Romantik
Die Musik der Romantik in Deutschland
Schumann, Brahms, Mendelssohn, Wagner und Mahler zählen zu den wichtigsten Vertretern der musikalischen Epoche der Romantik. Die Werke dieser Komponisten prägen bis heute das Repertoire.

Zu den Vorbedingungen für die Geistesbewegung der Romantik gehörte das Erstarken des Bildungsbürgertums, die Welle naturwissenschaftlicher Neuentdeckungen und die beginnende Industrialisierung sowie die staatspolitischen Umwälzungen in der Folge der französischen Revolution von 1789, der Feldzüge und der Besatzungspolitik Napoleons. Um die Jahrhundertwende verband sich die Erfahrung, in einer erschütterten, fremdbestimmten Zeit zu leben, mit der Sehnsucht danach, ein intaktes Weltgefühl zumindest im Paralleluniversum der Kunst vorzufinden. Die Kommunikation über Musik, wie sie in den ersten Dezennien des Jahrhunderts auf der Grundlage neuer Zeitschriften möglich wurde, die rege hausmusikalische Betätigung oder die Teilhabe am Laienchorwesen waren bereits späte, pragmatisch gewordene Vehikel für die vielzitierte romantische Weltflucht, die sich ursprünglich weitaus esoterischer gegeben hatte.
Auflösung und Entgrenzung
Nur allmählich also sickerte romantisches Ideengut um 1800 in Musikästhetik und kompositorische Praxis ein. Präzise ließe sich andererseits mit Beethovens und Schuberts Tod 1827 und 1828 zumindest historiographisch das Zeitalter der Klassik beenden. Allerdings wären beide auch für die Romantik zu vereinnahmen, Beethoven wegen seiner prototypischen Bedeutung als heroischer Künstler, Schubert wegen seines reichen Schaffens in einer genuin romantischen Gattung, dem Kunstlied. Ganz ähnlich kam es mit dem Tod von Protagonisten der Hochromantik zu einer Epochenzäsur um die Jahrhundertmitte; Robert Schumann starb 1856, wenige Jahre, nachdem er dem jungen Johannes Brahms in der Neuen Zeitschrift für Musik eine glänzende Laufbahn vorausgesagt hatte, Felix Mendelssohn Bartholdy starb 1847, Frédéric Chopin 1849. Die Jahrzehnte danach gehören bereits zur Spätromantik, mit Richard Wagner, Anton Bruckner oder Gustav Mahler als wichtigen Vertretern.Während die literarische Romantik schon ab 1830 als anachronistisch galt, konnte die musikalische Romantik demnach bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein wirken. Eine starke Betonung gefühlsästhetischer Aspekte gehörte von Anfang an dazu und zeichnete mit verantwortlich für die formalen Paradigmenwechsel gegenüber der Musik der Klassik. Die Musik der Romantik lebt von harmonischen Freiheiten, von Klangfarbenausweitung, ironischen Brüchen oder dem plötzlichen Wechsel von Gestaltungsprinzipien, von der Auflösung festgefügter Formen überhaupt, spürbar etwa in diffusen Anfängen und offenen Schlüssen. Das Prinzip der Entgrenzung findet sich auch in der Hinwendung zum Übernatürlichen – beispielhaft in Schuberts Ballade "Erlkönig" von 1816 – oder im Interesse an der Kunst vergangener Jahrhunderte, zumal eines mehr fiktiven denn real erforschten Mittelalters. Einflüsse der Beschäftigung mit der Vergangenheit sind durch die ganze Epoche hindurch zu spüren, von Mendelssohn Bartholdys Wiederaufführung der Bachschen Matthäus-Passion 1829 in Berlin bis zur Textvorlage von Wagners Ring des Nibelungen (Uraufführung 1876 in Bayreuth), von der kirchenmusikalischen Restaurationsbewegung des Cäcilianismus bis hin zu Brahms' zahlreichen Volksliedbearbeitungen.
Typisch für die romantische Musikanschauung ist aber auch die Öffnung hin zu den anderen Künsten, die nicht nur zu einer rasanten Entwicklung des Klavierliedes führte, sondern auch zu einem neuen Umgang mit programmusikalischen Verfahren, angedeutet schon in den Charakterstücken Schumanns oder Chopins, offen dann vor allem auf dem Feld der symphonischen Dichtung (Liszts Hamlet, Richard Strauss' Till Eulenspiegels lustige Streiche). Freilich schien das Phänomen der Programmusik die frühromantische Überzeugung zu konterkarieren, dass Musik jenseits der Schranken gegenständlicher Begrifflichkeit agiere und an Aussagekraft der Wortsprache sogar überlegen sei. Bereits 1853 formulierte der Wiener Musikschriftsteller Eduard Hanslick, dass Inhalt und Gegenstand der Musik allein "tönend bewegte Formen" seien. In der Folge der Diskussionen über die Vorrangstellung der sogenannten absoluten Musik kam es in der zweiten Jahrhunderthälfte zur Bildung zweier Parteien, für die einerseits Brahms und Hanslick standen, andererseits – als Vertreter einer "Neudeutschen Schule" – Liszt oder Wagner, dessen Idee des "Gesamtkunstwerks" eine von außermusikalischen Inhalten freie Tonkunst geradezu defizitär erscheinen ließ.
Aufschwung des Starwesens
Auch das Ausgreifen in extreme Gattungs- und Ensembleformate ist typisch für das 19. Jahrhundert. Den Miniaturen der Frühromantiker standen gegen Ende des Jahrhunderts Bruckners oder Mahlers monumentale symphonische Werke in riesiger Besetzung gegenüber. Für eine Erweiterung der Möglichkeiten sorgten aber auch Fortschritte auf dem Gebiet des Instrumentenbaus, vor allem im Klavierbau. Von diesen Entwicklungen profitierte zum Beispiel Franz Liszt, der neben Niccòlo Paganini, der schwedischen Sopranistin Jenny Lind oder Clara Schumann, geb. Wieck, zu den herausragenden Virtuosen der Zeit gehörte. Das sich etablierende Konzertleben wiederum zehrte vom Aufschwung des Starwesens, dem Bau neuer Konzerthäuser oder der Gründung von Symphonieorchestern – 1882 formierten sich die Berliner Philharmoniker, 1893 die Münchner Philharmoniker. Bereits um 1870 war das den symphonischen Werken gleichsam zugehörige Bildungswissen durch Musikvermittler wie Hermann Kretzschmar festgelegt und die Kanonisierung des symphonischen Repertoires auf eine Weise in die Wege geleitet, die bis in unsere Zeit hinein Wirkung zeigen sollte.Vor allem die Ausreizung der Möglichkeiten des tonalen Systems durch Wagner und der verfremdende Umgang mit dem traditionellen Vokabular, wie er bei Mahler anzutreffen ist, führte um die Jahrhundertwende dazu, dass das Fundament der tonalen Musik allmählich ausgehöhlt wurde. Um 1920 entwickelte Arnold Schönberg seine Zwölftonmethode und läutete damit die musikalische Moderne ein.