Lehrerausbildung
QUALIFIKATION VON FACHKRÄFTEN

Bei der Aus- und Fortbildung der Grundschullehrerinnen und -lehrer bemüht man sich um die Schaffung neuer Standards, die die aktuelle Entwicklung berücksichtigen.

Das Kompetenzprofil des BIG-Kreises

Um Orientierungsgrundlagen und Aktualisierungen der Standards bemüht sich insbesondere der BIG-Kreis (Beratungs-, Informations- und Gesprächskreis). Er wurde 1999 von Hans–Eberhard Piepho mit dem Ziel gegründet, an der Entwicklung des frühen Fremdsprachenunterrichts mitzuwirken. Dem BIG-Kreis gehören sowohl Fachleute aus Forschung, Lehre und Unterricht als auch Experten von Ministerien an. 2005 legte der BIG-Kreis ein sogenanntes „Kompetenzprofil“ für Lehrkräfte in der Grundschule vor. Da es einen wichtigen Orientierungsrahmen für die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in Deutschland darstellt, wird es hier etwas ausführlicher behandelt.
 
Zum Kompetenzprofil gehören:

Hohe sprachliche Kompetenz
Dabei sollen die Lehrkräfte:
  • den Unterricht weitgehend einsprachig durchführen
  • themen- und situationsangemessen reagieren können
  • die Fremdsprache auch in anderen Fächern und bei Projekten verwenden
  • eine hohe Fehlertoleranz (fluency before accuracy) haben
Interkulturelle Kompetenz
Diesen Sachverstand sollen die Lehrkräfte erlangen:
  • durch eigene Begegnungserfahrungen in der Fremdsprache
  • über kulturelles, politisches und geschichtliches Orientierungswissen
  • durch Kenntnis kulturspezifischer Einstellungen, Sitten und Gebräuche und den sensiblen Umgang damit
Didaktisch-methodische Kompetenz
Dazu zählen:
  • lernpsychologisches Verständnis für die Grundlagen des Erst- und Zweitsprachenerwerbs
  • Kenntnis der Ziele, Konzeptionen und Standards des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule
  • Wissen um die Bedeutung der ersten Fremdsprache (L1) als Fundament eines kontinuierlichen Sprachlernprozesses bis hinein in die Sekundarstufe
  • Beachtung des integrativen, das heißt fächerübergreifenden Ansatzes des Fremdsprachenerwerbs in der Grundschule
Fähigkeit zur Planung und Durchführung eines grundschulgemäßen Fremdsprachenunterrichts
Dazu gehört, dass die Lehrkraft:
  • altersgerecht und sprachhandelnd den psychosozialen Kontext der Lernenden sowie deren Weltwissen beachtet,
  • unterschiedliche Lernvoraussetzungen und -wege berücksichtigt
  • Methoden und Materialien situationsangemessen und zielorientiert einsetzt
Wissen über Vermittlung von Arbeitstechniken und Lernstrategien
  • Wie Schüler längerfristig lernen und selbständig arbeiten können
  • Wie die Lernenden sich selbst einschätzen und beispielweise Sprachmappen (siehe auch „Sprachenportfolio“) führen können 
Diagnostische Kompetenz und Förderkompetenzen
Dazu gehören:
  • die Fähigkeit, den eigenen Unterricht zu beobachten und zu reflektieren,
  • die konkrete Lernausgangslage der Schülerinnen und Schüler zu kennen und zu berücksichtigen,
  • die Leistungen der Lernenden zu beobachten und einzuschätzen,
  • individuell unterstützende und fördernde Maßnahmen durchzuführen
Noch gibt es zu wenige Lehrkräfte mit einem derart umfassenden Kompetenzprofil. Die Zahl der universitär Ausgebildeten, die sich intensiv mit der Sprache und ihrer Didaktik auseinandergesetzt haben, reicht heute beispielsweise für einen flächendeckenden Englischunterricht noch immer nicht aus. „Nur ca. 20-30 % der Lehrkräfte haben das Fach grundständig studiert, der Großteil wurde durch in ihrem Umfang sehr unterschiedliche Fortbildungsmaßnahmen für den Englischunterricht in der Grundschule gerüstet.“

Konsequenzen für die Hochschulausbildung

Auch hier gibt der BIG-Kreis mit seinen jüngsten Empfehlungen für die Qualifikation von Grundschullehrern wichtige Anregungen.
 
Entsprechend den neuen Entwicklungen in der Grundschullehrerausbildung in Deutschland wird die Lehrerausbildung im frühen Fremdsprachenlernen als ganzheitlicher und lebenslanger Prozess der Identitätsbildung verstanden. Dabei erwerben die angehenden Lehrerinnen und Lehrer:
  • Wissen (Fachliteratur, sozialer Kontext der Institution, relevante Aspekte des Fachs)
  • Können (Sprachkompetenz, Diagnosekompetenz, Organisations- und Gestaltungskompetenz)
  • Haltungen (Offenheit gegenüber Heterogenität und Mehrsprachigkeit, Bereitschaft zum Umgang mit Neuem, Bereitschaft zum Engagement und zur kritischen Distanz)
Von zukünftigen Grundschullehrern wird eine ergründende, verstehende Perspektive erwartet, dies beinhaltet:
  • Erfahrung mit dem forschenden und entdeckenden Lernen
  • Erfahrung mit dem Modelllernen
  • Bereitschaft zum professionellen Austausch
  • Kooperationsbereitschaft im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die lernenden Kinder
Schwerpunkte der Fachdidaktik bilden:
  • Auswahl der Inhalte bezogen auf die komplexen Anforderungen der jeweiligen Klasse
  • Analyse und Entwicklung angemessener Aufgaben
  • Wissen über Lernstandsermittlung und Diagnostik
  • Methoden zur Motivierung und Aktivierung der Schüler
  • Möglichkeiten zur Inszenierung von Ereignissen
  • Möglichkeiten zur Erkundung von Fremdem
  • Wissen über Medieneinsatz 
  • Methoden zum spielerischen Umgang mit Sprache
Alle Ausbildungsteile sollten aufeinander abgestimmt sein und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch die verbindliche Verpflichtung, die eigene fremdsprachliche Kompetenz zu erhalten und weiterzuentwickeln. Diese sollte laut BIG-Empfehlung das Niveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens haben.
 
Die klassischen Hochschulveranstaltungen, Vorlesungen und Seminare werden von kooperativen und projektorientierten Lernformen begleitet. So können die zukünftigen Fremdsprachenlehrkräfte diese Prinzipien der künftigen Unterrichtsführung selbst erfahren.

Aus- und Weiterbildung für Deutsch als Zweitsprache (DaZ)

Die Stiftung Mercator für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache hat 2012 in ihrer Studie: „Was leistet die Lehrerbildung?“ untersucht, wie Lehrkräfte im Studium, im Referendariat und in der Fortbildung auf die Sprachförderung vorbereitet werden.
 
Hier ein paar Ergebnisse:
„Insgesamt nehmen sich mehr Ausbildungsstandorte des Themengebiets an, mehr als die gesetzlichen Regelungen erwarten lassen. Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass die Hochschulen die Studienanteile für sinnvoll und notwendig erachten. An 69 Prozent der Hochschulen in Deutschland besuchen angehende Grundschullehrkräfte des Fachs Deutsch verpflichtende Studienangebote, im Berufsschullehramt liegt der Anteil immerhin noch bei gut 42 Prozent. Für Lehramtsstudierende in Fächern außer Deutsch sind verpflichtende Bestandteile weniger stark ausgeprägt: Bis zu zwei Drittel der Hochschulen bieten keine spezifische Vorbereitung auf die Themen Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache an.“

An der Universität Köln ist das Modul „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ im Master of Education angesiedelt. Für das Lehrangebot für bis zu 1.000 Studierende pro Semester ist das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache verantwortlich. Lehrveranstaltungen werden seit dem Wintersemester 2014/2015 angeboten. Das zentrale Ziel des Moduls besteht darin, die Studierenden unabhängig von ihrem Unterrichtsfach und ihrer Schulform auf den Umgang mit sprachlich-kultureller Heterogenität im Unterricht vorzubereiten. Zudem sollen die künftigen Lehrerinnen und Lehrer sich des Zusammenhangs zwischen sprachlichen Fähigkeiten, Bildungserfolg und fachlichem Kompetenzerwerb bewusst werden.
Die Studierenden erwerben grundlegende Kompetenzen:
  • in der Analyse sprachlicher Anforderungen von Unterrichtsinhalten
  • in der Diagnose und Einschätzung sprachlicher Lernvoraussetzungen
  • im sprachsensiblen Unterrichten im Kontext von Mehrsprachigkeit und soziokultureller Heterogenität
 

Quellen

BIG-Kreis (2005): Standards, Unterrichtsqualität, Lehrerbildung – Empfehlungen des BIG-Kreises. 2. Aufl., München.

Kolb, Annika; Mayer, Nicola (2010): Der Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe. In: Encuentro 17, pp, S. 15–22.

BIG-Kreis (2007): Standards für die Lehrerbildung. Empfehlungen des BIG-Kreises, München.

Stiftung Mercator (2014): Studie: Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache an deutschen Schulen: Was leistet die Lehrerbildung?

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