Hartmut Ebke
Bilingualer Unterricht in Europa

Deutschkurse im Sommer
Foto: Goethe-Institut/Bernhard Ludewig

Ziele

Die EU-Kommission hat immer wieder die Bedeutung bilingualen Unterrichts zur Förderung von Mehrsprachigkeit und interkultureller Kompetenz hervorgehoben und dafür Impulse gegeben, unter anderem in der Draft Council Resolution on a European strategy for multilingualism vom Oktober 2008. Dort werden die Mitgliedsländer der EU eingeladen, „to devote particular attention to the further training of language teachers and to enhancing the language and intercultural competences of teachers in general, in order to promote the teaching of non-linguistic subjects in foreign languages (CLIL)“ (proposal 2f).
 
In einer Eurydice-Studie [1] wird zudem ausdrücklich darauf verwiesen, dass bilingualer Unterricht mehr ist als ein methodisches Instrument zur Förderung des Fremdsprachenlernens: „it seeks to develop proficiency in both the non-language subject and the language in which it is taught, attaching the same importance to each“. Ziel ist also ein integrierter Ansatz, in dem beide Partner zu ihrem Recht kommen. Was ist seitdem passiert?
 

Sachstand der Umsetzung

Die zentralen Ergebnisse einer Studie über die Umsetzung bilingualen Sachfachunterrichts in Europa lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Viele europäische Länder setzen bereits auf bilinguale Unterrichtskonzepte, Tendenz steigend (zwischen 3 und 30 % der Schulen). Es gibt eine Bandbreite von Modellen, von der temporären Verwendung der Zielsprache in geeigneten Modulen bis zu einem umfassenden Schulkonzept, in dem Bili einen festen Platz mit einem im Verlauf der Schuljahre allmählich zunehmenden Anteil erhält und im Abschlusszeugnis entsprechend zertifiziert wird. Internationale Zusammenarbeit in Projekten und Schulpartnerschaften ist für das etablierte Modell mit eigenem Bili/CLIL-Zug in der Sekundarstufe I und II selbstverständlich.
 
Lediglich Dänemark, Griechenland, Portugal, Zypern und Litauen hatten zum Zeitpunkt der Erhebung kein entsprechendes Angebot gemeldet. Viele europäische Länder im Süden bilden Lehrkräfte traditionell nur in einem Fach aus. So steht einer oft gewünschten breiten Umsetzung entgegen, dass nicht genügend Sachfach-Lehrkräfte hinreichend sprachlich kompetent sind. In den letzten Jahren hat sich einiges getan, so bietet inzwischen Litauen CLIL-Unterricht an. Vorwiegend in südeuropäischen Ländern werden zusätzlich Tandem-Modelle von Sachfach- und Sprachlehrkraft ebenso als Ausweg genutzt wie zum Teil die Reduzierung der Anforderungen an die Sprachkompetenz. Es ist demnach nicht überall CLIL drin, wo CLIL draufsteht.

In Ländern, die eine Kombination von Sprache und Sachfach in der Lehrerausbildung zulassen, sind die Voraussetzungen für die flächendeckende Einführung von CLIL günstiger. Dies heißt jedoch nicht, dass entsprechende Lehrkräfte ohne weitere Vorbereitung im CLIL-Unterricht eingesetzt werden könnten. Manche Länder bieten deshalb eine fachdidaktische Zusatzausbildung für angehende Lehrkräfte mit abschließender Prüfung und Zertifizierung an.
 

Sprachen im Bili-Unterricht

Die englische Sprache dominiert weitgehend, jedoch gibt es auch zunehmend Modelle in den übrigen Sprachen der Gemeinschaft. Vielfach sind es Schulen im grenznahen Bereich, die sich mit Hilfe des CLIL-Konzepts um eine Vertiefung der Kompetenz in der Nachbarsprache kümmern. Dies geschieht vorrangig in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, jedoch immer öfter auch in den naturwissenschaftlichen Fächern sowie in Sport, Musik und Religion.
 

Zertifizierung durch CertiLingua

Die Zertifizierung mehrsprachiger, europäischer und internationaler Kompetenzen von hoher Qualität hat sich ein Projekt mit europäischer Dimension zum Ziel gesetzt: CertiLingua [2]. Nach einheitlich definierten Standards können Schulen in den teilnehmenden europäischen und außereuropäischen Ländern (zum Beispiel alle deutschen Schulen im Ausland) das CertiLingua-Zertifikat zusammen mit dem Abschlusszeugnis der Sekundarstufe II vergeben. Voraussetzung hierfür sind mindestens zwei Fremdsprachen auf dem Niveau B2 des Europäischen Referenzrahmens, innerhalb der letzten beiden Schuljahre mindestens 70 Stunden bilingualen Unterrichts in wenigstens einem Sachfach sowie europäische/ internationale Kompetenz, die durch die Teilnahme an einem gemeinsamen Projekt mit Partnern im Land der Zielsprache nachgewiesen wird. Näheres dazu in der  

Fazit

Bilingualer Unterricht greift auf, was Hirnforscher schon lange wissen: Erfolgreich und nachhaltig ist Lernen dann, wenn es motiviert und Freude macht. Hier stehen Können und die Freude an der Anwendung der Sprache im Mittelpunkt, nicht die Fehler und das Versagen. Der Zulauf zu den Schulen mit entsprechenden Angeboten zeigt: Die Abstimmung mit den Füßen hat der bilinguale Unterricht bereits gewonnen.
 
 
 

Literatur

[1] Eurydice, „Content and Language Integrated Learning (CLIL) at School in Europe“, Brüssel 2006.
[2] Näheres unter certilingua.net

 

Über den Autor

Prof. Hartmut Ebke Foto: Privat, Hartmut Ebke Arbeitsschwerpunkte:
Sprachenpolitische Grundsatzfragen; Situation bilingualen Unterrichts in Deutschland und Europa; Konzeptionen zur Einführung bilingualer Module und Einrichtung von Abteilungen an Schulen mit CLIL und EMILE; Zertifizierungsfragen im deutschen und europäischen Kontext, insbesondere das CertiLingua-Modell (z.Zt. Mitglied des internat. Beirats); Konzeptionen für die Lehrerausbildung von CLIL-Lehrkräften; Beratung der Kultusministerkonferenz und von Ländern in Fragen bilingualen Unterrichts (auch Erfahrungen aus entsprechenden Tätigkeiten für den Europarat).