Prinzipien der Fremdsprachendidaktik

Die Prinzipien der allgemeinen Fremdsprachendidaktik gelten im Grunde auch für den frühen Fremdsprachenerwerb, wenn auch mit etwas anderen Schwerpunkten. So steht im frühen Fremdsprachenunterricht stärker als sonst die fremdsprachliche (mündliche) Handlungsfähigkeit im Vordergrund.

Themen
Die sprachlichen Kompetenzen werden in authentischen Situationen und thematischen Kontexten erworben und angewendet. Diese lassen sich bestimmten Erfahrungsfeldern zuordnen. Die für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule bedeutsamen Erfahrungsfelder orientieren sich an der Lebenswelt und den Interessen der Kinder (zum Beispiel: ich und meine Familie, meine Schule, das Wettergeschehen, die Pflege eines Haustiers, Freizeit, Ernährung). Darüber hinaus wird die Verknüpfung des frühen Fremdsprachenunterrichts mit Themen und Inhalten des Sachunterrichts empfohlen (zum Beispiel die Straße als Verkehrs- und Lebensraum, Zusammenleben in Frieden, schonender Umgang mit Natur und Umwelt, Orientierung in der Medienwelt). Bei der Behandlung von Schlüsselthemen wie diesen können unter anderem Erschließungsstrategien zum Verständnis von neuen Elementen aus dem sprachlichen oder situativen Kontext gelernt und gefördert werden.
 
Fertigkeiten
Die Schulung der Fertigkeiten im Fremdsprachenunterricht folgt der Reihenfolge im natürlichen Spracherwerb:
  1. Hören und Verstehen
  2. Sprechen
  3. Lesen und Verstehen
  4. Schreiben
Die Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten ist eng verbunden mit dem Erwerb und der sicheren Verfügbarkeit von grundlegenden sprachlichen Mitteln: Wortschatz, Grammatik, Orthografie, Aussprache und Intonation. Da jedoch die fremdsprachliche Handlungsfähigkeit im Vordergrund steht, haben die sprachlichen Mittel in der Primarstufe noch einen eher unterstützenden Charakter.

In allen Lehrplänen finden sich Vorschläge für solche nützlichen sprachlichen Bausteine: typische Aussprache- und Intonationsmuster, Elementarwortschatz, sprachliche Redemittel und grammatische Strukturen. Sie wurden so ausgewählt, dass sie das Ziel, die elementare Kommunikationsfähigkeit zu bewirken, optimal unterstützen.

Im Gegensatz zu früher kommt heute dem Umgang mit dem Schriftbild größere Bedeutung zu, auch wenn das Mündliche in der Primarstufe weiter Vorrang hat. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Kinder vom Lesen und Schreiben in der Fremdsprache durchaus profitieren. So kann der Fremdsprachenunterricht Erfahrungen nutzen, die Kinder beim Erwerb der Schriftsprache in der Muttersprache machen, zum Beispiel bestimmte Bedeutungsdifferenzierungs- und Erschließungsstrategien.
 
Wortschatz und Redemittel
Der Wortschatzerwerb sollte in spiralförmiger Progression verlaufen. Das bedeutet: Auf jeder Stufe der Wortschatzerweiterung wird der bereits erlernte Wortschatz als Ausgangspunkt für neue Begriffe verwendet und dadurch erneut gefestigt.

Für die Realisierung der in den Lehrplänen vorgeschriebenen Sprachabsichten (zum Beispiel jemanden begrüßen, jemandem danken oder eine Frage stellen, Zustimmung ausdrücken) werden allgemeine Redemittel festgelegt, die sich an den altersgemäß am häufigsten gebrauchten Ausdrücken für Sprachfunktionen orientieren.

Grammatik
Deutlich verändert hat sich in der frühen Fremdsprachendidaktik die Auffassung von der Bedeutung der grammatischen Progression. Die Einführung grammatischer Elemente ist heute verbindlicher Bestandteil der Sprachdidaktik, wobei sich die Auswahl auf ein unverzichtbares Minimum beschränkt. Begründet wird dies damit, dass mit diesem Minimum eine Fülle von Sprachfunktionen realisiert werden kann.

Aus dem Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen für die Klasse 4 ein Beispiel für Englisch als erste Fremdsprache:

Bereich: Verfügbarkeit von sprachlichen Mitteln, Schwerpunkt: Grammatik, Kompetenzerwartungen am Ende der Klasse 4 
 

Die Schülerinnen und Schüler bilden mit wenigen einfachen grammatischen Strukturen und Mustern einfache Sätze, zum Beispiel:
Sie berichten und erzählen über gegenwärtige und vergangene Ereignisse aus dem eigenen Erfahrungsbereich. Dabei benutzen sie unter anderem folgende Formen und Strukturen:

  • nouns: singular, plural, limited specified irregular plural forms (men, women, children …)
  • pronouns (he/she, my/your …)
  • determiners: the, a, an, some, a lot of, this …
  • adjectives: appearances, feelings, … 
  • adverbs: time, frequency, manner 
  • prepositions: time, place
Entdeckendes Lernen
Wie alle sprachlichen Kompetenzen sollen auch die grammatischen Strukturen eher induktiv in Gesprächssituationen (entdeckendes Lernen) erschlossen werden. Für die Vermittlung wird die Beherrschung bewusst machender Verfahren propagiert, wenngleich man noch wenig über die geeignete methodische Umsetzung weiß. Erste unterrichtsmethodische Vorschläge zur Vermittlung bewusst machender Verfahren zum induktiven Erschließen grammatischer Strukturen liefert Tatjana Kuhn.

In ihren Lehrplänen benennen die Länder überwiegend folgende didaktische Grundsätze zur Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts:
  • weitgehende Einsprachigkeit
  • Handlungsorientierung in authentischen Sprachlernsituationen
  • Vorrang des mündlichen Sprachhandelns unter Nutzung der lernunterstützenden Wirkung der Schrift beziehungsweise des Lesens und Schreibens
  • spielerisch entdeckender, kreativer Umgang mit der Sprache
  • funktionale Fehlertoleranz – fluency before accuracy
  • kommunikative Progression 
  • Sprachreflexion
  • Binnendifferenzierung
  • Anknüpfen an die vorhandene Mehrsprachigkeit in der Lerngruppe
  • ganzheitliches Lernen 

quellen

Legutke, Michael; Müller-Hartmann, Andreas; Schocker v. Dithfurth, Marita (2009): Teaching English in the Primary School. Stuttgart, Klett. S. 17ff.

Kultusministerkonferenz (2013): Bericht „Fremdsprachen in der Grundschule – Sachstand und Konzeptionen 2013“ Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 17.10.2013, S. 3.

Rymarczyk, Jutta (2008): Früher oder später? Zur Einführung des Schriftbildes in der Grundschule. In: Böttger, Heiner, (Hrsg.) Fortschritte im frühen Fremdsprachenlernen. Ausgewählte Tagungsbeiträge Nürnberg 2007. München, Domino-Verlag. S. 170–182.

Edelenbos, Peter; Johnstone, Richard; Kubanek, Angelika (2006): Die wichtigsten pädagogischen Grundsätze für die fremdsprachliche Früherziehung. Sprachen für die Kinder Europas. Forschungsveröffentlichungen, gute Praxis und zentrale Prinzipien. Endbericht der Studie EAC 89/04 (Lot 1). Brüssel, Europäische Kommission.

Mindt, Dieter; Schlüter, Norbert (2007): Ergebnisorientierter Englischunterricht. Für die Klassen 3 und 4. Berlin, Cornelsen Scriptor. S. 67.

Kuhn, Tatjana (2006): Grammatik im Englischunterricht der Primarstufe. Theoretische Grundlagen und praktische Unterrichtsvorschläge. Heidelberg, Winter.

Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (2010): Lehrplan Englisch – Kompetenzen.

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