Lernumgebungen und Formen des Lernens: Sprachlernspiele
Spielerisch Sprache lernen

Spielerisch Sprache lernen
Spielerisch Sprache lernen | Illustration: Melih Bilgil

Auf spielerische Art und Weise eine Sprache lernen: Geht das überhaupt? Sehr gut sogar! Wenn man die Möglichkeiten des Spiels im Unterricht richtig einzusetzen versteht und wenn man trotz Sprachziel, den Spielspaß nicht aus den Augen verliert.
 

Abstract

Oft erscheinen uns Spielen und Lernen als ein Gegensatzpaar. Das eine gehört in die Freizeit oder in die Kindheit, das andere zum Ernst des Lebens. Aber Spielen ist keineswegs nur für Kinder, und beim Spielen wird sehr wohl gelernt. Zudem kann spielerisches Lernen besonders abwechslungsreich und freudvoll sein. Was wissen wir über den Zusammenhang zwischen Spielen und Lernen? Und wie lässt sich dieses Wissen für den Fremdsprachenunterricht nutzen?


Aus neurowissenschaftlicher Sicht bedeutet Lernen, dass es im Gehirn zu Wachstums- und Organisationsprozessen kommt. Die Architektur des Gehirns passt sich an, wenn etwas wiederholt genutzt, ausprobiert oder geübt wird. Spielen kann in dieser Hinsicht sehr nützlich sein: Schließlich wird im Spiel intensiv erprobt, wie der Umgang mit Dingen, Herausforderungen, Mitspielern und Mitspielerinnen gelingen kann.

Solange dies Spaß macht, werden wiederholt selbst solche Fertigkeiten oder Inhalte trainiert, die ohne den Anreiz des Spiels möglicherweise gelangweilt hätten. Die Wiederholung und Intensität des Spieleindruckes sorgen dafür, dass die Synapsen als Kommunikationsstellen zwischen den Nervenzellen leistungsfähiger werden: Das Gehirn lernt. In der Folge fällt es leichter, die trainierten Abläufe oder Kompetenzen abzurufen. Oftmals können durch spielerisches Üben Teilleistungen sogar automatisiert werden, was das Arbeitsgedächtnis entlastet und uns erlaubt, die Aufmerksamkeit auf anderes zu richten. Spielen und Lernen schließen einander also keineswegs aus – im Gegenteil.

SPASS, BEWEGUNG – RISIKO!

Auch aus verhaltensbiologischer Sicht ist ein wesentlicher Zweck des Spiels das Lernen (vgl. Sachser 2009: 20). Nicht nur der Mensch spielt, sondern auch manche Tiere, insbesondere als Tierkinder. Nicht selten gehen sie dabei ein Risiko ein, weil es sich wegen des Lerneffekts auszahlt. Im Spiel wird bereits Angelegtes in der Praxis eingeübt, Neues ausprobiert, Bewältigungsstrategien werden entwickelt. Zudem folgen Spiele jeweils bestimmten Regeln und bieten somit einen strukturierten, überschaubaren Rahmen für viele Lernvorgänge.

Lernen ist dann besonders nachhaltig, wenn es von positiven Emotionen begleitet wird: Menschen spielen, weil es ihnen Spaß macht, also aus „intrinsischer Motivation“. Denn Spielen ist eine Aktivität, die über die Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn das köpereigene Belohnungssystem ankurbelt, auch wenn äußere Belohnungen fehlen. Im Spiel Geübtes hat somit allerbeste Chancen, im Gehirn gut vernetzt und dauerhaft gespeichert zu werden.

Zudem ist Bewegung Bestandteil vieler Spiele. Bewegung beim Lernen kann sich günstig auf den Lernertrag auswirken, die Frustrationstoleranz und das Durchhaltevermögen erhöhen sowie zum Abbau von Stress- oder Belastungserleben beitragen (vgl. Sambanis 2013: 89ff.). Auch in Tierexperimenten konnte bei miteinander herumtollenden Ratten in bestimmten Hirnregionen ein Anstieg des Wachstumsfaktors BDNF festgestellt werden: ein Protein, das für die Bildung und Erhaltung von Nervenzellen und ihren Verbindungen wichtig ist. Dabei wurde gezeigt, dass die soziale Interaktion, die auch ein Merkmal vieler Sprachlernspiele ist, einen begünstigenden Faktor darstellte (vgl. Spitzer 2008: 458ff.). Man darf davon ausgehen, dass das Gemeinschaftserlebnis im Spiel nicht nur bei Ratten förderlich wirkt!

Es sprechen gute Gründe dafür, auch bei Erwachsenen spielerische Formen des Sprachenlernens einzusetzen. Bewegung kann auch in sogenannten Bewegungspausen stattfinden. Bewegungspausen dienen vor allem der Entspannung nach intensiver Konzentration sowie der Aufrechterhaltung der Motivation der Schülerinnen und Schüler.

„ENTSPANNTE FELDER“

Für Lehr-Lern-Kontexte sind vor allem Sprachlernspiele interessant. Sie verbinden Spiel- und Lernziele direkt miteinander: Die Spieltätigkeit soll zu einem konkreten Lerneffekt führen (vgl. Kleppin 2007: 263). Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die Spieltätigkeit nicht dem Sprachziel geopfert wird. Bei einer „Verzweckung“ des Spiels könnten sich die Beteiligten um ihre Spielfreude betrogen fühlen und zu Recht mit Unmut und wenig lernförderlichen Emotionen reagieren. Mit unmotivierten Spielerinnen und Spielern aber werden die intendierten Ziele nicht erreicht.

Damit Spielfreude aufkommen, der Lernende in der Spieltätigkeit aufgehen und sich der erhoffte Lerneffekte einstellen kann, bedarf es eines „entspannten Feldes“ (Sachser 2009: 26ff.). Entspannte Felder entstehen, wenn sich Lernende sicher fühlen: etwa im Schutz der Gruppe oder bei Rollenspielen, in denen sie nicht als sie selbst agieren müssen. Zugleich muss das Feld einen gewissen Anreiz bieten und darf weder Desinteresse noch Langeweile hervorrufen.

Friedrich Schiller schrieb in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen, dass der Mensch nur spiele, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und dass er nur da ganz Mensch sei, wo er spielt – in einem entspannten Feld also, das Spielanreize bietet.

SYSTEMATISIERUNG VON SPRACHLERNSPIELEN

Eine systematisierte Darstellung von Sprachlernspielen aus didaktischer Perspektive fällt nicht leicht. Oft lassen sich die einzelnen Spieltypen nicht trennscharf zuordnen, Auch sind bei einer Klassifizierung unterschiedliche Blickrichtungen möglich. Je nach Sprachlernzielen lassen sich linguistische, kommunikativ-interaktive, kreative, interkulturelle oder systematisierende Spiele unterscheiden. Spiele können auch hinsichtlich jener Strategien klassifiziert werden, für die sie Übungsanreize liefern, oder im Hinblick auf die Kompetenzen, auf die sie zielen.

In jedem Fall sollte sich der Lehrende fragen, welche Kompetenzen oder Teilkompetenzen durch das Spiel geschult werden sollen (Spezifizierung), wo der Lernende in diesem Bereich gerade steht (Standortbestimmung), wohin das Lernspiel führen soll (Zielkonkretisierung) und welche didaktisch-methodische Intention des Sprachlernspiels passend ist – also ob das Spiel eher der Einführung, Festigung, Automatisierung, Flexibilisierung, Systematisierung, Reaktivierung oder Verknüpfung dienen soll (Operationalisierung). Ergänzend sollte geprüft werden, ob das gewünschte Sprachlernspiel tatsächlich sowohl ein Sprach- als auch ein Spielziel verfolgt.

Beliebte Spiele, die zur Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen beim Sprachenlernen eingesetzt werden können, sind
  • Brett-, Karten-, Würfelspiele wie Memory, Quartett, Bingo und Domino-Formate, bei denen zum Beispiel Wort und Bild einander zugeordnet werden müssen. Manche Brettspiele haben Felder, bei denen die Spielenden Aktions- oder Ereigniskarten ziehen und die darauf gestellten Aufgaben lösen müssen.
  • Rate- und Erinnerungsspiele wie Kim-Spiele, Fühlbeutel, Quizspiele, Rätselspiele und -geschichten.
  • Reaktionsspiele wie Wettspiele, bei denen Bild- oder Wortkarten gegriffen werden müssen, oder Wortassoziationsspiele, die mit dem Fangen eines Balls verknüpft sind.

Spiele gibt es natürlich auch digital. Die grundlegenden Spielprinzipien bleiben bei digitalen Spielen erhalten, allerdings eröffnet das Umsetzen mit Medien ganz besondere „Spielräume“ (vgl. Beitrag von Althaus). Aus der Vielfalt der Spiele können Lehrende Passendes auswählen und im Unterricht einsetzen, sodass Lernziele verfolgt und mit Spielspaß-Erlebnissen verbunden werden können.
 

Literatur

Kleppin, Karin: „Sprachspiele und Sprachlernspiele“. In: Bausch, Karl-Richard et al. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 5. Auflage 2007, 263-266.

Sachser, Norbert: „Neugier, Spiel und Lernen: Verhaltensbiologische Anmerkungen zur Kindheit.“ In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.): Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Weinheim und Basel: Beltz 2009, 19-30.

Sambanis, Michaela: Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr 2013.

Spitzer, Manfred: „Spielen und Lernen. Friedrich Schiller und der Wachstumsfaktor BDNF.“ In: Nervenheilkunde (27/2008) 5, 458-462.


 

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