Konzerthäuser und Festivals
Hier spielt die Musik – Konzerthäuser und Festivals in Deutschland

In Deutschland gibt es zahlreiche Konzerthäuser und Festivals für klassische Musik. Sie alle blicken auf ihre ganz eigene Geschichte zurück. Heute versuchen sie, durch einzigartige Programme das Publikum für sich zu gewinnen.

Grosser Saal, Elbphilharmonie; Grosser Saal, Elbphilharmonie; | Copyright: Herzog & de Meuron Konzerthäuser sind historisch relativ jung. Ihre Entstehung hat mit der späten Anerkennung reiner Instrumentalmusik als Kunstform und dem Erstarken des Bürgertums zu tun. Im 18. Jahrhundert begann man mit der Gründung unabhängiger Konzertvereine oder Philharmonischer Gesellschaften als Träger des städtischen Musiklebens jenseits von Adel und Kirche. So entstand 1743 in Leipzig der Verein "Großes Concert", der 1781 ins alte Gewandhaus zog, eine Messehalle der Woll- und Tuchmacher. Das Ansehen der Institution wuchs, so dass 1884 ein neues Gewandhaus eröffnet wurde, das nun als reiner Konzertort fungierte. Nach dessen Zerstörung im Krieg wurde 1981 das dritte Gewandhaus eröffnet, wiederum als reine Konzerthalle. Nach diesem Beispiel definierten bürgerliche Initiativen im 19. und 20. Jahrhundert bereits bestehende Räume zu Konzertsälen um wie etwa ab 1857 den damals schon vierhundert Jahre alten Gürzenich in Köln, oder sie schufen sich neue Räume wie die Musikhalle in Hamburg, die der Reeder Carl Laeisz zwischen 1904 und 1908 bauen ließ.

Heute gibt es mehr als dreißig reine Konzerthäuser oder Philharmonien in Deutschland, wobei Berlin, Leipzig, Hamburg, München, Stuttgart, das Ruhrgebiet und der Niederrhein die Zentren bilden. Viele Städte nutzen ihre Gebäude zudem als Kongress- und Messezentren oder sogar als Austragungsort von Sportturnieren. Auch bei ausschließlich musikalisch ausgerichteten Bauten sind die Nutzungskonzepte verschieden. Das Festspielhaus Baden-Baden etwa tritt als Veranstalter auf, hat aber keine eigenen Ensembles. Selbst Häuser mit Stammorchestern erwirtschaften in der Regel einen Teil ihrer Einnahmen durch Vermietung an Fremdveranstalter. Darüber hinaus versuchen sie, mit Kammerkonzerten, Lieder- und Klavierabenden ein eigenes Profil als Institution zu entwickeln. Dazu gehören Spezialprogramme für Kinder, für Menschen mit Migrationshintergrund oder für Senioren, verstärkt wird seit einiger Zeit die Bildungsarbeit mit Schülern. Während in den 1990er-Jahren, etwa am Berliner Konzerthaus oder in der Philharmonie, die gesamte Saison unter ein übergreifendes Thema gestellt wurde, geht die Tendenz nun zu mehreren Themen-Inseln oder kleinen Festivals innerhalb eines Jahres.

Neue Häuser, neue Feste

Den etablierten Konzerthäusern erwächst zunehmend Konkurrenz durch alternative Orte wie die einstige Industriehalle "Radialsystem V" am Berliner Ostbahnhof oder die ehemalige Kranfabrik "Kampnagel" in Hamburg, die freien Ensembles ein Podium bieten und ein anderes Publikum ansprechen. Dennoch entstehen weiterhin "klassische" Konzerthäuser, wenn auch mit einigen Problemen einhergehend: so war der Weg bis zur Eröffnung der Elbphilharmonie im Januar 2017 gezeichnet von einer stetigen Steigerung der ursprünglichen Kosten und einem eineinhalbjährigen Baustop, der dann aber durch eine umfangreiche Projektneuordnung zwischen den Architekten, dem Bauherren und der Baufirma zum Guten aufgelöst werden konnte. 

Die Entstehung der Musikfestivals in Deutschland ist eng mit der des Konzertlebens verknüpft, da die städtischen Vereine zu deren frühen Initiatoren zählten. In Frankenhausen und Düsseldorf fanden 1810 die ersten Musikfeste statt. Anfangs stand dabei die Aufführung der Oratorien von Haydn und Händel mit Laienchören im Mittelpunkt. Besondere Bedeutung erlangte ab 1818 das Niederrheinische Musikfest, das wesentlich vom Städtischen Musikverein Düsseldorf getragen wurde. Die heutige Zahl der Musikfestivals in Deutschland lässt sich kaum ermitteln. Nach einer Statistik des Deutschen Musikrates waren allein in den vergangenen 35 Jahren mehr als dreihundert Neugründungen zu verzeichnen. Da es zuvor weitaus weniger Musikfeste gab, dürfte die Gesamtzahl gegenwärtig zwischen drei- und vierhundert Festivals rund um die klassische Musik liegen.

Innerhalb dieser Vielfalt an Festivals lassen sich verschiedene Typen unterscheiden. Komponisten-Festivals sind dem Werk eines Autors gewidmet: das Beethovenfest Bonn, die zahlreichen Bach-Feste, die Brahms-Tage in Baden-Baden. Ortsfestivals können sich, wie die Kasseler Musiktage, der Heidelberger Frühling oder die Dresdner Musikfestspiele, auf Städte beziehen oder auf ganze Regionen wie das Rheingau Musik-Festival und das Schleswig-Holstein Musik Festival. Eine historisch jüngere Erscheinung sind Interpretenfestivals, wo Stammkünstler mit wechselnden Kollegen musizieren: etwa der Pianist Lars Vogt bei seinem Kammermusikfestival "Spannungen" in Heimbach. Manchmal stehen einzelne Instrumente im Mittelpunkt: beim Klavierfestival Ruhr oder bei der Cello-Akademie Kronberg. "Rheinvokal" hat sich ganz der menschlichen Stimme verschrieben, das Musikfest Berlin hingegen lädt jeden September Orchester aus aller Welt ein. Beim Musiksommer des Mitteldeutschen Rundfunks ist es eine Rundfunkanstalt, die Konzerte in die ländlichen Regionen ihres Sendegebiets trägt. Festivals wie die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci verknüpfen die Bindung an den Ort mit übergreifenden Inhalten wie Mythologie und Landschaftsgestaltung.

Die Musik kurbelt den Tourismus an

Ging es bei den Musikfesten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor allem um die Präsentation des Bürgertums als Kulturträger und die Durchsetzung bestimmter Werke, so stehen heute eher wirtschaftliche Überlegungen dahinter: Durch Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten der Festivalgäste versuchen besonders strukturschwache Regionen, die auf den Tourismus angewiesen sind, von der Musik zu profitieren. Nur wenige dramaturgische Festivals wie das Kunstfest Weimar gehen noch von einem ästhetischen Motto oder kulturgeschichtlichen Thema aus. Die Chance, bei Festivals Musik oder Wahrnehmungsformen zu bieten, die von der üblichen Konzertsaison abweichen, wird nicht immer genutzt. Häufig findet man nur die fertigen Jahresprogramme reisender Künstler noch einmal wieder.

Finanziert werden die Veranstaltungen recht unterschiedlich: Orts- und Regionalfestivals erhalten von den Tourismusverbänden, Kommunen und Landesregierungen Unterstützung, häufig auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch überwiegend beziehen die Festivals ihre Mittel von Sponsoren, Kulturstiftungen und privaten Spendern.