Figurentheater-Festival
Figuren, Bilder, Objekte
![Robin Frohardt, USA: „The Pigeoning“ [Taubereien]; Robin Frohardt, USA: „The Pigeoning“ [Taubereien];](/resources/files/jpg414/Intro_Figurentheater-formatkey-jpg-default.jpg)
Vom 8. bis zum 17. Mai 2015 findet zum 19. Mal das Internationale Figurentheater-Festival in Erlangen, Nürnberg und Fürth statt. Ein Interview mit Bodo Birk, der das Festival seit 2003 leitet.
Herr Birk, Sie und ihr Team stecken mitten in den Vorbereitungen zum 19. Internationalen Figurentheater-Festival, das zwischen dem 8. und 17. Mai 2015 mit seinem Schwerpunkt in Erlangen stattfinden wird. Auf welche Produktionen freuen Sie sich ganz besonders?
Auf die Compagnie 111 von Aurélien Bory, der in Sans Objet Artisten mit einem tonnenschweren Roboter aus der Automobilindustrie tanzen lässt, auf Nico and the Navigators und das Puppentheater Halle, die die metaphorische und klangliche Vielfalt der Sonette Shakespeares auskosten, auf die poetische Tauben-Geschichte The Pigeoning der New Yorkerin Robin Frohardt, auf die zwischen Bildender und Darstellender Kunst vermittelnde Eva Meyer-Keller, die ein Tryout ihrer neuesten Arbeit Things on a Table zeigt und ihre sehr spezielle Kochshow Cooking Catastrophes präsentiert, auf Gisèle Viennes alle Sehgewohnheiten in Frage stellende Theaterüberwältigung The Pyre, natürlich auf den Altmeister des Puppenspiels und Festivalliebling Neville Tranter, der mit seiner brandneuen Produktion The King – Downfall of a Superstar in alle drei Städte kommt, auf Les Ateliers du Spectacle, das Ensemble des Objekttheater-Meisters Jean-Pierre Larroche, das in Zum t bei n-1 versucht, den Sinn des Lebens mathematisch zu ergründen, auf Philippe Quesnes The Next Day – ein Stück, in dem ausschließlich Kinder auf der Bühne stehen, auf Liquid Loft, in deren Inszenierung Deep Dish vier Tänzer mit einer barock anmutenden Landschaft aus organischen Objekten verschmelzen, auf das Theater Parkaue Berlin, das gemeinsam mit Forced Entertainment das Kinderstück Das unmöglich mögliche Haus produziert hat, auf die Rückkehr der französischen Bilderstürmer des Théâtre de la Mezzanine, die mit La Tragédie est le meilleur Morceau de la Bête ein Stück über den Ersten Weltkrieg auf die Bühne wuchten …
Macht es sich auch in diesem Jahr bemerkbar, dass Erlangen die Grenzen des Genres Figurentheater sehr großzügig interpretiert?
Es ist natürlich richtig, dass das Internationale Figurentheater-Festival eine sehr große inhaltliche und ästhetische Bandbreite aufweist und dass es zum Charakter des Programms gehört, die Genregrenzen zwischen Theater, Tanz, Performance, Bildender Kunst und Neuen Medien aufzuheben. Es gibt, glaube ich, in Deutschland nicht viele Festivals, die dieses Konzept so konsequent verfolgen. Ich würde allerdings trotzdem nicht der Formulierung zustimmen, dass das Genre Figurentheater dabei „sehr großzügig“ interpretiert würde. Im Gegenteil, wir versuchen den Begriff Figurentheater in seiner zeitgenössischen Lesart sehr ernst zu nehmen und fragen uns bei jeder Inszenierung, was sie mit Figurentheater zu tun hat. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Sehr vieles kann auf der Bühne eine „Figur“ sein, nicht nur Puppen und Objekte, sondern auch der menschliche Körper selbst, wenn er aus seiner Natürlichkeit herausgelöst wird. Und auch Projektionen, ein Lichtstrahl und sogar ein Ton können Figuren sein.
Was zeichnet das Erlanger Festival darüber hinaus als „besonderes Festival“ aus?
Eigentlich sind die meisten Festivals ja heute viel mehr als bloß eine Ansammlung von Gastspielen. Eine Besonderheit des Erlanger Festivals ist sicherlich die enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, mit dem wir gemeinsam das Junge Forum ausrichten. Figurentheater-Studierende aus Berlin und Stuttgart und junge Theaterwissenschaftlerinnen und Theaterwissenschaftler beschäftigen sich zehn Tage lang praktisch und theoretisch mit dem Genre des zeitgenössischen Figurentheaters. Überhaupt spielt die Reflexion über die Formen und Inhalte des Theaters bei uns eine immer wichtigere Rolle, so sind Inszenierungsgespräche und Diskussionen ein wichtiger Bestandteil des Programms. Hinzu kommt in den letzten Jahren verstärkt die praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: „Alles was ich bin …“ ist der Name eines mehrjährigen, ebenfalls von der Universität begleiteten Projekts, dass die Potenziale des Figuren- und Objekttheaters in der praktischen theaterpädagogischen und kulturellen Bildungsarbeit exemplarisch aufzeigt. Und – aber das machen andere Festivals auch – wir versuchen gezielt, einzelne künstlerische Positionen längerfristig zu fördern, indem wir Kooperationen eingehen oder als Koproduzent auftreten.
Wie nimmt das Erlanger Publikum Einfluss auf Ihre Programmplanung?

Apropos: Ist das Festival denn perspektivisch in seinem Bestand gesichert?
Das ist eine schwierige Frage. In der Erlanger Kommunalpolitik gibt es derzeit keine Tendenzen, das Festival einsparen zu wollen. Der Erlanger Stadtrat hat die Bedeutung des Festivals spätestens 2010 erkannt und steht jetzt voll dazu. Trotzdem wird die Finanzierung von kulturellen Veranstaltungen immer schwieriger. Trotz der guten wirtschaftlichen Lage ziehen sich derzeit überall Sponsoren aus der Kultur zurück. Die Zinsentwicklung der letzten Jahre führt dazu, dass Stiftungen immer weniger Förderung ausschütten können und viele öffentliche Zuschussgeber schließen regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen in ihren Förderkriterien aus, um besonders innovativ zu sein. Dabei zeigt doch gerade das Internationale Figurentheater-Festival, wie wichtig eine kontinuierliche Entwicklung ist, um Innovationen ein breites Publikum zu verschaffen! Hinzu kommt, dass die Kosten bei der Durchführung von Veranstaltungen in den letzten Jahren überproportional angestiegen sind, Sicherheitsvorschriften, Reise- und Übernachtungskosten, Gema und Künstlersozialkasse … Immer wieder muss ich mir sagen lassen, dass das Geld scheinbar nie reicht, und dass das Festival jedes Mal teurer würde. Ja natürlich! Alles wird jedes Jahr teurer, auch der städtische Haushalt wird jedes Jahr größer, warum sollten Kulturveranstaltungen jahrelang das Gleiche kosten? Dieses Thema wird uns immer begleiten.