Gastland Deutschland
„Messen bringen die Menschen zusammen“
Tobias Voss leitet den Bereich Internationale Märkte der Frankfurter Buchmesse und organisiert zahlreiche Auslandsauftritte. Ein Gespräch über deutsche Literatur im Ausland, Lizenzgeschäfte und Deutschlands Gastauftritt bei der Buchmesse in Brasilien 2013.
Tobias Voss leitet den Bereich Internationale Märkte der Frankfurter Buchmesse | © Frankfurter Buchmesse/A. Heimann
Herr Voss, mit welchem Anliegen organisieren Sie einen Messeauftritt im Ausland?
Wir sind mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amts auf den wichtigsten internationalen Buchmessen der Welt vertreten, jährlich sind das etwa 15 bis 20. Auf der einen Seite repräsentieren wir als Frankfurter Buchmesse den ökonomischen Teil des Buchbetriebs. Wer sich für den internationalen Buchmarkt interessiert, kennt uns als die wichtigste Buchmesse weltweit. Zum anderen ist es uns sehr wichtig, auch kultur- und bildungspolitische Aspekte des Buchmarkts unter dem Motto Bücher aus Deutschland vor- und auszustellen. Neben den Präsentationen am Stand organisieren wir messebegleitend Fachveranstaltungen. So bringen wir beispielsweise 2013 in Rio de Janeiro deutsche Verlagsmitarbeiter bei Match-Making-Treffen in Kontakt mit ihren ausländischen Kollegen. Wenn im Land Bedarf besteht, führen wir auch Veranstaltungen zu Themen wie Herstellung, Marketing oder zum Rechte- und Lizenzhandel durch.
Deutschland ist 2013 Gastland auf der Buchmesse Brasilien. Wie sieht so ein Auftritt genau aus?
Für das Gastland fällt ein Auftritt größer und schöner aus als eine normale Messebeteiligung. In Rio haben wir eine Standfläche von 400 Quadratmetern, wovon eine Hälfte vom Goethe-Institut für die Ausstellung Deutschland für Anfänger genutzt wird. In dem anderen Teil zeigen wir Buchkollektionen, Verlagspräsentationen, eine Bühne für Veranstaltungen wird es auch geben. Es muss immer etwas los sein, damit wir eine nachhaltige Wirkung erzielen. Wir laden dazu ein, das Areal zu betreten, die Bücher in die Hand zu nehmen und zu verweilen. Außerdem sind Kollegen am Stand, die Fragen beantworten.
Risikobereitschaft unterstützen
Welche Autoren stellen Sie im Ausland vor, eher die unbekannten oder die etablierten?
Das Goethe-Institut ist einer unserer wichtigsten Partner, unsere Zusammenarbeit ist seit Jahren sogar vertraglich geregelt. Bei gemeinsamen Auftritten übernimmt oft das Goethe-Institut im jeweiligen Land den literarischen Teil. Für Rio haben wir gemeinsam etwa zehn Autorinnen und Autoren ausgesucht. Unter ihnen sind namhafte Autoren wie Ilija Trojanow und Wladimir Kaminer. Carmen Stephan, die Autorin von Brasilia Stories und Mal Aria wird dabei sein, sie hat auch in Brasilien gelebt und ist entsprechend landesaffin. Oder Olga Grjasnowa. Von ihr stammt Der Russe ist einer der Birken liebt, sie war für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012 nominiert.
Die konkrete Zusammensetzung der Delegation ergibt sich daraus, welcher Autor einen Bezug zum Land oder zur Region hat. Vielleicht spricht er sogar die Landessprache. Außerdem ist wichtig, wer gerade in die jeweilige Landessprache übersetzt wurde. Ausländische Verlage gehen mit Übersetzungen oft ein Risiko ein. Aufgrund der Mehrkosten fällt das Marketingbudget dann bescheidener aus. Einen Autor selbst ins Land zu holen, können sich viele Verlage daher nicht leisten. Bringen wir den deutschen Autoren mit, kann der Verlag die Auftritte als Marketing-Instrumente nutzen. Mit der Einladung unterstützen wir die Risikobereitschaft zur Übersetzung bei ausländischen Verlagen.
Vielfalt der Meinungen
Welche Bücher haben Sie noch im Gepäck?
Wir stellen jedes Jahr neue Buchkollektionen zusammen. Darunter ist immer eine literarische Kollektion, die sich am Deutschen Buchpreis orientiert. Eine andere Kollektion – 2013 heißt sie Urbanität leben – befasst sich gezielt mit einem gesellschaftlich relevanten Thema. Die Darstellung der Vielfalt der Meinungen und einer lebendigen Diskussionskultur in Deutschland liegt uns sehr am Herzen. Außerdem nehmen wir bei der Zusammenstellung Rücksicht auf die Verhältnisse im jeweiligen Land. In Brasilien beispielsweise wird nicht so viel Deutsch gesprochen, dass es sich lohnen würde, die komplette literarische Kollektion mitzunehmen. Stattdessen setzen wir auf unsere Kinderbuch- und Graphic-Novels-Kollektionen: Sie sind leichter verständlich und sprechen ein breiteres Publikum an.
Wie kommt die Auswahl der Verlage für Messeauftritte im Ausland zustande?
Generell laden wir alle Verlage zur Teilnahme am Messeauftritt ein. Unser Verteiler umfasst über 2.000 Adressen, darunter sind die etwa 200 bis 250 Verlage, die regelmäßig viele Lizenzen ins Ausland verkaufen. Dann gibt es um die 500 Verlage, die immer mal wieder eine Lizenz verkaufen. Bei einem Gastlandauftritt erhält die deutsche Buchproduktion eine ganz besonders große Aufmerksamkeit, was auch bei den Verlagsbeteiligungen eine stärkere Reaktion auslöst. Einige Verlage reisen mit Mitarbeitern zur Messe an, um Termine wahrzunehmen, Lizenzen zu verkaufen und sich einen persönlichen Eindruck vom Buchmarkt zu verschaffen. Eines gilt für alle Messen: Die Buchbranche funktioniert nach wie vor über den direkten Kontakt der Branchenteilnehmer. Deswegen sind Messen so wichtig, sie bringen die Menschen zusammen.
Welche Strategien verfolgen deutsche Verlage bei ihren Messeauftritten im Ausland?
Die deutschen Verlage beurteilen ihre Chancen auf dem jeweiligen Markt nach eigenen Erfahrungen und ihren strategischen Vorgaben. Verlagsstrategien für die jeweiligen Länder sind vielschichtig und von Verlag zu Verlag verschieden. Nach Brasilien werden jährlich immerhin etwa 150 deutsche Lizenzen verkauft. Wir werden zum Beispiel eine Reihe von Kinderbuchverlagen am Stand haben. Lizenzen von Kinderbüchern verkaufen sich sehr gut ins Ausland und sind echte Wegbereiter.
Orientieren sich deutsche Verlage auch an internationalen Trends?
Trends spielen immer eine wichtige Rolle. Sie früh zu erkennen, bietet große Chancen, bleibt aber auch riskant: Auf die Fantasiewelle sind beispielsweise viele Verlage aufgesprungen. Bis aber ein Buch geschrieben oder übersetzt ist, kann der Hype schon wieder vorbei sein.