Berliner Festspiele
Das Tanztreffen der Jugend

Der zeitgenössische Tanz als Bestandteil kultureller Bildung in Deutschland hat ein neues, bundesweit einzigartiges Format hinzugewonnen, das den zeitgenössischen Tanz in den Mittelpunkt stellt: Das Tanztreffen der Jugend der Berliner Festspiele.
2015 wurden sieben Gruppen aus sieben deutschen Bundesländern von einer siebenköpfigen Jury aus 68 eingegangenen Bewerbungen ausgewählt. Die Akteure kamen zum großen Teil aus Tanz- oder Ballettschulen sowie den Theatern, seltener aus den allgemeinbildenden Schulen. Grund hierfür ist sicherlich die Tatsache, dass Jugendliche in ihrer Freizeit zumeist die Anbieter im außerschulischen Bereich aufsuchen; der zeitgenössische Tanz wird derzeit hier (weiter-) entwickelt. Der Tanz von Kindern hingegen hat sich an manchen Orten in Deutschland als fester Bestandteil im schulischen Angebot des offenen Ganztagsbetriebes etabliert. Bundesweite Programme wie Kultur macht stark. Bündnisse für Bildungförderten partizipative Tanzprojekte in den letzten Jahren zwar sehr stark in der Fläche. Sie unterstützten ihn aber eher als Breitenphänomen mit dem Anspruch, Heranwachsende mit so genannten „bildungsfernen Hintergrund“, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.
Vielfalt schauen
Auffällig bei der Auswahl für das Berliner Treffen war die ästhetische Vielfalt der Darbietungen Inhaltlich erstreckte sie sich von der Auseinandersetzung mit einem mythischen Stoff und dessen Umsetzung in (Körper-)Bilder wie zum Beispiel in Tantalos, tanzsturm vom Staatstheater Mainz, über das Thema (körperliche) Identität, wie in Selbstbaukasten, Selbstbaukasten der tjg.theaterakademie, Dresden, bis hin zu Kontakt in seinen verschiedenen Dimensionen zum Beispiel inDritte Art des Tanzstudios Danzon in Tübingen. Das aus verschiedenen Nationalitäten bestehende HipHop-Ensemble B2B – Back to Basics vom Düsseldorfer Tanzhaus NRW hatte sich eine Woche lang auf das ungewöhnliche Recherchethema Japan eingelassen. Ergebnis der künstlerischen Auseinandersetzung, das die 16 jungen Menschen im Alter von 12 bis 20 Jahren unter dem Titel Tabi zeigten, war die künstlerische Interpretation der japanischen Kultur in einer Mischung aus Adaption fernöstlicher Bewegungskultur, zeitgenössischem Tanz und mitgebrachtem eigenem Vokabular aus dem Hip-Hop.
Alle beim Treffen gezeigten Arbeiten sind Stückentwicklungen, die in dem Spannungsfeld von persönlicher Auseinandersetzung der Heranwachsenden mit Themen, Stoffen und Ästhetiken wie auch künstlerischer Handschrift ihrer anleitenden Choreografen und Choreografinnen brillieren.

Praxis, Dialog und Spezial
Das Weiterbildungsangebot für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzt auf die Förderung von künstlerischen Aspekten in der Tanzarbeit und füllt damit eine Leerstelle in der eher durch pädagogische Diskurse geprägten Landschaft. Die 2014 eingeladene Werkstattleiterin Joke Laureyns von kabinet k (Belgien) ist beispielsweise bekannt für ihre bemerkenswerten, tiefgründigen Arbeiten mit Kindern und Erwachsenen auf der Bühne. 2015 thematisierte Steve Kirkham von Frantic Assembly (Großbritannien) in seinem Praxis-Angebot die Generierung von ungewöhnlichem, neuem Bewegungsmaterial ausgehend von Alltagsbewegungen. Ein wegweisendes Special für die Begegnung mit Tanzwissen von herausragenden Choreografen war die Einladung an alle Jugendlichen, eine Kurzchoreografie von Rosas danst Rosas der belgischen Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker an einem Tag unter Anleitung zu erlernen und ein eigenes Tanz-Video für die Site des Projektes Rosas danst Rosas zu kreieren.Das Tanztreffen 2015 zeigte nicht nur eine aktuelle Übersicht der Tanzproduktionen von und mit Jugendlichen, es war auch Ausdruck einer aktuellen Entwicklung, bei der es um die Formulierung einer eigenen ästhetische Ausdrucksweise des Tanzes von „Nicht-Profis“ geht. Ähnlich wie die Entwicklung im Theater der letzten Jahre ist auch hier die Frage nach einer eigenen Ästhetik in der Arbeit mit den „Experten des Alltags“ brisant und spannend. Auf weitere Entwicklungen darf man gespannt sein!