zeichen setzen
„Typografisches Gendern ist ein Prozess“

Gendersternchen
Illustration: Joni Majer

Das MISSY MAGAZINE behandelt Themen rund um Feminismus, Politik und Popkultur. Es ist eine progressive Zeitschrift – nicht nur inhaltlich. Das Grafikteam der MISSY hat sich beim letzten Relaunch im Frühjahr 2021 auch um gendersensi­ble Typografie gekümmert.
 

Von Silvia Silko (Text) und Joni Majer (Illustration)

Gendern ist ein Politikum: Es wird darum gestritten, ob es überhaupt nötig ist, in geschriebenen Texten zu gendern. Kritiker*innen fühlen sich beim Lesen gestört und mokieren, dass der Textfluss durch Binnen-Is, Unterstriche oder Gendersternchen unterbrochen wird. In Texten und beim Sprechen zu gendern, ist aber weit mehr, als Bequemlichkeiten und Gewohnheiten herauszufordern. „Die Beschwerden über die typografische Unzulänglichkeit bei der Verwendung gendersensibler Sprache speisen sich meiner Meinung nach aus einer ideologischen Ablehnung des Genderns“, sagt Daniela Burger, Art-Direktorin des MISSY MAGAZINE.

Gendern bedeutet, niemanden zu exkludieren und zu diskriminieren. Es ist nicht nur ein Satzzeichen, sondern auch Symbol dafür, dass alle Menschen, speziell beim Gendersternchen, alle Geschlechtsidentitäten mitgemeint sind. Es wird gerne be­hauptet, dass bei der männlichen Form eines Wortes ja eigentlich alle angesprochen werden – auch alle, die nicht cis-männlich sind. Allerdings wollen sich die Befürwor­ter*innen dieser Behauptung ungern auf die Rückkopplung ihrer Überzeugung ein­lassen: Sie fühlen sich offenbar nicht wohl damit, dass von nun an in Formularen und Artikeln, bei Reden und Ansprachen nur noch die weiblichen Wortformen genutzt werden und sie sich damit begnügen müssen, gedanklich mitgemeint zu sein.

Sprache, ob gesprochen oder geschrieben, ist ein Konstrukt und von Menschen gemacht und weiterentwickelt worden. Und wie in vielen anderen Bereichen ist auch im Grafikdesign und der Typografie der Mann dominierend. Kein Wunder also, dass sich in diesem Gebiet bisher unzureichend mit der Frage beschäftigt wurde, wie es gelingen kann, Sprache gendergerecht darzustellen.

Burger hat sich mit den Grafikerinnen Lisa Klinkenberg, Stefanie Rau und Lena Rossbach für das MISSY MAGAZINE damit auseinandergesetzt. Neben anderen Änderungen haben sie vor allem einen Genderstern entwickelt, der die Größe eines kleinen Buchstabens hat und so in einem Wort gar nicht so sehr als Besonderheit heraussticht – man liest ihn wie selbstverständlich mit. „Gleichzeitig hebt der Stern das typografische Gendern hervor, indem er um einiges mehr Raum einnimmt als ein normaler Asterisk und durch seine Größe viel präsenter ist“, erklärt Burger. Für sie ist der Gen­derstern ein wunderschönes und gut sichtbares Statement für gendersensible Sprache.

„Typografisches Gendern ist ein Prozess, und wir be­finden uns gerade einmal ganz am Anfang“, weiß die Art-Direktorin. Aber nicht nur das MISSY MAGAZINE leis­tet einen Beitrag: Mittlerweile werden Bücher zum Thema geschrieben, etwa von Grafikdesignerin Hannah Witte, und auch Unis widmen sich verstärkt dem Thema. Burger ist sich sicher: In Zukunft wird es noch viel mehr typografisch zufrie­denstellende Ideen für gendersensibles Schreiben geben. Das liest sich gut!

MISSY MAGAZINE
Coverfoto: Giulia Savorelli, Fotoassistent Jack Tennant © MISSY MAGAZINE










 

Top