Deutscher Kinder- und Jugendtheaterpreis
Wie ein Barometer

Die Preisträgerinnen und Preisträger 2016: Martin Baltscheit, Jörg Menke-Peitzmeyer, Caren Marks, Prof. Dr. Gerd Taube, Franziska Isabella Niehaus, Alina Rathmann, Rinus Silzle (v.l.n.r.)
Die Preisträgerinnen und Preisträger 2016: Martin Baltscheit, Jörg Menke-Peitzmeyer, Caren Marks, Prof. Dr. Gerd Taube, Franziska Isabella Niehaus, Alina Rathmann, Rinus Silzle (v.l.n.r.) | Foto: Karin Berneburg

Seit 1995 stiftet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Initiative des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland (KJTZ) den Deutschen Kindertheaterpreis und den Deutschen Jugendtheaterpreis. Die Preise werden alle zwei Jahr verliehen.

In der Präambel der Ausschreibung von 1995 hieß es: „Der Deutsche Kindertheaterpreis und der Deutsche Jugendtheaterpreis soll die dramatische Kinder- und Jugendliteratur fördern. Kinder und Jugendliche sollen zur Begegnung mit der darstellenden Kunst angeregt werden.“ Seitdem richtet das Zentrum in Frankfurt am Main diese einzigen Staatspreise für das Kinder- und Jugendtheater im Auftrag des Bundesjugendministeriums aus. Im Dezember 1996 wurden die Auszeichnungen erstmals verliehen: Jeweils 15.000 DM erhielten Rudolf Herfurtner für sein Kinderstück Waldkinder und Oliver Bukowski für sein Jugendstück Ob so oder so.
 
Die Preise verstehen sich bis heute nicht nur als ein Förderpreis für Autorinnen und Autoren und ihrer dramatischen Literatur, sondern auch als Impulsgeber für ein Kinder- und Jugendtheater der „ästhetischen Erziehung“ (1995) beziehungsweise der „kulturellen Bildung“ (2016). Durch die Inszenierungen der prämierten Stücke tritt das junge Publikum mit diesen in einen Dialog.
 
Ausgezeichnet werden Stücke von lebenden Autorinnen und Autoren, die in deutscher Sprache oder in deutscher Übersetzung vorliegen. Sie müssen in den letzten zwei Jahren vor der Ausschreibung entweder durch einen Verlag veröffentlicht oder durch ein Theater uraufgeführt sein. Theater und Verlage dürfen Vorschläge einreichen.
 
Die Jury, die alle zwei Jahre neu von der Bundesjugendministerin berufen wird, setzt sich zusammen aus Theaterpraktikern, Wissenschaftlern und einem Vertreter des Goethe-Instituts aus dem Bereich Theater/Tanz (seit 1996 Thomas Stumpp). Den Vorsitz der Jury hat der Leiter des KJTZ. Das Goethe-Institut hat von Anfang an Interesse an dieser Initiative gezeigt: die ausgezeichneten Stücke bieten sich an für Übersetzungen und Inszenierungen im Ausland und die Stücke können in das Curriculum Deutsch als Fremdsprache aufgenommen werden. Dieses erwies sich allerdings als etwas zu optimistisch da die Stücke für den Fremdsprachenunterricht häufig zu anspruchsvoll erschienen.

  • Preisverleihung 2016 Foto: Karin Berneburg
    Preisverleihung 2016
  • Die Jury für den Deutschen Kindertheaterpreis 2016 und den Deutschen Jugendtheaterpreis 2016: Ulrike Stöck, Leiterin des Jungen Staatstheaters am Badischen Staatstheater, Karlsruhe; Thomas Stumpp, Goethe-Institut, Bereich Theater und Tanz, München; Prof. Dr. Gerd Taube, Leiter des KJTZ, Frankfurt am Main; Lisa Zehetner, Dramaturgin für Kinder- und Jugendprojekte am Forum Freies Theater, Düsseldorf; Lina Zehelein, Dramaturgin am Theater an der Parkaue, Junges Staatstheater Berlin. Foto: Karin Berneburg
    Die Jury für den Deutschen Kindertheaterpreis 2016 und den Deutschen Jugendtheaterpreis 2016

Die Preise als Barometer

 
Die ästhetische und dramaturgische Entwicklung des Theaters in den letzten 20 Jahren ist auch für den Preis, seine Ausschreibung und seine Ergebnisse nicht folgenlos geblieben. Wie ein Barometer der dramatischen Ästhetik für junges Publikum lassen sie sich lesen. So urteilte die Jury 1996 über ihre Leseeindrücke: „Im Kindertheater hielten sich die, auf von Autoren erfundenen Geschichten basierenden Stücke die Waage mit den Texten, die auf der Grundlage von Märchen, Sagen oder Kinderbüchern entstanden sind.“ 2014 klang das Fazit gänzlich anders. Der Juryvorsitzende Prof. Dr. Gerd Taube meinte: „Ein grundlegender Befund zu den literarischen Formen zeigt, dass unter den 102 Vorschlägen die geschlossene, dramatische Form kaum noch vorkommt und das Episodische, das Episch-Narrative und das Monologische dominieren.“ Und zur aktuellen Situation 2016 sagt der Vorsitzende der ASSITEJ, Prof. Dr. Wolfgang Schneider: „Manches deutet darauf hin, dass im Theater für junges Publikum ein Paradigmenwechsel überfällig zu sein scheint, von der Angebotsorientierung hin zu mehr Teilhabemöglichkeiten… Die Dramatikerinnen und Dramatiker sind dabei die künstlerischen Partner.“
 
Der Kreis der Preisträgerinnen und Preisträger ist vielfältig. 2000 wurde mit Thomas Oberender ein Autor ausgezeichnet, der mit Nachtschwärmer sein Debütstück im Kindertheater vorlegte. Ganz anders Martin Baltscheit, der 2010 für „Die besseren Wälder“ den Jugendtheater- und 2016 für Krähe und Bär den Kindertheaterpreis erhielt. Auffallend auch, dass immer wieder Stücke, die in Übersetzungen vorliegen, prämiert wurden. Der Deutsche Kindertheaterpreis und der Deutsche Jugendtheaterpreis gingen zum Beispiel 1998 nach Holland an Ad de Bonts Die Tochter des Ganovenkönigs, 2000 nach Schweden an Jonna Nordenskiölds Jonna Ponna oder 2012 nach England an Mike Kenny Nachtgeknister. Somit spiegeln die Preise das internationale Repertoire des Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland wieder. Preisträger 2016 sind Martin Baltscheit mit dem Kinderstück Krähe und Bär und Jörg Menke-Peitzmeyer mit dem Jugendstück The Working Dead.
 
Neben den beiden „Haupt“-Preisen sieht die Ausschreibung weitere Förderungen vor: lobende Erwähnungen für Nachwuchstalente, Prämien für Theater, die die Stücke aufführen, Einladungen neue Stücke zu schreiben und diese – wie zum Beispiel beim Festival Boxenstopp Leipzig – szenisch zu erproben oder Auszeichnungen für die Übersetzer. Mit den Veröffentlichungen von Auswahllisten und jeweils drei nominierten Autorinnen und Autoren seit 2002 wurde die Juryarbeit transparenter gemacht. 2016 wurde erstmals ein Sonderpreis für Studierende vergeben. Um diesen konnten sich ausschließlich Studentinnen und Studenten bewerben, die an einer deutschsprachigen Hochschule Szenisches Schreiben studieren. Preisträger sind: Franziska Niehaus, Alina Rathmann und Rinus Silzle.
 

Ein Grund zum Feiern

 
Großen Wert legen Stifter und das KJTZ auf eine angemessene, feierliche Preisverleihung. „Wie schön, dass wir was zu feiern haben“ sagte Wolfgang Schneider in seiner Rede anlässlich der diesjährigen Verleihung. Im festlichen Rahmen und an Frankfurters repräsentativstem Ort, dem Kaisersaal im Römer, werden alle zwei Jahre nicht nur die Preisträgerinnen und Preisträger gefeiert, sondern das Kinder- und Jugendtheater insgesamt. Seit 1996 ist die Preisverleihung eingebettet in das renommierte Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater. Das gibt dem Veranstalter die Gelegenheit, nicht nur die Nominierten und Preisträger und ihre Texte ausführlich zu präsentieren, sondern auch den „Stand der dramatischen Kinder- und Jugendliteratur allgemein“ zu diskutieren.