pakeha-Literatur den neuseeländischen Kanon, nun gehört die Bühne anderen Protagonisten. Dennoch: Große Namen wie Allen Curnow, Frank Sargeson, Janet Frame oder Katherine Mansfield fanden bei den Veranstaltungen mit der neueren Autorengeneration, die auf der Messe mit 70 Autoren gut vertreten war, Erwähnung.

Neueste deutsche Gegenwartsliteratur in rasantem Tempo

Aber natürlich ging es bei dieser Messe um weit mehr als nur das Gastland. Auf den Messebühnen zeigte in rasend schneller Abfolge die neueste deutschsprachige Gegenwartsliteratur ihre Gesichter. Autoren wie Sybille Berg, Jenny Erpenbeck, Stephan Thome, Ulf Erdmann Ziegler oder Wolf Haas präsentierten ihre diesjährigen Neuerscheinungen beim Blauen Sofa von ZDF und Deutschlandradio Kultur, bei 3sat liest, beim ARD Forum oder auf der Bühne der FAZ. Die Ruhe, dem Gespräch zwischen Moderator und Autor die volle halbe Stunde lang zu folgen, fanden im stetig tosenden Messegewusel nicht alle, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.

Der Weltempfang – Inhalt statt Starfaktor

So verhielt es sich glücklicherweise nicht überall. Der Weltempfang – Zentrum für Politik, Literatur und Übersetzung, den Messedirektor Jürgen Boos bei seiner Eröffnung als „Herz der Messe“ bezeichnete, entpuppte sich als wahrer Ort der Entschleunigung im Messetrubel. Vier Tage lang näherte sich die Bühne in Halle 5 mit verschiedenen Veranstaltungen vor allem Afrika an. Beim Weltempfang soll es um Austausch und Vielstimmigkeit gehen – der „Starfaktor“ ist hier nicht entscheidend, betont Jürgen Boos bei der Eröffnung. Angelegt waren die internationalen Diskussionsrunden auf eine volle Stunde und gaben so Raum für fundierte Themendiskussionen, die sich zum Beispiel um Verlagswesen und E-Publishing in Subsahara-Afrika drehten, um Kultur nach der Teilung in der Krisenregion Sudan, um Kunst und Kultur im postrevolutionären Ägypten oder um den Stand der türkischen Literatur in Deutschland. Das Publikum dieser Diskussionsrunden verhielt sich eher ungewöhnlich für eine Messe. Es war ein stetes Publikum, gekommen, um nicht gleich wieder zu gehen. Dafür wurde es belohnt mit Gästen, die aus erster Hand von Situationen wie den Umbrüchen in Ägypten erzählten und ganz persönliche Erfahrungen und Meinungen teilten, wie beispielsweise der ägyptische Autor Khaled Al-Khamissi, der sich zu seiner Position als ewiger Oppositioneller äußerte.

Wie wird in Zukunft publiziert?

Neben Inhalten widmete sich die Frankfurter Buchmesse auch 2012 der Frage der Vermittlung: Wie sollen Inhalte dem Leser zugänglich gemacht werden? War in den vergangenen Jahren das Schlagwort E-Book omnipräsent, hörte man jetzt ein anderes Zauberwort: Selfpublishing. In den Diskussionsrunden wurde Selfpublishing ambivalent betrachtet, zum einen als Chance für Autoren, selbstbestimmt und mit größerer Gewinnbeteiligung zu publizieren, zum anderen als Geschäft, bei dem der Autor nicht selten sein selbst investiertes Geld verliert und erfolglos bleibt. Das prognostische Ergebnis der Diskussionen deckte sich mit dem der E-Book-Kontroversen: Wie auch das gedruckte Buch nicht vollständig vom E-Book ersetzt werden wird, wird auch Selfpublishing nicht die etablierten Verlage ersetzen. Es ist nur als Ergänzung zu sehen, und oft ist der Wechsel zu einem angesehenen Verlag ohnehin das Ziel der selbstpublizierenden Autoren.

2013 wird es in Frankfurt vor allem um Brasilien gehen. „Ich bin nicht hier, um euch etwas zu erklären, sondern um euch zu verwirren“ – das wird das Motto sein, nach dem der brasilianische Pavillon im nächsten Jahr gestaltet werden soll. Man darf gespannt sein und hoffen, dass die Messe auch im nächsten Jahr wieder die 280.000 Besucher-Marke überschreitet.