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Motivation nachhaltig stärken
Schule als Potentialort für Lehrkräfte

Man springt auf den Felsen
Alex Radelich © Unsplash

Der Lehreralltag ist von vielen Herausforderungen geprägt. Studien belegen, dass in diesem Berufsfeld die psychische Belastung besonders hoch ist, wie hohe Zahlen an Burnout-Erkrankungen zeigen. Wie können wir es schaffen, dem entgegenzuwirken und über Jahre hinweg Motivation und Freude am Job zu erhalten?

Von Romy Möller

Eine Antwort auf diese Frage können wir in der Auseinandersetzung mit „New Work“ finden. Ein Ansatz, der die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen in den Mittelpunkt stellt. Dabei soll die Arbeit eine sinnstiftende und erfüllende Tätigkeit sein, indem sie mehr Freiheit, Verantwortung und Teilhabe ermöglicht. Dieses Verständnis geht auf Frithjof Bergmann zurück, der schon in den 70er Jahren das Konzept der Arbeit hinterfragt hat. Dabei geht es bei New Work ganz viel um Haltung. Es sind weniger Tools, denn entscheidend ist immer, weshalb wir etwas tun. Es geht darum, weg vom „höher, schneller, weiter“ zu kommen und stattdessen Beziehung und Wertschätzung aufzubauen.

Was heißt dies aber konkret für den Lehrberuf und für den Führungsalltag? Wie können wir Arbeit gestalten, damit Lehrkräfte gesund und erfüllt sind?

Hier gibt Frederic Laloux in seinem Buch „Reinventing Organisations“ konkrete Impulse, indem er drei verschiedene Prinzipien erläutert.

#1 Selbstorganisation und Selbstführung – eigene Gestaltung ermöglichen

Je komplexer Systeme werden, umso weniger gelingt eine Führung über Hierarchie. Ganz oben an der Spitze haben wir nicht mehr so einen Einblick in die entsprechenden Prozesse und Abhängigkeiten. Daher schlägt Laloux vor, dass Entscheidungen dezentral getroffen werden – von den Personen, die von einem „Problem“ betroffen sind, da sie über die entsprechende Expertise verfügen.

Für die Arbeit mit Lehrkräften heißt das konkret, dass sie mehr Gestaltungsräume und Entscheidungsfreiheit erhalten und eigene Ideen ausprobieren und weiterentwickeln können. Für die Arbeitsmotivation von Menschen, die gern Herausforderungen lösen, etwas bewirken wollen oder denen Selbstverwirklichung wichtig ist, ist dies sehr wichtig. Sie bekommen dadurch Vertrauen und Wertschätzung geschenkt und erhalten eine Möglichkeit sich einzubringen.

Dies kann auf ganz unterschiedlichen Arbeitsebenen geschehen, zum Beispiel in der eigenen Arbeitsorganisation, in der Konzeption von eigenen Projekten oder durch entsprechende Mitbestimmungs- und Partizipationsprozesse.
 
An der Stelle können Schulleitungen sich fragen:
  • Wie viel Mitbestimmungsrecht haben meine Lehrkräfte?
  • Wie sind Prozesse zur Partizipation geregelt und vor allem kommuniziert?
  • Wie können eigene Ideen eingebracht und vor allem umgesetzt werden?
  • Welche Lehrkraft hat wie viel Verantwortung? 
Lehrerin- Freude am Job © Unsplash

#2 Ganzheit – sich als „ganzer“ Mensch zeigen

Das nächste Prinzip ist die Ganzheit. Laloux versteht darunter, dass man sich als „ganzer Mensch“ zeigen kann – mit all seinen Stärken, aber auch Schwächen. Man muss sich nicht mehr hinter einer Maske verstecken, sondern darf einfach „sein“.
 
Ein Aspekt, der vor allem im Lehreralltag sehr wichtig ist – besonders in der Corona-Pandemie. Leider erleben wir in Schulen noch oft, dass Lehrkräfte eine „professionelle Maske“ tragen. Dahinter versteckt sich teilweise die eigene Überzeugung, immer alles richtig machen und wissen zu müssen. Dies produziert sehr viel Druck. Dieser wird zusätzlich durch den Umstand, dass Lehrkräfte vor allem im Unterricht immer noch Einzelkämpfer sind, verstärkt. Sie fühlen sich dadurch oft mit ihren eigenen Problemen allein gelassen. An dieser Stelle können Sie als Schulleitung unterstützen, indem Sie eine ausgeprägte Fehler- und Unterstützungskultur fördern.
 
Dies kann zum Beispiel durch Reflexionsräume geschehen, in denen Lehrkräfte ihre Herausforderungen offen miteinander teilen und sich gegenseitig unterstützen. Hier wären Supervisionsgruppen oder auch kollegiale Hospitationen denkbar – vor allem unter der Haltung „gemeinsam sind wir stark“.

#3 Evolutionärer Sinn – weniger kontrollieren, mehr erspüren

Den letzten Aspekt, den Laloux anspricht, ist der Evolutionäre Sinn. Hier geht es vor allem um die Entwicklung der Organisation. Diese soll nicht kontrolliert und vorhergesagt werden, sondern vielmehr aus dem „Jetzt“ heraus entwickelt werden, um aktuellen Entwicklungen gerecht werden zu können. Corona hat uns vor allem gezeigt, dass langfristige Strategien überhaupt nicht möglich sind.
Vielmehr sollten wir uns mit der Gegenwart verbinden und immer wieder schauen, was es gerade braucht. An dieser Stelle ist auch die Atmosphäre wichtig: wie arbeiten wir überhaupt zusammen? Welche Werte leben wir? Wie zeigt sich dies in unserem alltäglichen Tun? Welcher Sinn leitet uns?
 
Die Sinnfrage ist vor allem für die Identifikation mit der eigenen Arbeit sehr entscheidend. Dies wird auch immer wieder durch verschiedene Studien belegt. Sie als Schulleitung können diesen Punkt aufgreifen, indem Sie mit Ihrem Kollegium konkret ein Leitbild und eine Vision entwickeln und die entsprechenden Werte dazu ableiten. Der nächste Schritt sollte dann sein, diese konkret in den Alltag zu übertragen. Zum Beispiel: Wie können wir die Werte in unseren Meetings leben? Wie zeigen sich die Werte in unserer Kommunikation? 

Die drei Prinzipien und …

All diesen Prinzipien liegt ein Fundament zugrunde: die eigene Haltung – aus welcher Haltung heraus führe ich meine Lehrkräfte?  
All die Praktiken sind wirkungslos, wenn sie nicht auf ein Verständnis des Füreinanders und des Potentialblicks aufbauen. Es braucht dafür das Verständnis vom „Nein – du“ zum „Ich mit dir“- ein Arbeiten und Begegnen auf Augenhöhe. Inwieweit dies bei Ihnen an der Schule bereits gelebt wird, können Sie über eine Abfrage im Kollegium selbst einmal thematisieren (siehe Anlage). Nutzen Sie die Einschätzung als Gesprächsanlass, um vor allem „gemeinsam“ Veränderungen anzustoßen und mit Offenheit weiterzudenken.  

Literatur:

Laloux, F. (2016): Reinventing Organizations visuell: Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen München. 

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