Christopher Street Day
Von der Demo zur Party

Schrill und bunt: der Christopher Street Day
Schrill und bunt: der Christopher Street Day | Foto (Ausschnitt): © istock

Straßen, getaucht in Regenbogenfarben, feiernde, schrill gekleidete Menschen: Das verbinden die meisten Menschen mit dem Christopher Street Day in Deutschland. Doch die Parade war einmal viel mehr als eine schillernde Party.

Menschenmassen – laut und überbordend bunt. Für viele ist es genau das, was sie mit dem Christopher Street Day (CSD) in Deutschland verbinden. Doch hinter der großen Party steckt eine Geschichte. Sie begann 1979: Wenige Hundert trauten sich damals auf die Straße und demonstrierten für mehr Toleranz gegenüber Schwulen, Lesben und Transgender. Heute sind es Hunderttausende, die beim CSD-Demonstrationszug die Vielfalt der Sexualität feiern.

Für Homosexuelle auf der ganzen Welt hatte sich schon im Jahr 1969 sehr viel verändert. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni wehrten sich erstmals in New York Gäste einer Schwulenbar gegen willkürliche Diskriminierungen der Polizei. Schauplatz des Aufstands war das „Stonewall Inn“, eine Bar in der Christopher Street in Greenwich Village. Die Unruhen in der Christopher Street gelten weltweit als Beginn der Schwulen-, Lesben- und Transgenderbewegung.

CSD-Premiere in Deutschland

Erst Ende der 1960er-Jahre lockerte der Gesetzgeber in Deutschland den Paragrafen 175: Homosexuelle Beziehungen unter Erwachsenen wurden von nun an nicht mehr bestraft. Diese Gesetzesänderung und der Widerstand in der Christopher Street motivierten viele Homosexuelle, für mehr Gleichberechtigung zu kämpfen. Die Schwulen- und Lesbenszene in Deutschland begann sich langsam zu organisieren. Schon Mitte der 1970er-Jahre gingen Homosexuelle in Münster und Bremen auf die Straße, um für mehr Toleranz zu demonstrieren. Aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung vermummten sie damals ihre Gesichter. Eine gefestigte Organisationsstruktur, die die Szene zusammenhielt, existierte zu der Zeit noch nicht.

Das änderte sich Ende des Jahrzehnts: 1979 fand der erste offizielle Christopher Street Day in Deutschland in Berlin statt. Etwa 450 Demonstranten konnten dort ausgelassen und fröhlich auf die Straße gehen. „Gay Pride“, also „Stolz aufs Schwulsein“, war das Motto des Fußmarsches. Dabei ging es weniger um politische Forderungen, als vielmehr um die Aufforderung an alle Schwulen, Lesben und Transgender, selbstbewusst zu ihrer Sexualität zu stehen. Anfeindungen oder Gewalt gegen Teilnehmer gab es nicht – ein entscheidender Unterschied zu früheren Veranstaltungen.

Immer mehr CSD-Fans

Die CSD-Teilnehmerzahl hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant nach oben entwickelt. In den frühen 1990er-Jahren trafen sich in Berlin bereits Zehntausende Besucher zum Christopher Street Day – ein Ansturm, mit dem kaum jemand gerechnet hätte. Heute zählen Berlin, Köln und Hamburg zu den deutschen Städten mit den meisten CSD-Party-Besuchern. Hunderttausende feierten dort bereits den Christopher Street Day. Aber auch immer mehr kleinere Städte richten einen CSD aus – etwa 50 Veranstaltungsorte listet der CSD Deutschland e.V.

Politische Forderungen – damals und heute

Der Ursprungsgedanke des Christopher Street Day ist es, gegen die willkürliche Diskriminierung von Homosexuellen zu kämpfen. Der CSD ist auch weiterhin ein Tag, der für die Rechte der sexuellen Vielfalt einsteht – also für die Rechte von LGBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle). Die Aktivisten heute demonstrieren vor allem für eine vollständige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit der Ehe, ein volles Recht auf Zugang zum Adoptionsverfahren und die gesellschaftliche Akzeptanz von Transgender und Intersexuellen.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Homosexuellen in Deutschland deutlich verbessert. Die politischen Forderungen stehen daher – im Vergleich zu früher – eher im Hintergrund. Eine politische Kundgebung ist jedoch nach wie vor fester Bestandteil einer CSD-Demonstration. In größeren Städten sind meist bundespolitische Themen von Bedeutung. An kleineren Veranstaltungsorten richten sich die politischen Forderungen häufig an regionale Entscheidungsträger.

Kritik an Kommerz

Nicht alle sind von den großen und publikumswirksamen CSD-Partys begeistert. Die Paraden werden teilweise von Brauereien, Diskotheken und anderen Firmen gesponsert – kommerzielle Interessen stehen hier im Vordergrund. Auf den Trucks sitzen zudem Spitzenpolitiker unterschiedlicher Parteien, von denen man annehmen kann, dass sie mit ihrer Anwesenheit beim bunten, wilden Wählervolk punkten wollen. Manch ein Aktivist stellt sich gegen diese kommerziellen Interessen und wehrt sich gegen den CSD als Bühne für Politiker. 1998 spaltete sich deswegen in Berlin eine Gruppe von Aktivisten vom traditionellen CSD ab. Sie gründete mit dem „Transgenialen CSD“ ihre eigene Veranstaltung. Seit 2014 heißt diese CSD-Alternative „Kreuzberger CSD“. Bei diesem Demonstrationszug sind Parteien, Nationensymbole und kommerzielle Unternehmen unerwünscht.

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