Kognitive Veränderungen I
Entwicklung der exekutiven Funktionen

Exekutive Funktionen
Foto: Colourbox.com

Während der Jugendphase finden bedeutende Entwicklungen im Gehirn statt, die teilweise erst im frühen Erwachsenenalter abgeschlossen sind. Dies ist der Grund dafür, dass Jugendliche sich oft nicht so gut konzentrieren können, sich schnell ablenken lassen und Schwierigkeiten haben, längerfristig zu planen.

Bis vor nicht allzu langer Zeit glaubte man noch, dass das Gehirn mit der Pubertät schon vollständig entwickelt sei. Erst vor einigen Jahren haben Neurowissenschaftler herausgefunden, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil: Während der Jugendphase finden im Gehirn bedeutende Veränderungen und Entwicklungen statt, die sich auf die kognitiven Fähigkeiten von Jugendlichen auswirken.

Großbaustelle Gehirn

Zu Beginn der Pubertät steigt die Menge der grauen Substanz (Nervenzellkörper) im Gehirn erheblich an, und unzählige Synapsen (Verbindungen zwischen Nervenzellen) entstehen. [1] Bald nach diesem enormen Zuwachs werden die Synapsen wieder ausgedünnt. Welche der Synapsen verschwinden und welche erhalten werden, erfolgt nach dem Prinzip „Use it or lose it“, d.h., die Synapsen, die häufig genutzt werden, bleiben erhalten und werden zusätzlich verstärkt, während die, die (fast) ungenutzt bleiben, eliminiert werden. [2]

Da das Gehirn von Jugendlichen also noch relativ plastisch ist, spielt die kognitive Stimulation während der Jugendjahre eine entscheidende Rolle. Wenn Schülerinnen und Schüler einer optimalen Lernumgebung mit reichem Reizangebot und Handlungsspielräumen ausgesetzt sind, kann die Entwicklung verschiedener Fähigkeiten (z.B. Fremdsprachen lernen, Musikinstrument spielen) im Gehirn stimuliert werden. Diese Fähigkeiten können sich Erwachsene zwar auch noch aneignen, aber die Lernprozesse sind dann mit sehr viel mehr Mühe verbunden. Jugendliche befinden sich demnach in einer Phase ihrer Entwicklung, in der sie sehr empfänglich für neue Informationen sind und besonders schnell und effektiv lernen.

Reifung des Gehirns

Dieser Reifungsprozess erstreckt sich über mehrere Jahre. Der Bereich des Gehirns, der sich zum Schluss entwickelt und erst im frühen Erwachsenenalter vollständig ausgereift ist, ist der präfrontale Cortex (Frontallappen). [3] Dieser Teil des Gehirns befindet sich an der Stirnseite und ist unter anderem verantwortlich für die Regulierung von Aufmerksamkeit, die Kontrolle von Impulsen, für Planung und zielgerichtetes Handeln.

Experimentelle Studien bestätigen, dass Jugendliche ihre Aufmerksamkeit vergleichsweise schlecht regulieren können, dass sie Impulse nicht gut unterdrücken können, Schwierigkeiten haben, längerfristig zu planen und sich der Konsequenzen ihres Verhaltens häufig nicht bewusst sind. [4]

Auswirkungen auf den Unterricht

Im Unterricht machen sich diese „Defizite“ im jugendlichen Gehirn dadurch bemerkbar, dass sich Schülerinnen und Schüler häufig nur für eine vergleichsweise kurze Zeit auf eine Aufgabe konzentrieren können, da ihre Aufmerksamkeit recht schnell nachlässt und sie sich schnell ablenken lassen. Außerdem passiert es häufig, dass sie ihre Unterrichtsmaterialien nicht dabei haben, sie vergessen, welche Aufgabe die Lehrkraft gerade gestellt hat oder es schwierig finden, sich rechtzeitig und systematisch auf die nächste Klassenarbeit vorzubereiten. Das ist für Lehrkräfte oft eine herausfordernde und manchmal auch nervenaufreibende Phase. Aber da der präfrontale Cortex erst zu Beginn des Erwachsenenalters vollständig ausgewachsen ist, kann man von Jugendlichen eigentlich auch nicht erwarten, dass sie wie Erwachsene planen und handeln.

Andererseits sollte man in dieser Phase natürlich auch nicht einfach zusehen, wie Jugendliche planlos durchs Leben gehen. In der Phase, in der ihr präfrontaler Cortex noch in der Entwicklung ist, können Jugendliche einen „externen“ präfrontalen Cortex in Form von Eltern und Lehrkräften gut gebrauchen, die ihnen Grenzen aufzeigen, die grobe Richtung angeben und vorausschauendes Verhalten und Pläne mit ihnen entwickeln. [5]

Was tun mit unkonzentrierten Jugendlichen?

Was man tun kann, wenn Jugendliche im Unterricht unkonzentriert sind und sich schnell ablenken lassen, erzählt eine Deutschlehrerin aus Indien in dem folgenden Video.
 
Goethe-Institut

Weitere Empfehlungen für den Unterricht finden Sie hier.

 

[1] Giedd, J.N., Blumenthal, J., Jeffries, N.O., Castellanos, F.X., Liu, H., Zijdenbos, A.,  Paus, T., Evans, A.C. & Rapoport, J.L. (1999), Brain development during childhood and adolescence: A longitudinal MRI study. Nature Neuroscience, 2, 861-863.

Giedd, J.N. (2008). The teen brain: Insights from neuroimaging. Journal of Adolescent Health, 42, 335-343.

Gogtay, N., Giedd, J.N., Lusk, L., Hayashi, K.M., Greenstein, D., Vaituzis, A.C., Nugent, T.F., Herman, D.H., Clasen, L.S., Toga, A.W., Rapoport, J.L. & Thompson, P.M. (2004). Dynamic mapping of human cortical developemnt during childhood through early adulthood. Proceedings of the National Academy of Science United States of America, 101, 8174-8179.

[2] Blakemore, S. & Choudhury, S. (2006). Development of the adolescent brain: Implications für executive function and social cognition. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 47(3), 296-312.

Giedd, J.N., Blumenthal, J., Jeffries, N.O., Castellanos, F.X., Liu, H., Zijdenbos, A.,  Paus, T., Evans, A.C. & Rapoport, J.L. (1999), Brain development during childhood and adolescence: A longitudinal MRI study. Nature Neuroscience, 2, 861-863.

Kuhn, D. (2006). Do cognitive changes accompagny developments in the adolescent brain? Perspectives on Psychological Science, 1, 59-67.

[3] Anderson, V.A., Anderson, P., Northam, E., Jacobs, R. & Catroppa, C. (2001). Development of executive functions through late childhood and adolescence in an Australian sample. Developmental Neurospychology, 20(1), 385–406.

Giedd, J.N., Blumenthal, J., Jeffries, N.O., Castellanos, F.X., Liu, H., Zijdenbos, A.,  Paus, T., Evans, A.C. & Rapoport, J.L. (1999), Brain development during childhood and adolescence: A longitudinal MRI study. Nature Neuroscience, 2, 861-863.

[4] Crone, E. A., & van der Molen, M. W. (2004). Developmen- tal changes in real life decision making: Performance on a gambling task previously shown to depend on the ventromedial prefrontal cortex. Developmental Neuropsychology, 25(3), 251 – 279.

Eigsti, I.M., Zayas, V., Mischel, W., Shoda, Y., Ayduk, O., Dadlani, M.B., Davidson, M.C., Aber, J.L. & Casey, B.J. (2006). Predicting cognitive control from preschool to late adolescence and young adulthood. Association for Psychological Science, 17(6), 478-484.

[5] Crone, E. A. (2008). Het puberende brein: Over de ontwikkeling van de hersenen in de unieke periode van de adolescentie. Soest: Bert Bakker/ Prometheus.

Weinberger, D. (2001, March 10). A brain too young for good judgement. The New York Times, p A13.

Top