Ausbildung
Lernen im Land von Bach, Beethoven und Brahms
Die musikalische Ausbildung in Deutschland stützt sich auf drei Pfeiler: Die Schulen sind für den allgemeinen Musikunterricht zuständig, an privaten und öffentlichen Musikschulen wird Instrumental- und Gesangsunterricht angeboten, und Profimusiker sowie Musikpädagogen erhalten Ihre Ausbildung an den Musikhochschulen.

Anfangs waren diese Musikhochschulen neben den zahlreichen Privatlehrern auch Ausbildungsorte von Laienmusikern, bis um 1920 mit der Gründung der ersten Jugendmusikschulen ein zweites Standbein der musikalischen Bildung entstand. In den 1930er-Jahren wurden den Musikhochschulen auch die Ausbildung von Musiklehrern an staatlichen Gymnasien übertragen, was eine Verstaatlichung und eine zunehmende institutionelle Stabilität der bis dahin vielfach privatrechtlich geführten Musikhochschulen zur Folge hatte. Mit dem schon Ende des 19. Jahrhunderts aufgebauten dritten Element, nämlich dem Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen, war die noch heute geltende Trias in der musikalischen Bildung und Ausbildung gegeben.
Dreigliedrige Ausbildung
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 wurde diese Tradition bestätigt, was sich nicht zuletzt in zahlreichen Neugründungen kommunaler Musikschulen und staatlicher Musikhochschulen ausdrückte. Seitdem sind die allgemein bildenden Schulen für den allgemeinen Musikunterricht zuständig. Instrumental- und Gesangsunterricht wird von den mehr als 900 privaten und öffentlichen Musikschulen erteilt sowie von einer großen Anzahl freiberuflicher Privatlehrer. Die Ausbildung von Profimusikern und -sängern sowie Musikpädagogen erfolgt an den staatlichen und kirchlichen Musikhochschulen. Dieser Dreigliedrigkeit verdankt Deutschland eine höchst kreative Szene der musikalischen Bildung, doch ist diese Struktur auch nicht ohne Tücken. Die Arbeit der Musikschulen dient dem Staat bisweilen als Argument, um seine Anstrengungen für den Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen reduzieren zu können, während sich die Kommunen als die Träger der Musikschulen in finanziell schwierigen Zeiten manchmal fragen, ob diese freiwillige Leistung wirklich erbracht werden muss.Weitgehend losgelöst von dieser bildungspolitischen Auseinandersetzung sind die Musikhochschulen. Neben elf zumeist sehr kleinen kirchlichen Musikhochschulen, die fast ausschließlich Kirchenmusiker ausbilden sowie einigen wenigen Musikhochschulen, die Institute von Universitäten oder Fachhochschulen sind, bilden die 24 selbstständigen staatlichen Musikhochschulen den Kern der Ausbildung von Berufsmusikern und Musikpädagogen. Diese 24 Musikhochschulen, an denen insgesamt etwa 20.000 Studierende immatrikuliert sind, haben sich schon 1950 zur RKM, der "Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen", zusammengeschlossen.
Grundsätzlich unterscheidet man an allen RKM-Musikhochschulen vier Arten von Studiengängen, nämlich musikalisch-künstlerische Studiengänge, musikalisch-pädagogische Studiengänge sowie die Studiengänge Schulmusik und Kirchenmusik. Der Studiengang Schulmusik dient der Ausbildung von Lehrkräften an Gymnasien. Die dortige Lehrtätigkeit umfasst nach deutscher Tradition nicht den Unterricht am Instrument, was sich auch im Curriculum des Studiums niederschlägt. Das Studium der Kirchenmusik bereitet auf eine Berufstätigkeit als Organist und Kantor vor; folglich stehen Orgelspiel und Chorleitung im Mittelpunkt dieses Studiums. Instrumental- und Gesangsunterricht wird über die privaten und öffentlichen Musikschulen sowie über eine große Zahl freiberuflicher Privatlehrer erteilt. Auf eine solche Lehrtätigkeit bereiten die musikalisch-pädagogischen Studiengänge vor, in denen der Instrumental- und Gesangsunterricht einen hohen Stellenwert hat.
Vielfältiger Fächerkanon
Am differenziertesten ist die Ausbildung in den musikalisch-künstlerischen Studiengängen. Dort werden sowohl Orchestermusiker, Kammermusiker und Chorsänger als auch Instrumental- und Gesangssolisten ausgebildet. Der Fächerkanon ist sehr breit; in der Regel sind alle Orchesterinstrumente sowie Klavier, Gitarre und Gesang vertreten. Darüber hinaus gibt es einige Fächer, die nicht an allen Musikhochschulen unterrichtet werden, wie beispielsweise Akkordeon, Alte Musik, Elektronische Musik, Jazz/Pop, künstlerisches Orgelspiel oder Tonmeister. Das Vorhandensein dieser Fächer hängt sehr stark von den örtlichen Gegebenheiten ab. Dies gilt nicht zuletzt auch für die sogenannten Opernschulen, spezielle Einrichtungen an einigen Musikhochschulen, in denen die gesangliche Ausbildung um einen szenischen Unterricht ergänzt wird und für die z.B. eine professionelle Bühne unverzichtbar ist.Neben den auf ein Instrument oder auf die Stimme ausgerichteten Studiengängen, kann man auch die Fächer Dirigieren, Komposition, Musiktheorie, Gehörbildung oder Musikwissenschaft studieren. Da die Musikhochschulen in Deutschland den Universitäten gleichgestellt sind, haben sie in den wissenschaftlichen und vereinzelt auch in den musiktheoretischen Fächern Promotions- und Habilitationsrecht. Mit der Einführung der Bachelor-/Master-Struktur, die an deutschen Musikhochschulen weitgehend problemlos erfolgte, geht eine weitere Differenzierung des Studienangebots einher, die sich an den beruflichen Bedürfnissen orientiert. Diese Fächer reichen beispielsweise von der Elementaren Musikpädagogik für den frühkindlichen Musikunterricht über eine Spezialisierung für Alte oder Neue Musik bis hin zu Instrumentalpädagogik oder Korrepetitionslehre.
Die deutschen Musikhochschulen sind Hochschulen von großer Internationalität. Eine Vielfalt von 40 oder gar 50 Herkunftsstaaten unter den Studierenden ist eher die Regel als die Ausnahme. Verschiedene Befragungen unter den Studierenden haben immer wieder gezeigt, dass es für junge Musiker aus aller Welt von besonderem Reiz ist, ihren Beruf im Land von Bach, Beethoven, Brahms oder Wagner zu erlernen oder doch zumindest zu vervollkommnen. Zudem reizt die einzigartige Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland; in keinem anderen Land der Welt gibt es so viele Opernhäuser und Kulturorchester wie in Deutschland. Das verbessert auch die Chancen, durch Praktikantenplätze oder Aushilfen in Orchestern und Opernchören frühzeitig die Nähe zur Praxis zu finden.
Neue Berufsbilder
Diese Nähe zur Praxis ist deshalb wichtig, weil der Einstieg in den Beruf gerade für Musiker eine große Herausforderung ist. Während der Bedarf an Gymnasialmusiklehrern trotz des Rückgangs der Schülerzahlen weiterhin groß ist, weil der relative Anteil der Gymnasialschüler an der Gesamtschülerzahl steigt, leidet der Arbeitsmarkt der Lehrer an Musikschulen sehr stark unter den Finanzkürzungen der Kommunen und Bundesländer. Besonders angespannt ist der Arbeitsmarkt im Bereich der staatlichen und kommunalen Orchester; hier ist seit Jahren ein besorgniserregender Stellenrückgang zu verzeichnen. Viele Musiker nehmen daher nach Abschluss ihres Studiums eine freiberufliche Tätigkeit auf. Neben zahlreichen Formen solistischer und kammermusikalischer Auftritte gehören zu den so entstehenden Betätigungsfeldern auch sogenannte Freelancer-Orchester, wie sie in fast allen Festivals, aber auch in der Filmbranche eingesetzt werden. Das macht es allerdings erforderlich, dass die Studierenden auch das dafür notwendige Know-how erwerben. Folglich bieten viele Musikhochschulen inzwischen auch Fächer wie Musikvermittlung und Musikmanagement an oder veranstalten über Career Services z.B. Existenzgründungsseminare.Doch bei aller Vielfalt und Qualität der Ausbildung an den Musikhochschulen, die von einer einzigartigen Tradition eines reichen Musiklebens getragen wird, muss doch mit Sorge gesehen werden, dass in den allgemein bildenden Schulen zunehmend Musikunterricht ausfällt oder mit anderen Fächern zusammengelegt wird. Auch die Finanzkürzungen in den öffentlichen Musikschulen können den Musikhochschulen nicht gleichgültig sein, denn viele Eltern begabter Kinder können sich schon heute die hohen Schulgebühren nicht mehr leisten. Ein attraktives und von der Gesellschaft getragenes Musikleben benötigt aber mehr als die Spitze der künstlerischen Elite; es bedarf auch einer breiten musikalische Bildung, damit immer wieder neue Talente entdeckt und gefördert werden können und damit auch das vorgebildete und zum Konzert vorbereitete Publikum die künstlerischen Leistungen jener Musiker genießen kann, die an den Musikhochschulen ausgebildet wurden.