Sprachlernerfahrung
Deutsch als zweite Fremdsprache

Deutsch als zweite Fremdsprache
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Die meisten Schülerinnen und Schüler lernen Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache. Das hat den großen Vorteil, dass sie bereits Erfahrungen mit dem Fremdsprachenlernen haben. Dadurch vereinfacht sich der Lernprozess. Deutsch als zweite Fremdsprache kann jedoch auch Nachteile mit sich bringen.

Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als zweite (oder weitere) Fremdsprache lernen, können an bereits vorhandene Sprachlernerfahrungen anknüpfen und sie erweitern. Dies kann das Erlernen einer zweiten Fremdsprache erleichtern. Für Deutschlehrkräfte hat das den Vorteil, dass sie das vorhandene Wissen und die Erfahrungen ihrer Schülerinnen und Schüler im Unterricht nutzen können.

Bewusstsein für Fremdsprachenlernen

Wenn Jugendliche mit Deutsch als zweiter Fremdsprache beginnen, haben sie durch das Lernen der ersten Fremdsprache schon ein Bewusstsein für Fremdsprachen entwickelt und Sprachlernerfahrung gesammelt und können sich daher schneller und effektiver in einer neuen Sprache orientieren. Lernende wissen beispielsweise bereits aus ihren früheren Erfahrungen mit dem Fremdsprachenlernen, dass Sprachen verschiedene Satzstrukturen aufweisen können, die sich von denen der eigenen Muttersprache unterscheiden. Sie haben weiterhin die Erfahrung gemacht, dass einzelne Wörter oder Ausdrücke in der Muttersprache keine direkte Entsprechung in der Fremdsprache haben oder dass kulturelle Eigenheiten eine Rolle bei der Sprachverwendung spielen.

Erfahrung mit Lernstrategien

Zudem sind die Lernenden erfahren in Bezug auf Situationen und Verfahren des Fremdsprachenlernens. So kennen sie beispielsweise das Phänomen, dass es im Fremdsprachenunterricht (im Unterschied zu den meisten anderen Fächern in der Schule) normal ist, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen sie nicht alles verstehen, was gesagt wird. Viele Lernende haben dadurch bereits Strategien entwickelt, mit diesen Situationen umzugehen, z.B. wie man unbekannte Wörter aus dem Kontext erschließen kann.

Außerdem kennen Schülerinnen und Schüler inzwischen ihr persönliches Lernverhalten beim Fremdsprachenlernen und haben wahrscheinlich bereits eigene Lerntechniken entwickelt. Dabei haben sie beispielsweise schon verschiedene Strategien des Vokabellernens ausprobiert und letztendlich eine Strategie gefunden, die ihnen persönlich am meisten liegt. [1]

Studien haben zudem gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler beim Lernen einer zweiten (oder weiteren) Fremdsprache oft zielorientierter sind, dem Fremdsprachenlernen häufig offener gegenüber stehen, risikofreudiger und außerdem auch gelassener sind, wenn sie etwas nicht auf Anhieb verstehen oder können. [2] Insgesamt geht man daher davon aus, dass Lernende bei einer zweiten Fremdsprache in der Regel selbstsicherer sind als beim Erlernen der ersten Fremdsprache.

Nachteile von Deutsch als zweiter Fremdsprache

Dennoch hat Deutsch als zweite (oder weitere) Fremdsprache oft auch einen schweren Stand. Dies betrifft in erster Linie den Status des Faches. Während die erste Fremdsprache (oft Englisch) als Hauptfach angesehen wird und meist gleichberechtigt neben Fächern wie Mathematik und der Muttersprache steht, werden die zweiten oder weiteren Fremdsprachen meist mit nur wenigen Wochenstunden unterrichtet. Für jede Fremdsprache ist es jedoch wichtig, dass man am Anfang mit relativ vielen Stunden beginnt. Zum einen muss man sich in die neue Sprache einhören und eingewöhnen. Zum anderen ist es für die Motivation wichtig zu erfahren, dass man die Sprache benutzen kann. Bei nur einer oder zwei Unterrichtsstunden pro Woche dauert es sehr lange, bis man sich des Gebrauchswerts einer Fremdsprache bewusst wird. [3]

Mögliche schlechte Erfahrungen

Möglicherweise haben einzelne Jugendliche auch schlechte Erfahrungen mit dem Lernen der ersten Fremdsprache gemacht. Vielleicht wurde der bisherige Fremdsprachenunterricht von den Lernenden als uninteressant empfunden, oder einige Schülerinnen und Schüler haben in der Vergangenheit schlechte Noten erhalten und beginnen nun den Deutschunterricht mit der Einstellung, dass das Fremdsprachenlernen ihnen nicht liegt. All diese Faktoren können sich negativ auf die Lernmotivation der Jugendlichen auswirken. Außerdem kann man häufig beobachten, dass Lernende bei der zweiten Fremdsprache kritischer in Bezug auf Lehr- und Lernmaterialien sind. Wenn sie mit thematisch uninteressanten, (zu) einfachen oder gar kindlichen Lerninhalten konfrontiert werden, die nicht an das Vorwissen oder die Interessen der Lernenden anknüpfen, reagieren sie gelangweilt und lehnen diese häufig ab.

Deutsch nach Englisch

Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass Englisch (in den meisten Ländern die erste Fremdsprache) von der Mehrheit der Schülerschaft als einfacher empfunden wird als Deutsch. Die vergleichsweise komplexe Grammatik der deutschen Sprache (die leider nach wie vor den Unterricht vielerorts dominiert) kann schnell demotivierend auf die Jugendlichen wirken, wenn sie die Erfahrung gemacht haben, dass Englisch eine etwas überschaubarere Grammatik hat und daher scheinbar einfacher zu erlernen ist. Hinzu kommt, dass Englisch in den meisten Ländern eine oft viel wichtigere Rolle im Alltagsleben spielt als Deutsch und in vielen Medien präsent ist (z.B. Musik, Filme, Internet). Das trägt natürlich zur Motivation bei den Jugendlichen bei. Zudem steigen dadurch viele Schülerinnen und Schüler, die eigentlich als Anfänger gelten, bereits mit gewissen Sprachkenntnissen in den Unterricht ein. Dies gilt für das Fach Deutsch in der Regel nicht. Somit ist der Zugang zum Englischen durch die Alltagskultur meist sehr viel einfacher als der Zugang zur deutschen Sprache. Wenn Jugendliche daher Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch lernen, kämpfen viele Deutschlehrkräfte damit, dass die Lernenden die „komplizierte und schwerfällige“ deutsche Sprache immer wieder mit der „lockeren und leichten“ englischen Sprache vergleichen. Wenn Deutsch jedoch erste Fremdsprache ist, ist dieser direkte Vergleich nicht möglich, und die Lernenden konzentrieren sich in der Regel ohne Vorurteile auf das Deutschlernen.

Deutsch als zweite (oder weitere) Fremdsprache nach Englisch hat jedoch auch Vorteile. Jugendliche, deren Erstsprache nicht das lateinische Alphabet verwendet (das gilt beispielsweise für russische oder chinesische Lernende), verfügen durch den Englischunterricht bereits über Kenntnisse und Erfahrungen mit den lateinischen Buchstaben. Das hat für Deutschlehrkräfte den großen Vorteil, dass sie im Deutschunterricht die lateinische Schrift nicht einführen müssen, da die Schülerinnen und Schüler diese Kenntnisse bereits aus dem Englischunterricht mitbringen.
 

[1] Hufeisen, B. (2003). L1, L2, L3, L4, Lx – alle gleich? Linguistische, lernerinterne und lernerexterne Faktoren in Modellen zum multiplen Spracherwerb. In: Baumgarten, N., Böttger, C., Motz, M. & Probst, J. (Hrsg.). Übersetzen, Interkulturelle Kommunikation, Spracherwerb und Sprachvermittlung –das Leben mit mehreren Sprachen. Festschrift für Juliane House zum 60. Geburtstag. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 8(2/3) (http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-08-2-3/beitrag/Hufeisen1.htm).

[2] Jessner, U. (2008). Teaching third languages: Findings, trends and challenges. Language Teaching, 41 (1), 15–56. 

Zahirová, E. (2013). Mehrsprachigkeit an der Grundschule: Deutsch nach Englisch. Baccalaureatarbeit am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur. Masaryk-Universität Brünn.

[3] Deutsch nur als zweite oder dritte Fremdsprache? Ein Interview mit Hans-Jürgen Krumm. Goethe-Institut e. V., Online-Redaktion, Juni 2009 (http://www.goethe.de/ges/spa/dos/daf/unt/de4568512.htm).

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